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Nachrichten der Einstein Stiftung Berlin


Wissenschaft als natürlicher Teil der Stadt

Foto: Marion Müller

Die Geschäftsführerin der Einstein Stiftung, Dr. Marion Müller, spricht im Interview über die Entwicklung der Stiftung, besondere Begegnungen mit Einstein Fellows und über die Frage, wie Begeisterung für eine Sache ansteckend sein kann. 

 

Die Einstein Stiftung feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Wie hat sich die Stiftung aus Ihrer Sicht in den letzten zehn Jahren entwickelt? 

Die Aufbauphase der Einstein Stiftung ist abgeschlossen und geht nun in eine Phase der Konsolidierung über. Das Programmportfolio hat sich in den letzten zehn Jahren stetig weiterentwickelt und bietet heute zahlreiche attraktive Fördermöglichkeiten für Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler unterschiedlicher Karrierestufen. Es ist uns gelungen, die Stiftung als enabling-Plattform für die Berliner Universitäten zu etablieren: die Einstein Stiftung ist inzwischen eine feste Größe in der Berliner Wissenschaftslandschaft geworden. Diesen Eindruck bestätigte im vergangenen Jahr eine externe Gutachtergruppe, die die Mechanismen, Strukturen und Programme der Stiftung evaluierte und ihr daraufhin konsequente Exzellenz bescheinigte. 

 

Welche Zukunftspläne hat die Stiftung?

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es uns gelingt, auf den bisherigen Erfolgen aufzubauen. Ziel der Einstein Stiftung ist es, signifikant dazu beizutragen, Berlin zu einem der bedeutendsten Wissenschaftsstandorte weltweit zu machen. Die Stiftung unterstützt die Berliner Universitäten und die Charité-Universitätsmedizin Berlin in ihrem Vorhaben, mit der Berlin University Alliance eine Integrative Research Area zu schaffen.

Außerdem hoffe ich, dass wir auch zukünftig von der Expertise hochkarätiger Persönlichkeiten, die in unseren Organen und Gremien tätig sind, profitieren dürfen. Dass sich Menschen von Rang und Namen ehrenamtlich für die Einstein Stiftung und die Berliner Wissenschaft engagieren, ist eine Auszeichnung für den Standort Berlin. Dafür sind wir außerordentlich dankbar. Abschließend wünsche ich mir, dass es uns weiterhin gelingt, private Mittel für die Einstein Stiftung einzuwerben, denn das Signal, das von privatem Engagement ausgeht, ist groß und wird vom Land Berlin mit Matching Funds honoriert. Dank dieses Hebels und der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit dem Förderfonds Wissenschaft in Berlin, können wir zusätzliche Kräfte für die Wissenschaft in Berlin mobilisieren. 

 

Wie unterscheidet sich die Einstein Stiftung von anderen wissenschaftsfördernden Institutionen?

Der grundlegende Unterschied zu den nationalen Fördereinrichtungen ist, dass die Einstein Stiftung ausschließlich in und für Berlin fördert. Die Einstein Stiftung ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts, aber sie erhält öffentliche Mittel. Dementsprechend können wir nur fördern, wenn wir entsprechende Zuwendungen seitens des Landes erhalten. Das ist sicherlich ein Unterschied gegenüber Stiftungen, die über ein großes Stiftungskapital verfügen und ihre Fördermaßnahmen aus ihren Erträgen finanzieren.

Wie bei anderen Forschungsförderorganisationen gilt, dass die wissenschaftliche Qualität der Anträge das zentrale Kriterium bei der Förderauswahl ist. Die Einstein Stiftung arbeitet Bottom-up, das heißt sie identifiziert in einem wettbewerblich antragsbasierten Verfahren förderwürdige Initiativen und Personen. In ihrer Förderauswahl orientiert sich die Stiftung weder an politischen Vorgaben noch an institutionellen Quoten oder Disziplinen. Das ist auch bei anderen nationalen Förderern so oder ähnlich; aber Förderaktivitäten privater Stiftungen sind oftmals stärker thematisch ausgerichtet. 

