ALBERT fragt …

Expert*innen erklären, wie die Chemie zu mehr Nachhaltigkeit führen kann

 

Lässt sich CO2 in der Atmosphäre durch Enzyme abbauen?

Auf jeden Fall, das passiert ja auch bei der Fotosynthese, und daran ist ein Enzym namens RuBisCO beteiligt. Diese biologische CO2-Bindung funktioniert wunderbar: Kohlendioxid wird in Zucker umgewandelt.

 

Wir arbeiten mit einem anderen Enzym, der Formiatdehydrogenase. Dieses Enzym wandelt beim Abbau von Glukose in der Zelle das entstehende Formiat – das Salz der Ameisensäure – in Kohlendioxid um. Und weil enzymatische Reaktionen reversibel sind, versuchen wir dieses Enzym dazu zu bringen, die umgekehrte Reaktion zu katalysieren, also das CO2 in Formiat umzuwandeln. Solche Enzyme sind aber leider sehr instabil, sie bleiben an der Luft höchstens 24 Stunden lang aktiv. Wir zielen daher erst einmal darauf ab, den Umwandlungsmechanismus zu verstehen, um ihn dann effizienter zu gestalten.

 

Dafür verfolgen wir zwei Wege. Beim ersten koppeln wir das Enzym mit einem weiteren. Das zweite Enzym stellt die für die Umwandlung benötigte Energie – die wir als Reduktionsäquivalente bezeichnen – in Form von Elektronen und Protonen bereit. Beim zweiten Weg wird die Umwandlung durch die Energie des Sonnenlichts vorangetrieben.

 

Beide Wege haben Vorteile. Der erste ist kostengünstig, da die Reduktionsäquivalente enzymatisch hergestellt werden. Doch weil Sonnenlicht umsonst ist, ist der zweite sogar noch billiger; allerdings sind die beteiligten Proteine hier wesentlich komplexer. Wir wissen, dass beide Wege vom Prinzip her funktionieren, aber wir stehen noch ganz am Anfang. Wenn wirklich alles klappt, müssen wir die enzymatischen Reaktionen so optimieren, dass die Umwandlung des Kohlendioxids auch in einem größeren Maßstab möglich ist. Dann ließe sich das überschüssige CO2 aus der Atmosphäre in Formiat umwandeln und als flüssiger Speicher für Wasserstoff verwenden, der dann als Treibstoff transportiert und gelagert werden könnte.

 

Silke Leimkühlerist Professorin für Molekulare Enzymologie an der Universität Potsdam und erforscht mit molekularbiologischen Methoden eine Gruppe von molybdänhaltigen Enzymen, zu der auch die Formiatdehydrogenase gehört.

 

Protokoll: Kristina Vaillant


Werden Proteine aus Muscheln künftig unsere Wunden heilen?

Muscheln stellen ein Protein her, mit dessen Hilfe sie sich an jegliche Art von Oberfläche anheften können – und das auch noch unter Wasser und in einem dynamischen Umfeld. Für medizinische Eingriffe ist das Protein daher ideal: Man kann damit zum Beispiel Wunden verschließen oder gebrochene Knochen zusammenkleben. Im Vergleich zu chemischen Klebern, die aus giftigem Cyanacrylat bestehen und nur auf trockenen Oberflächen gut haften, hat der gesundheitlich unbedenkliche Muschelkleber also entscheidende Vorteile. Allerdings ist er schwer zu handhaben, denn er darf ja nicht unmittelbar kleben, sondern erst dann, wenn er auf die zu behandelnde Stelle aufgetragen worden ist. Daher haben wir das Protein chemisch verändert und mit einer Schutzgruppe versehen, es quasi mit einem Deckel abgedeckt. Diese Schutzgruppe sorgt dafür, dass der Kleber zunächst flüssig bleibt. Bestrahlt man ihn aber mit UV-Licht, löst sich der chemische Deckel und das Protein beginnt zu kleben.

 

Das Problem: Das von uns entwickelte, mit UV-Licht aktivierbare Klebeprotein ist komplex gebaut und kommt in der Natur nicht vor. Man kann es daher nicht chemisch, sondern nur mit biotechnologischen Mitteln herstellen. Gelungen ist uns das, indem wir einen Biokatalysator entwickelt und in genetisch umprogrammierte Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli eingepflanzt haben. Mithilfe des Katalysators sind diese Bakterien in der Lage, den Klebstoff zu produzieren – bislang allerdings nur in homöopathischen Mengen. Es bedarf weiterer Forschung, um dieses Problem zu lösen und den Muschelkleber weiter zu optimieren. 

