Sonne, Kraft und Wasserstoff

Anna-Noemi Lotz hat für den Wettbewerb „Jugend forscht“ im Fach Chemie eine clevere Solarzelle entwickelt. Im Chat erzählt die Berliner Abiturientin, welche Katalysatoren sie und ihr Mitstreiter vom Romain-Rolland-Gymnasium verwendet haben und was ihr die Chemie bedeutet

Guten Morgen, Anna! 10:15 

Hallo :) 10:15 

Du hast letztes Jahr mit einem Mitschüler bei „Jugend forscht“ im Fach Chemie teilgenommen. Wie weit habt ihr es geschafft? 10:16 

Wir durften nach einem erfolgreichen Regional- und Landeswettbewerb in Berlin auf den Bundeswettbewerb nach Chemnitz fahren und haben dort den fünften Platz gemacht. 10:16 

Toll, Glückwunsch! 10:16

Dankeschön! 10:16

Und was gab’s als Preis? 10:17

Wir haben 500 Euro und einen Sonderpreis abgesahnt: eine Einladung zum Youth Science Forum nach London, wo wir im Sommer dann andere Jungforscher aus der ganzen Welt kennengelernt haben. Es war eine unglaublich tolle Zeit mit spannenden Vorlesungen und Workshops und natürlich auch einem super Kulturprogramm und Sightseeing. 10:17

Für welche Erfindung wurden du und dein Projektpartner denn ausgezeichnet? 10:18 

Wir haben eine solare Elektrolysezelle entwickelt: eine Kombination aus einer Solarzelle und einer Elektrolysezelle. In ihr wird zunächst die Strahlungsenergie des Sonnenlichts in elektrische Energie umgewandelt, welche dann weiter zur Spaltung von Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff verwendet wird. 10:19

Wow, ein ganz schön komplexes Ding. Chemie ist bei mir so lange her ... Was war Elektrolyse noch mal? 10:19 

Kein Problem, ich geb’ gern etwas Nachhilfe. Also bei Elektrolyse wird durch elektrischen  Strom eine Reaktion erzwungen, in unserem Fall die Zerlegung von Wasser. Dies funktioniert durch die Übertragung von Elektronen an zwei unterschiedliche Elektroden, der Anode und der Kathode. Die elektrische Energie wird dabei in chemische Energie umgewandelt und im Wasserstoff gespeichert. Wenn man diese chemische Energie später wieder benötigt, kann man sie ganz einfach in einer Brennstoffzelle wieder in Strom umwandeln und dann zum Beispiel im Haushalt nutzen. 10:20 

Danke – es dämmert langsam wieder. Und wofür könnte man die Zelle noch nutzen? 10:20

Unsere Zelle ist eigentlich „nur“ zur Herstellung von Wasserstoff gedacht. Dieser dient, wie schon gesagt, als Energiespeicher und soll somit zur Energiewende und zum Umweltschutz beitragen – Themen, die im Moment unter anderem durch die Fridays- for-Future-Proteste wieder in den Fokus gerückt sind. Wenn man nämlich mal überlegt, wieso man noch nicht vollständig von fossilen Brennstoffen auf Erneuerbare Energien umgestiegen ist, liegt das an der Energiespeicherung. Die Herstellung klappt schon ganz gut, aber der Strom wird oft gerade dann am meisten gebraucht, wenn die Erzeugung mit Solarzellen nicht möglich ist. 10:21

Wie sah denn das Ding aus? Hast du ein Bild davon? 10:22

Ja, klar. Ich suche es kurz raus ... 10:22

 

Sieht ganz schön professionell aus! Das könnte man sich dann also einfach aufs Dach montieren? 10:23

Natürlich, dafür ist es ja gedacht! 10:23

Ist Wasserstoff nicht explosiv? Musstet ihr aufpassen, dass euch der Versuchsaufbau nicht um die Ohren fliegt? 10:24

Explosiv würde ich es nicht nennen, aber natürlich mussten wir auf einiges achten. Wir haben zum Beispiel mit verschiedenen Stoffen gearbeitet, die nicht auf die Haut kommen sollten. 10:24

Und das alles im Schullabor? 10:25

Wir haben schon einige Voruntersuchungen in der Schule machen können, aber für viele Dinge sind wir auch zu Kooperationspartnern von „Jugend forscht“ wie dem Helmholtz- Zentrum Berlin oder der TU Berlin gefahren und haben dort Unterstützung erhalten. 10:25

