Einstein-Fragebogen

Christian Bogner

 

Machen Sie bitte kurz die Augen zu und denken Sie an die Arbeit an Ihrem Forschungsprojekt. Was sehen Sie als Erstes?
Vielleicht ist das eine langweilige Antwort, aber ich sehe dann eine bestimmte Differenzialgleichung vor mir, die in letzter Zeit für diese Arbeit wichtig war.

Wie sähe Ihr Forschungsprojekt aus, wenn es ein Kunstobjekt wäre?
Wenn es eine Skulptur wäre, würde ich mir wünschen, sie wäre so glatt und geometrisch wie Werke von Anish Kapoor. Ein Projekt, an dem ich vor kurzem beteiligt war, haben meine Freunde Vera Mohrs und Kostia Rapoport in einem Pop-Song vertont -wenn mein Projekt Musik wäre, dann also ein Song von den beiden.

Wenn Sie einem Kind erklären müssten, warum Ihre Forschung wichtig ist, was würden Sie sagen?
Wenn man ganz genau hinsieht, ist die ganze Welt aus winzigen Bausteinen zusammengesetzt, die wir Elementarteilchen nennen. Um etwas über diese Bausteine zu lernen, lässt man manche von ihnen mit sehr hoher Geschwindigkeit aufeinanderprallen und untersucht, was dabei passiert. Es ist nicht so einfach zu verstehen, was sich bei so einem Zusammenprall genau abspielt und was man daraus über die Elementarteilchen lernen kann. Hierfür müssen ziemlich schwierige Berechnungen gemacht werden. Deshalb ist es wichtig, dass einige Wissenschaftler die Mathematik gut kennen, die man für diese Berechnungen braucht, und dafür sorgen, dass solche Rechnungen auch von Computern gemacht werden können. Darum geht es in meiner Arbeit und deshalb ist sie wichtig.

Gibt es einen außergewöhnlichen Gegenstand, der Sie in Ihrem Arbeitsleben oder im Alltag begleitet?
Als ich erfahren habe, dass die Einstein Stiftung mein Projekt fördern will, war ich gerade im Urlaub an der Ostsee und meine Freundin hat an diesem Tag einen schönen Stein am Strand gefunden und mir als Glücksbringer geschenkt. Er liegt auf meinem Schreibtisch.

Was sind Ihrer Meinung nach die drei größten Erfindungen der Menschheit?
Als gebürtiger Mainzer muss ich hier als erstes den Buchdruck mit beweglichen Lettern nennen.
Die Erfindung chemischer Düngemittel durch von Liebig und andere halte ich für besonders wichtig, weil sie die Ernährung in weiten Teilen der Welt gesichert und Milliarden von Menschen das Leben überhaupt ermöglicht hat.
Über Thales von Milet heißt es, dass er Ideen seines Schülers Anaximander unterstützt hat, obwohl sie im Widerspruch zu seinen eigenen Thesen standen. In dieser Haltung sehe ich die "Erfindung" des wissenschaftlichen Lehrer-Schüler-Verhältnisses und damit eine der Grundlagen jeder Wissenschaft.

Mit wem würden Sie gern einmal einen Arbeitstag tauschen, und was würden Sie dann gerne tun?
Als Schüler wollte ich Regisseur werden und die Entstehung von Filmen fasziniert mich immer noch. Ich würde mit einem Assistenten von Martin Scorsese, Francis Ford Copolla oder Woody Allen tauschen und den ganzen Tag lang dem Chef bei der Arbeit zusehen.

Gibt es einen konkreten Ort in Berlin, den Sie mit Ihrer Forschungsarbeit verbinden?
Zum Lesen in Lehrbüchern oder längeren Artikeln ziehe ich mich manchmal auf eine bestimmte Wiese in Schönefeld zurück, die ich inzwischen stark mit der Mathematik verbinde, die ich dort gelernt habe.

In welchem Berliner Bezirk, an welchem Ort, fühlen Sie sich wohl, und warum?
Mein Lieblingsort in Berlin ist eine große Buchhandlung in der Friedrichstraße, wegen der großen Auswahl und der langen Öffnungszeiten. Am liebsten gehe ich dort am späten Abend hin, wenn nur noch wenig Betrieb ist und ich in aller Ruhe nachsehen kann, was es Neues gibt.

 

September 2018