Forschende der Charité-Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin um Einstein-Professor Andreas Diefenbach haben neue Erkenntnisse über die Bedeutung des Mikrobioms für die Immunabwehr gewonnen. Wie das Team in der Fachzeitschrift Cell* beschreibt, fehlt ohne Mikrobiom ein wichtiger Auslöser für die Immunantwort in den zuständigen Zellen. An der Studie waren noch weitere deutsche Foschungszentren beteiligt.
Die Grenzflächen des Körpers zu seiner Umwelt sind Einfallstore für Krankheitserreger. Gleichzeitig sind diese Zellschichten - wie Haut, Schleimhäute und Drüsen - von Natur aus dicht besiedelt durch eine Ansammlung von Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten. Diese fasst man zusammen als Mikrobiom. Die permanente Interaktion mit diesen Mikroorganismen hat vermutlich im Laufe der Evolution zur Ausbildung robuster Signalnetzwerke geführt, die den Organismus schützen. Welche Rolle das Mikrobiom beim Auslösen einer Immunantwort auf schädliche Erreger einnimmt und auf welche Weise es dabei Signalwege beeinflusst, damit haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung von Einstein-Professor Andreas Diefenbach, Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité, jetzt genauer beschäftigt.
Schlüsselrolle der dendritischen Zellen
Wird bei einer Infektion eine Immunantwort ausgelöst, spielen sogenannte konventionelle dendritische Zellen (cDC) eine Schlüsselrolle. Sie gehören dem angeborenen Immunsystem an und sind mit einer Reihe von Mustererkennungs-Rezeptoren ausgestattet. So können sie eindringende Erreger schnell erkennen. Das Team um Andreas Diefenbach fand heraus, dass solche cDCs unter keimfreien Bedingungen nicht in der Lage sind, Immunantworten zu starten. Die Forschenden folgern daraus, dass sie im Basiszustand, das heißt wenn keine Infektionen vorliegen, vom Mikrobiom Signale erhalten. Diese Signale versetzen cDC in einen Zustand der Antwortbereitschaft.
„Treibstoff“ für Reaktion auf Krankheitserreger
Die Studienergebnisse legen nahe, dass das Mikrobiom die Fitness unseres Immunsystems reguliert, indem es dieses in einem „bereiten“ Zustand hält, um schnellstmöglich auf Krankheitserreger reagieren zu können. „Analysen zeigten, dass die cDCs von keimfreien Tieren einen gestörten Zellstoffwechsel aufweisen und somit nicht in der Lage sind, Immunantworten zu initiieren“, erklärt Laura Schaupp, Charité-Wissenschaftlerin und Erstautorin der Studie. „Den Zellen fehlte gewissermaßen der Treibstoff für eine Reaktion auf Krankheitserreger.“ Das Mikrobiom ist demnach für das Funktionieren von cDC essentiell notwendig und zwar für eine wirksame Reaktion auf bakterielle oder virale Einwirkungen. Die gewonnen Erkenntnisse könnten für die Entwicklung neuer Therapieansätze fruchtbar sein, vor allem im Bereich Autoimmunerkrankungen wie Formen von Rheuma.
Die Einstein Stiftung Berlin gratuliert allen Beteiligten der Studie zu diesem Forschungserfolg.
Kooperationspartner und Förderung
Hauptpartner der Forschungsarbeit waren Prof. Dr. Hansjörg Schild, Dr. Hans Christian Probst und Dr. Sabine Muth vom Institut für Immunologie/ Forschungszentrum für Immuntherapie, Universitätsmedizin Mainz. Weitere zentrale Partner waren Prof. Stephanie Ganal-Vonarburg und Prof. Andrew Macpherson in Bern. Im Rahmen der RNA-Sequenzierungen war die Arbeitsgruppe von Dr. Mir-Farzin Mashreghi, Deutsches Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), Berlin, an der Studie beteiligt. Wichtige Partner waren ebenfalls Prof. Stefan Lienenklaus und Prof. Urich Kalinke von der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Epigenomanalysen wurden in Kollaboration mit Dr. Thomas Manke vom Max-Planck-Institut für Immunobiologie und Epigenetik in Freiburg durchgeführt, metabolische Analysen erfolgten in Zusammenarbeit mit Dr. Christoph Wilhelm vom Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum Bonn. Gefördert wurde die Studie maßgeblich vom European Research Council (A. Diefenbach) und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (A. Diefenbach, H.C. Probst und H. Schild).
Quelle
Pressemeldung der Charité - Universitätsmedizin
Originalpublikation
https://www.cell.com/cell/fulltext/S0092-8674(20)30485-2