Ein internationales Team unter Ko-Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Berlin Institute of Health (BIH) hat eine klinische Studie veröffentlicht, in der sich eine Kombination von drei Wirkstoffen als hochwirksam zur Behandlung von Mukoviszidose erwies: Die neue Therapie führte bei Patienten, deren Erkrankung durch den häufigsten Gendefekt F508del hervorgerufen wird, zu einer spürbaren Verbesserung der Lungenfunktion und Lebensqualität. Da die Behandlung nicht auf die Symptome der Mukoviszidose, sondern die zugrundeliegende Fehlfunktion abzielt, könnte ihr frühzeitiger Einsatz bei Kindern in Zukunft möglicherweise den Ausbruch der Erbkrankheit verhindern. Erschienen ist die Studie unter der Federführung von Einstein-Professor Marcus Mall im New England Journal of Medicine.
„Wenn der Kuss auf die Stirn eines Kindes salzig schmeckt, wird es nicht lange leben“, lautete noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Hebammenregel. Dem salzigen Schweiß auf der Stirn liegt die in Deutschland häufigste tödlich verlaufende Erbkrankheit zugrunde: Bei der Mukoviszidose oder Cystischen Fibrose funktioniert der Salz- und Wassertransport über die Schleimhautoberflächen nicht richtig, infolgedessen sind die Sekrete zu zäh. In der Lunge führt dies zur Verstopfung der Atemwege mit zähem Schleim sowie einer chronischen Infektion und Entzündung mit fortschreitender Verschlechterung der Lungenfunktion. Aber auch andere Organe wie die Bauchspeicheldrüse, der Darm, die Leber, männliche Geschlechtsorgane und eben die Schweißdrüsen der Haut sind in ihrer Funktion beeinträchtigt. Etwa eines von 2500 bis 3500 geborenen Kindern in der westlichen Welt ist betroffen. Auslöser ist ein Defekt im sogenannten CFTR-Gen, der zur Fehlfunktion eines bestimmten Ionenkanals in den Schleimhautzellen führt. Mittlerweile sind über 2000 verschiedene Fehler im CFTR-Gen bekannt, die Mukoviszidose verursachen können. Der mit Abstand häufigste ist die sogenannte F508del-Mutation, die bei rund 90 Prozent der Mukoviszidose-Patienten vorkommt.
„Früher war die Mukoviszidose eine Krankheit für den Kinderarzt, denn die meisten Betroffenen starben bereits vor dem Eintreten ins Erwachsenenalter“, erklärt Einstein-Professor Marcus Mall, Ko-Erstautor der nun veröffentlichten Studie. Der Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin und des Christiane Herzog Mukoviszidose-Zentrums an der Charité betont: „Das hat sich zum Glück geändert, die meisten Patientinnen und Patienten erreichen heute das Erwachsenenalter. Doch die Lebenserwartung ist weiterhin deutlich verkürzt und viele tragen eine enorme Krankheitslast.“
Die bisherige Therapie richtet sich vor allem gegen die Symptome der Krankheit: Spezielle Physiotherapie und Inhalationstherapie hilft den Betroffenen, den zähen Schleim aus der Lunge abzuhusten, Antibiotika dämmen die Infektionen ein, fehlende Verdauungsenzyme werden medikamentös verabreicht, eine besonders fetthaltige Diät wirkt der Unterernährung entgegen. Forschende weltweit arbeiten außerdem an Behandlungsstrategien, die die Ursache der Erkrankung angehen. Während Versuche, mithilfe einer Gentherapie das korrekte Gen in die Zellen der Betroffenen zu schleusen, bislang nicht geglückt sind, zeigt ein zweiter Ansatz vielversprechende Ergebnisse: Sogenannte CFTR-Modulatoren sind in der Lage, die Fehlfunktion des CFTR-Kanals zu korrigieren. „Diese Korrektur war bei der Hauptmutation F508del allerdings besonders schwierig, weil sie zu mehreren unterschiedlichen molekularen Veränderungen führt, die mit einem einzelnen Wirkstoff nicht effektiv korrigiert werden konnten“, erklärt Prof. Mall.
Durch die Kombination von drei Wirkstoffen (Elexacaftor-Tezacaftor-Ivacaftor) ist es nun gelungen, die unterschiedlichen molekularen Defekte effektiv zu beeinflussen. An der Studie nahmen 403 Patientinnen und Patienten an über 100 Studienzentren in Nordamerika, Europa und Australien teil, die eine von zwei möglichen Kopien der F508del-Mutation in ihrem Erbgut trugen. Im Gegensatz zu einem Scheinpräparat führte die Dreifachkombinationstherapie zu einer spürbaren und anhaltenden Verbesserung des Gesundheitszustands der Betroffenen. Anhand eines Schweißtests schlossen die Autoren darauf, dass der CFTR-Kanal bei ihnen etwa 50 Prozent der Funktion von Gesunden erreicht. Die Wirkstoffkombination zeigte sich im Rahmen der Studie als insgesamt sicher und gut verträglich. Unerwünschte Nebenwirkungen, die zum Behandlungsabbruch führten, wurden bei einem Prozent der behandelten Patienten beobachtet.
„Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass mit der neuen Dreifachtherapie in Zukunft bis zu 90 Prozent aller Patienten mit Mukoviszidose behandelt werden können. In Fachkreisen gilt das als ein Durchbruch in der Behandlung dieser bislang tödlich verlaufenden Erbkrankheit“, erklärt Prof. Mall. „Insbesondere mit einer zukünftigen präventiven Therapie, idealerweise ab dem Säuglingsalter, sehen wir eine große Chance, den Ausbruch der Lungenerkrankung erheblich hinauszuzögern oder sogar zu verhindern und damit die Mukoviszidose von einer tödlichen in eine behandelbare Erkrankung zu verwandeln. Dennoch bleiben etwa zehn Prozent der Patientinnen und Patienten, für die es noch keine vergleichbar effektive ursächliche Therapie gibt. Auch für sie eine wirksame Behandlungsoption zu entwickeln, wird Gegenstand unserer weiteren Forschung sein.“
Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat die neue Dreifachtherapie in den USA für Patientinnen und Patienten mit einer F508del-Mutation ab 12 Jahren im Fast-Track-Verfahren, also sehr schnell zugelassen. Ein Antrag für die Zulassung in Europa ist eingereicht.
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Einstein-Professur
Seit 2018 ist Marcus Mall Einstein-Professor für Pädiatrische Pneumologie und Immunologie an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Zum Profil des Einstein-Professors gelangen Sie hier.
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Kontakt
Prof. Dr. Marcus Mall
Direktor der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin
Charité-Universitätsmedizin Berlin
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M: marcus.mall(at)charite.de
Quelle: Charité/BIH