Kooperative Maschinen (Müller)

VII / X Das Berlin der Zukunft braucht ...

…kooperative Maschinen (Klaus-Robert Müller)

Es geht in der Diskussion um maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz (KI) heute meist um Szenarien: Computer oder Maschine gegen den Menschen. Ich glaube, das ist der falsche Ansatz. Meine Vision für die Zukunft ist, dass wir Maschinen, die intelligent sind, als kooperative Helfer haben werden. Ich glaube, dass Mensch und Maschine sich sehr gut ergänzen können.

Im Alltag werden uns diese Helfer daran erinnern, was wir noch zu bedenken haben. In der Wissenschaft werden tiefe Lernmodelle, die wir mit wissenschaftlichen Daten trainiert haben, neues Wissen hervorbringen. Und viele Innovationen werden direkten Einfluss auf unseren Alltag haben. So ist die Entwicklung neuer Batterien eine der Schlüsselfragen unserer Mobilität. Schon jetzt steht fest, dass die Grundlagen leistungsfähigerer Batteriematerialien mit Techniken des maschinellen Lernens und der KI entwickelt werden. Wir werden Batterien haben, die schneller laden und Elektroautos 1000 statt 100 Kilometer weit fahren lassen.

In meinem Wunschbild gibt es in Berlin in zehn Jahren mindestens zwei Dutzend neue Professoren und Professorinnen auf dem Gebiet des maschinellen Lernens und der KI. Die Universitäten werden eine weit umfassendere Ausbildung anbieten können. Das ist ein nötiger Schritt, um die internationale Sichtbarkeit auszubauen. Denn viele Länder rund um den Globus investieren 10- bis 20-mal so viel Geld in den Bereich wie Deutschland.

Und wir müssen das unsägliche Silodenken der Disziplinen aufgeben. Innovationen entstehen heute immer an den Grenzen der Disziplinen. Doch noch ist Interdisziplinarität ein Lippenbekenntnis. KI und maschinelles Lernen werden für Fächer wie Medizin, Ingenieurwissenschaften, Chemie, Neurobiologie oder Physik immer wichtigere „Enabler“. Im Berlin der Zukunft wird nicht länger nur von Interdisziplinarität geredet, sondern diese auch beherzter umgesetzt (wie beispielsweise schon im Bernstein Zentrum, dem Berliner Big Data Center oder im neuen Berliner Zentrum für Maschinelles Lernen). Das wird die Innovationen in unserem Land und vor allem in unserer Stadt vorantreiben.

Die Technologien des maschinellen Lernens und von Big Data, die in der Industrie angewandt werden, leben von unseren privaten Daten. Ich bin der Meinung, dass wir dies als Gesellschaft nicht akzeptieren sollten und unsere Privatheit wiedergewinnen müssen. Denn Demokratie funktioniert durch Privatheit. Ich bin sehr optimistisch, dass wir das hinbekommen können, wenn wir die richtigen technischen und regulatorischen Schritte wählen. Aktuell führen wir eine intensive Diskussion innerhalb der Akademien und mit der Öffentlichkeit und treiben die Forschung zu diesem für unsere Gesellschaft so wichtigen Thema voran. Wenn Firmen sich diese Sichtweise zu eigen machen und Produkte generieren, die unsere Privatheit und unsere Daten respektieren, dann ist das ein wesentlicher Standortvorteil für Europa – und für Berlin.