So sahen wir dann bei der Arbeit aus ... 10:26

Cool! 10:26

Wie kommt es, dass du dich so für die Chemie begeisterst? 10:27

Das kam mit der Zeit. Ich fand es immer schon spannend, Dinge auszuprobieren, ich wollte verstehen, wie die Welt funktioniert. Chemie kam mir von den Naturwissenschaften da einfach sehr lebensnah vor, weil sich so viele Alltagsphänomene damit erklären lassen. 10:27

Stimmt, sie ist irgendwie überall beteiligt. Vor allem ja auch Katalyseprozesse ... 10:28

Absolut! Durch Verwendung von Katalysatoren in unserer Zelle konnten wir die Effizienz übrigens ziemlich steigern. 10:28

Wie praktisch! Und welcher Stoff diente euch als Katalysator? 10:29

Da bei der Elektrolyse immer zwei verschiedene Reaktionen an den jeweiligen Elektroden stattfinden, haben wir auch zwei verschiedene Katalysatoren verwendet: auf der Seite, wo Sauerstoff gebildet wurde ein Nickeleisenoxidhydroxid und für die Wasserstoffbildung Nickelmolybdän. 10:30 

Okay! Du hast vorhin Fridays for Future erwähnt. Bist du bei der Bewegung aktiv? 10:30

Also ich verfolge dasselbe Ziel wie die Bewegung: das Klima zu schützen. Ich sehe meinen Beitrag aber eher darin, etwas Konkretes zu entwickeln, als auf die Demonstrationen zu gehen. Versteh' mich bitte nicht falsch: Ich find die Demos total wichtig, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Ich denke nur, dass ich persönlich auf diesem Weg mehr bewegen kann. 10:31

Hast du denn Vorbilder in der Wissenschaft? 10:32

Ja, die Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim! Ich finde, sie ist eine Vorreiterin der Wissenschaftskommunikation. Sie erklärt auf ihrem Youtube-Kanal maiLab Sachverhalte so, dass sie einfach jeder verstehen kann. Dadurch motiviert sie mich und bestimmt viele junge Menschen, in diesem Bereich zu arbeiten. Vielleicht kennst du sie ja auch aus der WDR- Sendung Quarks? 10:33

Na klar, ich finde sie klasse! 10:33

In MINT-Fächern wie Chemie sind Frauen ja leider immer noch unterrepräsentiert – vor allem je weiter man nach oben schaut. Wie war das bei dir in der Schule? 10:34

In meinen Leistungskursen Chemie und Mathe waren wir Mädels deutlich in der Unterzahl. Ich denke, das liegt einfach daran, dass Jungs etwas selbstbewusster sind und sich mehr zutrauen. Ich war mir anfangs auch unsicher, ob ich das wirklich alles schaffen würde, und dann lief es besser als erwartet. 10:35

Beim Bundeswettbewerb im Fach Chemie war die Anzahl an Jungen und Mädchen dann allerdings ziemlich ausgeglichen! Wenn man die Mädchen also weiter ermutigt, etwas im MINT- Bereich zu machen, wird sich das Ungleichgewicht bestimmt abschwächen. 10:36 

Willst du später in die Forschung gehen? 10:37 

Ja, ich habe gerade mein Abi gemacht und werde demnächst ein Bundesfreiwilligenjahr im Rettungsdienst machen. Danach würde ich gerne Medizin oder Biochemie studieren. Mal sehen, was sich so ergibt ... 10:38

Im Medizinstudium ist Biochemie ja auch ein großer Teil. 10:38

Auf jeden Fall! Vor allem die ganzen Stoffwechselprozesse wären ohne die sogenannten Biokatalysatoren gar nicht möglich ... Aber auch die verschiedenen Puffersysteme des Körpers haben viel mit Chemie zu tun. 10:39

Puffersysteme? 10:39

Die sorgen dafür, dass die Säure-Base- Bilanz im Gleichgewicht bleibt. Das Blut beispielsweise sollte in einem Bereich zwischen pH 7,35 und 7,45 liegen. 10:40

Gut zu wissen! Ich bin gespannt, was du noch so alles erforschen wirst! 10:40 

Gibt’s denn noch ein nettes Foto vom Wettbewerb? 10:40 

Mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier konnten wir leider kein Selfie machen. Aber hier ist ein Foto von uns mit einem Modell, wie die solaren Elektrolysezellen auf dem Dach angebracht werden können. 10:41 

 

Schön – ihr seht glücklich aus. 10:42

Ja, das waren wir auch! 10:42

Text: Eva Murašov

Stand: Dezember 2020