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Nachrichten der Einstein Stiftung Berlin


Kann Plastik Pillen ersetzen?

Foto: Moritz Vennemann

Sie sind eine große Chance für Medizin und Pharmazie: In Zukunft könnten Körperzellen statt Medikamenten eingesetzt werden, um Krankheiten zu heilen. Einstein Visiting Fellow David Mooney arbeitet daran, dass diese faszinierende Idee Wirklichkeit wird. Wie die Chancen dafür stehen, dass die neue Therapie bald in Krankenhäusern eingesetzt wird, wurde am 21. August auf dem Meeting Einstein Panel „Can plastic replace pills?“ im Otto Bock Science Center kontrovers diskutiert.

Die Vision ist bestechend einfach: Man vermehrt Körperzellen im Labor, gibt sie in den Lösung und injiziert sie dem Patienten. Im Körper lagern sich die gesunden Zellen an beschädigtem Gewebe an und wirken auf die Funktionen des Gewebes ein. „Doch so einfach ist es leider nicht“, erklärte Bioingenieur David Mooney von der Harvard Universität in seinem Impulsvortrag. „Nur die wenigsten Zellen landen dort, wo wir sie haben möchten.“

Deshalb entwickelt David Mooney mit seinen Kollegen in Harvard und an der Berlin Brandenburg School of Regenerative Therapies Plastikmaterialien – sogenannte Polymere –, die die Zellen auf ihrer Reise durch den Körper schützen und sie dorthin bringen, wo sie gebraucht werden.

In Berlin erforscht David Mooney insbesondere, wie man mithilfe von Biomaterialien beschädigte Skelettmuskeln kurieren könnte. Als Biomaterial nutzt der Einstein Visiting Fellow zum Beispiel Alginat – einen Stoff, der bisher vor allem als Geliermittel oder zur Stabilisierung von Schaum benutzt wurde. 

Michaela Kneissel aus der Forschungsabteilung des Pharmakonzerns Novartis vermutet jedoch, dass noch lange weitergeforscht werden muss, bis Biomaterialien ihren Weg ins Behandlungszimmer finden. „Ich denke, dass Biomaterialien Tabletten vielleicht ergänzen, keinesfalls aber ersetzen können“, so die Expertin für Erkrankungen des Bewegungsapparats. Eine Schwierigkeit sieht sie darin, dass sich die Funtionalitäten der Zellen mit dem Alter des Menschen verändert.

„In der Tat sind unsere Experimente im Labor oft zu einfach und wir planen optimistisch: Innovationen müssen später im alten und gebrechlichen Patienten genauso gut funktionieren, wie im jungen“, erklärt Charité-Professor Georg Duda, der David Mooney nach Deutschland eingeladen hat. „Die Herausforderung ist, Lösungen zu entwickeln, die in vielen Patienten und unter komplexen Krankheitssituationen effektiv funktionieren.“ Auch Institutionen wie Krankenkassen wüssten noch nicht, wie sie mit den neuen Möglichkeiten umgehen sollten.

Die Tücken der Biomaterialforschung kennt auch Reinhard Schnettler, Professor für Unfallchirurgie an der Universitätsklinik Gießen. Er hat bereits in den 1980er Jahren an der Zellersetzung mithilfe von Biomaterialien geforscht und dabei Rückschläge einstecken müssen. Auch er glaubt, dass Biomaterialien erst in vielen Jahren medizinisch anwendbar sein werden.

David Mooney hat aber in wenigen Jahren bereits beachtliche Erfolge erzielt: „Zu einer Therapie kam uns die Idee vor vier Jahren. Und schon heute sind wird in der Phase klinischer Studien.“ Doch auch der Einstein Visiting Fellow betont: „Die Therapie mit Biomaterialien ist keine Revolution, sondern eine Evolution der Medizin.“

Text: Julia Walter

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