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Nachrichten der Einstein Stiftung Berlin


Neue Erkenntnis zu Immunreaktionen nach einem Schlaganfall

Ein internationales Forschungsteam um Andreas Meisel von der Charité – Universitätsmedizin hat im Rahmen eines Einstein-Forschungsvorhabens die zentrale Rolle kleiner regulatorischer RNA-Moleküle bei einer Immunreaktion nach einem Schlaganfall erhellen können. Die Erkenntnisse der unter anderem in Kooperation mit Hermona Soreq von der Hebrew University Jerusalem entstandenen Studie wurden in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America veröffentlicht.

 

Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Charité - Universitätsmedizin Berlin hat nun erstmalig die komplexe Rolle von verschiedenen Untergruppen kleiner RNA-Moleküle (small RNA) in Monozyten, einer Untergruppe weißer Blutzellen, untersucht. Die Funktion der Monozyten, die eine wichtige Rolle in der antibakteriellen Abwehr des Körpers spielen, sind nach einem Schlaganfall gestört. Eine Arbeitsgruppe von Andreas Meisel an der Charité untersucht schon seit vielen Jahren in experimentellen Modellen und klinischen Studien die Mechanismen und Folgen von Immunveränderungen nach Schlaganfall. Seit 2019 werden ihre Untersuchungen auch als internationales Kooperationsprojekt mit Hermona Soreq (Hebräische Universität Jerusalem) im Rahmen eines Einstein-Forschungsvorhabens von der Einstein Stiftung Berlin gefördert.

 

Ursache eines Schlaganfalls ist in den meisten Fällen eine Durchblutungsstörung in Bereichen des Gehirns, die diese Körperfunktionen steuern. Die aktuell verfügbaren Therapien haben das Hauptziel, die Hirndurchblutung schnellstmöglich zu normalisieren. Jedoch bleibt häufig die Hirndurchblutung zumindest teilweise gestört, es kommt dann zu Entzündungsreaktionen im Gehirn. Daneben beeinflusst ein Schlaganfall aber auch massiv die gesamte körperliche Homöostase. Vor allem das periphere Immunsystem wird nach einer kurzzeitigen Aktivierung massiv geschwächt, was unter anderem zu lebensbedrohlichen bakteriellen Lungenentzündungen bei den Patienten führen kann. Die Mechanismen dieser temporären Immunsuppression sind bisher unzureichend verstanden. Die durch den Schlaganfall ausgelöste Fehlregulation des autonomen Nervensystems spielt dabei eine entscheidende Rolle bei der Immunsuppression mit fatalen Folgen für die Abwehr bakterieller Infektionen. Hierbei sind aber weitere komplexe molekulare Kommunikationssysteme des Körpers beteiligt.

 

Hermona Soreq ist eine weltweit führende Expertin auf dem Gebiet der sogenannten cholinergen, also durch den Neurostransmitter Acetylcholin ausgelösten, Signalübertragung und dessen Bedeutung für Stressreaktionen und neurodegenerative Erkrankungen. In dem Projekt untersuchte die Gruppe um Soreq und Meisner aus dem Blut von Schlaganfall-Patienten zwei „Small-RN"“- Untertypen: microRNA und Transfer-RNA-Fragmente (tRNA-Fragmente). Insbesondere tRNA-Fragmente, die bislang lediglich als Abfallprodukte der Aminosäure-transportierenden tRNAs galten, spielen eine wichtige Rolle in der Genregulation von Immunzellen. Aufwendige bioinformatische Netzwerkanalysen, die von Katarzyna Winek (Hebräische Universität Jerusalem) und Sebastian Lobentanzer (Goethe-Universität Frankfurt) durchgeführt wurden, legen sehr unterschiedliche Funktionen der beiden kleinen RNA-Spezies für die Immunregulation dar. Tatsächlich nehmen die Spiegel von microRNA-Molekülen ab, während die Transfer-RNA-Fragmente zunehmen. Dabei konnte das internationale Forscherteam erstmals zeigen, dass die Fragmente in den Immunsystemzellen, die Monozyten, eine zentrale Rolle in der Immunantwort nach Schlaganfall einnehmen.

 

„Langfristig besteht die klinische Relevanz dieser Arbeit vor allem darin, dass die tRNA-Fragmente sich nicht nur als diagnostische Biomarker eignen, sondern auch ideale therapeutische Targets darstellen“ erklärt Meisel. Small-RNAs können so gleichzeitig zur Bestimmung des individuellen Immunprofils genutzt werden als auch therapeutisch gezielt zur Immunmodulation genutzt werden, um lebensbedrohliche Komplikationen nach Schlaganfall zu verhindern. Die Ergebnisse dieser Arbeit haben auch Implikationen für andere akute Hirnerkrankungen, wie beispielsweise traumatische Schäden des Zentralen Nervensystems.

 

Publikation

Katarzyna Winek, Sebastian Lobentanzer, Bettina Nadorp, Serafima Dubnov, Claudia Dames, Sandra Jagdmann, Gilli Moshitzky, Benjamin Hotter, Christian Meisel, David S Greenberg, Sagiv Shifman, Jochen Klein, Shani Shenhar-Tsarfaty, Andreas Meisel, Hermona Soreq: Transfer RNA fragments replace microRNA regulators of the cholinergic post-stroke immune blockade. Proc Natl Acad Sci U S A. 2020 Dec 7:202013542. doi: 10.1073/pnas.2013542117

 

Kontakt

Prof. Dr. med. Andreas Meisel
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Leiter im NeuroCure Clinical Research Center (NCRC)

Charitéplatz 1
10117 Berlin

Tel.: 030 / 450660036

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