 

Nediljko Budisa ist Professor für Synthetische Biologie an der Universität von Manitoba in Winnipeg, Kanada, und assoziierter Professor am Berliner Exzellenzcluster UniSysCat. Als Experte für gerichtete Evolution entwickelt er Verfahren zur Produktion neuartiger Biokatalysatoren.

 

Protokoll: Nora Lessing


Ist es möglich, aus Sonnenlicht Wertstoffe zu gewinnen?

Nicht direkt, Licht kann nur ein Hilfsmittel sein. Wir brauchen auch Rohstoffe, aus denen wir Wertstoffe herstellen. Die gehen uns aber aus. Die Produktion von Textilien, Möbeln oder Energieträgern wie Benzin basiert bisher auf Kohlenwasserstoffen. Den Rohstoff hierfür haben wir als Öl oder Kohle aus der Erde geholt, verbrannt und als Kohlendioxid in die Atmosphäre gebracht. Jetzt geht es darum, diesen Kohlenstoff wieder zurückzuholen und in Wertstoffe umzuwandeln, also wiederum in Kohlenwasserstoffe und Produkte wie Kraftstoff für Flugzeuge oder Kunststoffe.

 

Dafür muss das Kohlendioxid chemisch reduziert werden – das ist das Gegenteil von oxidieren, wofür wir Energie brauchen. Aber wo bekommen wir die her? Strom aus Sonnenenergie wäre ein Weg. Aber wir wollen keinen Umweg gehen, sondern direkt mit Licht arbeiten. Das nennt man Fotokatalyse.

 

Wir versuchen zu verstehen, wie man das Sonnenlicht einfangen kann, um seine Energie in chemischen Bindungen zu speichern. Daran habe ich während der vergangenen drei Jahre in einem Einstein-Forschungsvorhaben mit dem Physiker Micha Asscher in Jerusalem gearbeitet. Wir wollen Moleküle finden, in denen sich die Energie des Sonnenlichts relativ leicht speichern lässt. Insofern kann man schon sagen, dass wir mithilfe von Licht Wertstoffe machen.

 

Um das Licht einzufangen, benötigen wir Katalysatoren mit besonderen Eigenschaften. Sie müssen zum Beispiel Licht absorbieren und es dann in einem zweiten Schritt chemisch speichern können. Wenn man so einen neuartigen Katalysator haben will, muss man wie auf einer Leiter viele Stufen hochklettern. Fehlt eine Sprosse, bleibt man stecken. Ich schaue mir deshalb die Mechanismen an und prüfe, welche Eigenschaften verändert werden müssen, damit eine Reaktion wie gewünscht abläuft. So bringen wir den Katalysatoren bei, was sie tun sollen.

 

Der Chemiker Reinhard Schomäcker erforscht und entwickelt an der Technischen Universität Berlin nachhaltige chemische Prozesse für die Produktion von Chemikalien und Kraftstoffen. 

 

Protokoll: Nora Lessing


Kann man Biosprit aus Nudelteig herstellen?

Für die Herstellung von Biosprit aus der Lignocellulose von Pflanzenresten wird ein Katalysator benötigt. Durch zahlreiche Experimente ist es uns gelungen, mithilfe einer handelsüblichen Nudelmaschine einen Katalysator herzustellen, der effizienter und kostengünstiger ist als jene, die üblicherweise für die Biospritproduktion genutzt werden. Er ist in unserem KitchenLab entstanden, wo wir einfache Küchengeräte nutzen, um Katalysatoren aus nachhaltigen Materialien zu entwerfen.

 

„Katalytische Pasta“ nennen wir unser Produkt. Wir vermengen dafür herkömmlichen Hartweizengrieß, Glucose aus Holzabfällen und etwas Harnstoff zu einem Teig, sodass sich die Zutaten zu einem Gerüst aus Kohlenstoff und Stickstoff verbinden. Anschließend kommen Zinkoxid-Nanopulver und etwas Salz hinzu, damit sich im Teig Poren bilden. Der Teig wird durch die Nudelmaschine gepresst, wodurch dicke Spaghetti entstehen, die wir anschließend in kleine Stückchen schneiden und im Ofen bei hoher Temperatur rösten, bis sie pechschwarz sind. Danach tunken wir sie in eine Nickelsalzlösung, damit sich Nanoteilchen des Metalls bilden, auf denen die gewünschte chemische Reaktion zur Bildung von Biosprit stattfinden kann.

