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Nachrichten der Einstein Stiftung Berlin


Claudia Draxl verstärkt die Berliner Neurowissenschaften

Foto: Emmanuele Contini/ESB

Claudia Draxl braucht zum Forschen leistungsstarke Rechner, um mehr über neuartige Materialien zu erfahren. Ausgangspunkt ihrer Berechnungen ist die Information, wie die Atome in einem Festkörper  angeordnet sind. „Wenn wir diese Angabe von den Experimentatoren erhalten, können wir die physikalischen Eigenschaften dieses Materials berechnen; grundsätzlich ist es aber auch möglich, den strukturellen Aufbau aus ersten Prinzipien - also ohne experimentellen Input - theoretisch zu bestimmen.“ Neben einem leistungs­starken Computer­cluster braucht die Einstein-Professorin auch die passenden mathematisch-physikalischen Methoden und Computerprogramme. Ihr Interesse gilt dabei nicht so sehr bestehenden Materialien, sondern jenen, die in der Zukunft synthetisiert werden können.

Die Materialien, die in ihrem Focus stehen, werden am Institut für Physik und am IRIS Adlershof, dem Integrative Research Institute for the Sciences, erforscht. „Wir arbeiten zum Beispiel an Hybridmaterialien, wo es darum geht, bislang einzeln betrachtete anorganische und organische Halbleiter zu verbinden, die jeweiligen Vorteile zu nutzen und die Nachteile aufzuheben“, erklärt die Lehrstuhlinhaberin für Theoretische Festkörperphysik, die seit November 2011 an der HU forscht.

Ein hochaktuelles Forschungsgebiet, das die Grundlagenforscher mit ihren Ergebnissen vorantreiben könnten, ist die Photovoltaik, wo es darum geht, neue Materialien für Solarzellen zu identifizieren. Wenn die Photonen des Sonnenlichts auf die Solarzelle treffen, werden einzelne Elektronen von ihren angestammten Energieniveaus angehoben, dabei entstehen aus dem negativ geladenen Elektron und dem zurückbleibenden "Loch", ein mehr oder weniger stark gebundenes Paar. Um einen Stromfluss zu erzeugen, müssen diese Elektron-Loch-Paare separiert und zu den Elektroden transportiert werden. Das gelingt in unterschiedlichen Materialien unterschiedlich gut. „Organische Materialien zeichnen sich durch starke Wechselwirkung der Materie mit dem einfallenden Licht aus, in anorganischen Halbleitern wiederum ist der Ladungstransport effizienter.

Bislang werden Prototypen solcher Hybridmaterialien untersucht. Die spannenden Prozesse spielen sich dabei auf der atomaren Skala ab. „Unser Ziel ist es zu verstehen, was an den Grenz­flächen passiert, denn hier können sich ganz neue Eigenschaften und Effekte ergeben; die Strukturen müssen sich einander anpassen, der Charakter der Ladungsträger und der Anre­gun­gen kann sich völlig ändern“, berichtet die Wissenschaftlerin, die Physik und Mathematik an der Universität Graz studiert hat und dort mit Auszeichnung in theoretischer Physik promoviert hat.

„Wir berechnen die Materialeigenschaften mit Ab-initio-Methoden, das heißt ohne auf Parameter zurückgreifen zu müssen die aus dem Experiment gewonnen werden.“ Durch die Analyse der Theorie und den Vergleich von berechneten und gemessenen Daten können Experimente interpretiert und Prozesse tiefgreifend verstanden werden. Der Vergleich erlaubt aber auch, die theoretischen Konzepte zu verbessern. Dies stellt für Claudia Draxl eine große Herausforderung dar. „Mit unseren derzeitigen Näherungen können wir ein Material besser beschreiben, das andere schlechter. Wir müssen jedoch geeignete neuartige Konzepte entwickeln, mit denen man alle Materialien gleich gut beschreiben kann. Ein langfristiges Ziel ist es auch, mittels Rechnungen derzeitig noch völlig unbekannte Materialien mit bestimmten Eigenschaften vorherzusagen.“

Zurzeit richtet der Lehrstuhl gerade ein High-Performance-Computing-Cluster aus den Mitteln der Einstein Stiftung ein. Doch trotz Cluster - die Zeit ist ein „natürlicher Feind“. „Komplexe Strukturen, die beispielsweise aus tausenden Atomen bestehen, erfordern langwierige Rechnungen, für manche würde unsere Lebenszeit nicht ausreichen.“ Dieses Problem will die Wissenschaftlerin durch die massive Parallelisierung der in ihrer Gruppe entwickelten Computerprogramme in den Griff bekommen.

Text: Ljiljana Nikolic/HU Berlin
Mit freundlicher Genehmigung der Autorin. Der Beitrag ist erstmalig am 12. Juli 2012 in der Hochschulzeitung HUMBOLDT erschienen.

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