 

In einem Durchlaufreaktor pumpen wir dann fortlaufend eine aus der Lignocellulose von Pflanzenresten gewonnene Lösung zu den katalytischen Pasta-Stückchen. Das Ergebnis ist 2,5-Dimethylfuran – eben Biosprit. Dieser Herstellungsprozess ist sehr effizient und kostengünstig. Er wird von uns bereits auf den industriellen Maßstab übertragen. Katalytische Pasta bietet daher eine echte Alternative zu existierenden Katalysatoren der industriellen Biospritproduktion. Ich hoffe, dass wir damit einen Beitrag leisten können, um den nachhaltigen Biosprit bezahlbarer  zu machen und ihn schneller am Markt zu etablieren.

 

Majd Al-Naji ist Leiter der Gruppe „Biorefinery and Sustainable Chemistry” und des KitchenLab am Max- Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm. 

 

Protokoll: Maike Huckschlag


Ist Wasserstoff klimaneutral herstellbar?

Aktuell ist es noch so, dass molekularer Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird, was Erdöl und Erdgas verbraucht und CO2 verursacht. Fakt ist: Für die Herstellung von künstlichen Treibstoffen, Medikamenten oder auch Ammoniak für Düngemittel sind enorme Mengen von Wasserstoff unverzichtbar. Zukünftig könnte Wasserstoff allerdings klimaneutral gewonnen werden, indem Wasser mit Strom aus Solar- und Windenergie in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Hier gilt es aber, eine Hürde zu überwinden: Für die Bildung von Wasserstoff aus Protonen des Wassers müssen den Sauerstoffionen im Wasser Elektronen entzogen werden. Diese Aufgabe übernehmen Katalysatoren, die die Vorgänge – Elektronenabgabe von Sauerstoffionen und Elektronenaufnahme von Protonen – synchronisieren.

 

Dummerweise ist es so, dass bisher bevorzugt edelmetallbasierte Elektrokatalysatoren dafür benutzt werden, beispielsweise mit Platin und Iridium. Und davon gibt es viel zu wenig auf der Welt, um eine rentable Wasserstoffwirtschaft etablieren zu können. Unser Ziel ist es daher, Katalysatoren aus Mineralien zu gewinnen, die sehr häufig in der Erdkruste vorkommen – zum Beispiel die Oxide des Eisens, Mangans, Nickels und Kobalts.

 

Die gute Nachricht: Wir haben kürzlich einen manganhaltigen Katalysator entwickelt, der sogar effizienter ist als alle bekannten Edelmetallkatalysatoren. Derzeit forschen wir daran, ob man das Material im großen Stil herstellen und einsetzen kann. 

 

Matthias Drieß ist Professor für Anorganische Chemie an der Technischen Universität Berlin und Co-Sprecher des Exzellenzclusters Unifying Systems in Catalysis (UniSysCat). Drieß erforscht die Synthese metallorganischer Verbindungen.

 

Protokoll: Nora Lessing


Lassen sich Biokunststoffe aus Abfällen gewinnen?

Plastik lässt sich längst ohne Erdöl herstellen – zum Beispiel aus Abfallfetten aus der Landwirtschaft, der Lebensmittelproduktion oder der Gastronomie. Das Bakterium Cupriavidus necator frisst diese Fette. Entzieht man dem Bakterium dann Stickstoff, lagert es Polyhydroxyalkanoate an, kurz PHA, ein Biopolymer, das wir mithilfe eines Lösungsmittels aus den Zellen holen.

 

Der Prozess ist sehr effizient: Aus einem Liter Abfallfett lassen sich 500 Gramm PHA gewinnen. Zwar befindet sich diese Methode noch im Labormaßstab, wir übertragen sie aber in unserem Forschungsprojekt PHABio-up gerade in den industriellen Kubikmaßstab von mehreren Hundert Kubikmetern. Durch solche auf Bakterien beruhenden Fermentationsprozesse lassen sich dann mehrere Tonnen PHA gewinnen. Verglichen mit einer Biogasanlage ist das zwar immer noch wenig, und an der weltweiten Plastikproduktion machen PHA und andere Biopolymere nur einen winzigen Anteil aus. Aber dieser Anteil wächst.

 

Aus PHA lassen sich zum Beispiel Textilfasern oder Folien herstellen. Aber auch andere Anwendungen wie formstabile Gegenstände sind möglich – dafür müssten wir mithilfe genetisch veränderter Bakterien die Eigenschaften der Polymere beeinflussen.

 

Um Bioplastik noch nachhaltiger zu machen, müsste auch dieses recycelt werden. Wir müssten es getrennt vom konventionellen Kunststoff und nach der Art der enthaltenen Biopolymere sortiert sammeln. Es ist jedoch schwer vorstellbar, weitere fünf oder zehn Abfalltonnen in die Haushalte zu stellen. Dafür müssen wir noch eine Lösung finden.

 

Abbauen lässt sich PHA jedenfalls gut: Je nach Größe und Umgebung ist es innerhalb weniger Wochen, Monate oder Jahre nur noch CO2 und Wasser.

 

Der Mikrobiologe Peter Neubauer leitet das Fachgebiet Bioverfahrenstechnik am Institut für Biotechnologie der Technischen Universität Berlin. Er erforscht die Nutzung von Biokatalysatoren in industriellen Prozessen.

 

Protokoll: Daniel Kastner


Werden Biokatalysatoren die industrielle Produktion revolutionieren?

Die meisten Biokatalysatoren sind Enzyme. Sie ermöglichen biochemische Reaktionen in Lebewesen, indem sie die Aktivierungsenergie von Reaktionen herabsetzen. Sie gehen selbst unverändert aus den Reaktionen hervor und können somit viele Reaktionszyklen hintereinander katalysieren. Sie bergen große Chancen für die Industrie der Zukunft: Bei Raumtemperatur vermitteln sie Reaktionen, die sonst nur bei sehr hohen Temperaturen oder unter großem Druck stattfinden können. Aber man kann mit ihnen nicht nur gezielt Moleküle verändern – obendrein werden während des Prozesses auch weniger Energie und Lösungsmittel verbraucht. Und es entsteht weniger Abfall.

 

Handys, Autos, Haushaltsgeräte – aktuell ist es noch so, dass fast jedes Produkt mithilfe chemischer Katalysatoren hergestellt wird. Es gibt aber heute schon Industriezweige, in denen verstärkt auf Biokatalysatoren gesetzt wird. Bei Waschmitteln zum Beispiel oder bei der Herstellung von Arzneimitteln.

 

Die größte Herausforderung für die industrielle Produktion besteht darin, von der erdölbasierten Industrie wegzukommen und stattdessen auf nachhaltige Prozesse zu setzen: So sollten wir chemische Grundprodukte wie Olefine zukünftig nicht mehr aus Erdöl, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen wie Zellulose herstellen – und auf längere Sicht nur noch auf Rohstoffe zurückgreifen, die wie Wasser, Kohlenstoffdioxid und Stickstoff unbegrenzt zur Verfügung stehen.

 

Hier setzt meine eigene Forschung an: Ich beschäftige mich damit, wie man Biokatalysatoren mit molekularem Wasserstoff als Energieträger betreiben kann. Dieser kann nachhaltig aus Wasser und mit Strom aus Windkraftanlagen gewonnen werden. Wenn uns der Wissenstransfer aus der Forschung in die Industrie gelingt, dann ist das eine Riesenchance: Biokatalysatoren sind eine Schlüsseltechnologie im Kampf gegen den Klimawandel.

 

Der Biochemiker Lars Lauterbach leitet ein Forschungsteam an der Technischen Universität Berlin, das die Anwendungspotenziale von gasumwandelnden Biokatalysatoren untersucht.

 

Protokoll: Nora Lessing


Ist künstliche Fotosynthese besser als die Natur?

Die Natur macht es besser – doch dieser Wettlauf hat gerade erst begonnen. Für die Wissenschaft gibt es ermutigende Zeichen: Die Fotovoltaik, die sich gerade in Richtung künstliche Fotosynthese weiterentwickelt, hat beispielsweise einen Wirkungsgrad von 20 bis 25 Prozent erreicht, während die natürliche Fotosynthese bei weniger als fünf Prozent liegt. Doch natürliche Systeme schneiden immer dann besser ab, wenn Katalysatoren im Spiel sind. Mit ihnen kann Sonnenlicht zum Beispiel direkt in Kraftstoffe umgewandelt werden.

 

Die Natur vollbringt hier eine erstaunliche Reaktion: Wasser wird mithilfe von Licht gespalten und dabei entsteht Wasserstoff. Weil Wasser eine sehr stabile Verbindung ist, wird zwar sehr viel Energie aufgewendet. Aber der Lohn ist ein nahezu unerschöpflicher Nachschub an Wasserstoff, um energiereiche Kohlenstoffverbindungen wie Zucker und Öle herzustellen.

 

Wie aber kommt man zu einer effizienten technischen Lösung? Man benötigt einen Katalysator aus Stoffen, die reichlich auf der Erde vorhanden sind. Organismen bauen Katalysatoren aus Metallen, unter anderem aus Mangan, das direkt an der Reaktion beteiligt ist. Wir erforschen diese biologischen Prozesse und haben beobachtet, dass die molekulare Selbstorganisation zum Bau der Katalysatoren nach einem bestimmten Muster abläuft. Das müssen wir eigentlich nur nachmachen. Überträgt man biologische Prozesse aber exakt auf künstliche Systeme, sind diese oft instabil. Wir übernehmen daher nur die Prinzipien.

 

Der Physiker Holger Dau und seine Kolleg*innen, mit denen ich in Berlin zusammenarbeite, schauen sich unsere künstlichen Systeme an und analysieren, warum sich diese ähnlich zu natürlichen Vorbildern verhalten. Unsere Forschungsgruppen stehen in einem permanenten Austausch- und Lernprozess. Aber wir brauchen vor allem Geduld und Ausdauer, um den Wettlauf mit der Natur eines Tages vielleicht zu gewinnen. 

 

Robert Burnapist Professor für Mikrobiologie an der Oklahoma State University und Einstein Visiting Fellow an der Freien Universität Berlin, wo er mit HolgerDaus Labor für Biophysik und Fotosynthese kooperiert. Burnap reprogrammiert Enzyme mithilfe molekulargenetischer Methoden, um Mechanismen der Fotosynthese zu verstehen.

 

Protokoll: Kristina Vaillant


Kommt der Wasserstoff der Zukunft aus dem Meer?

Zumindest zum Teil sollte er das sogar, denn drei Viertel des verfügbaren Wassers auf der Erde sind Meerwasser. Die darin enthaltenen Salze und Verunreinigungen machen bei der herkömmlichen Elektrolyse jedoch Ärger: Sie können den Katalysator auflösen oder mit einem Film überziehen oder aber die Membran zerstören.

 

Um das Meerwasser nicht vorab mit hohem Energieaufwand filtern zu müssen, forschen wir an sogenannten hochselektiven Katalysatoren, die auf Nickel und Eisen basieren. Sie sollen nur die Wassermoleküle spalten und sich nicht um die anderen Inhaltsstoffe kümmern. Zumindest unter Laborbedingungen klappt das schon ganz gut.

 

Wenn die Methode auch im industriellen Maßstab funktioniert, kann Wasserstoff irgendwann zu einem Exportgut der Küstenländer Westafrikas oder der arabischen Halbinsel werden. Diese Regionen verfügen über Meerwasser im Überfluss, und dort herrscht ein arides Klima: kaum Niederschlag und nahezu ganzjährig Sonnenschein.

 

Das ist von großem Vorteil, denn mit Solarenergie könnten diese Länder solche Elektrolyse-Anlagen fast kostenlos betreiben. Auch in Europa könnten wir Wasser mit erneuerbarer Energie spalten: direkt an den Windparks in der Ostsee.

 

Wenn das gelingt, kann Wasserstoff in einem Jahrzehnt eine wichtige Rolle in der Mobilität spielen. Denn entscheidend sind die Stromkosten: Sie liegen mit den aktuellen Haushaltsstrompreisen aus der Steckdose bei etwa 15 Euro für ein Kilogramm Wasserstoff – ungefähr die Menge, die ein Wasserstoffauto heute auf 100 Kilometer verbraucht. Mit Sonnenstrom aus großen Anlagen sinken die Kosten aber: auf 1,50 Euro für 100 Kilometer.

 

Peter Strasser leitet das Fachgebiet Technische Chemie am Institut für Chemie der Technischen Universität Berlin und ist Inhaber des Lehrstuhls „Elektrochemie und Elektrokatalyse“.

 

Protokoll: Daniel Kastner

Stand: Dezember 2020