 

Angenommen, Sie sollten in einem Satz erklären, warum man als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler nach Berlin kommen soll, was würden Sie sagen? 

Weil Berlin eine Trias an Vorzügen bietet: erstklassige Wissenschaft – universitär und außeruniversitär – eine tolle, vielfältige und inspirierende Stadt und ein großartiges Kulturangebot. In dieser Kombination ist Berlin schwer zu schlagen. Oder, wie Einstein Visiting Fellow James Sethian einmal sagte: „Berlin is in some sense the envy of the world.”

 

Als Geschäftsführerin der Einstein Stiftung lernen Sie immer wieder internationale Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler persönlich kennen – gibt es eine Begegnung, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? 

Es ist die Vielzahl und Vielfältigkeit an Begegnungen mit beeindruckenden Persönlichkeiten, die ich als bereichernd empfinde. Wir laden alle Geförderten zu einem persönlichen Kennenlernen ein und sind sehr am Austausch mit ihnen interessiert. Ob das der Germanist aus Tokyo ist, die Sprachwissenschaftlerin aus Princeton oder der Politikwissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology – sie alle erzählen spannende Geschichten, die bisweilen auch interessante biografische Bezüge zu Berlin enthalten. Mir fällt zum Beispiel Jesse Prinz ein, dessen Großvater Rabbiner in der Synagoge in der Berliner Oranienburger Straße war. Heute forscht sein Enkel, der weltweit zu den bekanntesten Philosophen zählt, in Berlin als Einstein Visiting Fellow zum Bewusstsein und zu Emotionen.

 

Sie sind selbst Wissenschaftlerin. Was bedeutet Wissenschaft für Sie persönlich? 

In einem Satz: Auf Fragen Antworten suchen und manchmal auch finden. 

 

Wie kann man Menschen für Wissenschaft begeistern?

Durch gelebtes Beispiel. Wenn ich an meine eigenen Erfahrungen an unterschiedlichen Universitäten im In- und Ausland (Bonn, Konstanz, Bristol und Oxford) zurückdenke, sind es Lehrer, die motivieren und faszinieren, indem sie Begeisterung ausstrahlen und mit Leidenschaft an Projekten arbeiten, die ihnen wichtig sind. Diese Vorbildfunktion ist insbesondere für junge Menschen enorm prägend. Es geht nicht nur um pure Wissensvermittlung, sondern auch um eine ansteckende Begeisterung für eine Sache.

 

Sie haben Anglistische Literaturwissenschaft, Linguistik, Latein und Research Methodology in Konstanz und Oxford studiert und waren auch als Dozentin tätig. Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung von der praktischen Forschung in die Forschungsförderung zu wechseln? 

Für mich war es weniger ein Ausstieg aus der Wissenschaft, sondern vielmehr ein großes Interesse an der Kombination von Wissenschaft und Management. Ich hatte nie vor zu habilitieren. Für die Promotion entschied ich mich, weil mich zum einen das Thema – die Theorie der Emotionen im England der Frühen Neuzeit – interessierte und ich überzeugt war, dass eine Promotion im Tätigkeitsfeld Wissenschaftsmanagement mehr Möglichkeiten eröffnet. Mein Interesse an Wissenschaftsmanagement wurde früh geweckt: vor meiner Studienzeit in Oxford war ich an der Universität Konstanz in den Aufbau eines Sonderforschungsbereichs involviert. 

 

Wem würden Sie gerne mal einen Tag lang über die Schulter schauen? 

Frau Merkel. Es fasziniert mich „hautnah“ zu erleben, wie eine solch‘ herausragende Persönlichkeit einen Alltag meistert, der es erfordert, rund um die Uhr auf höchstem Niveau und in unterschiedlichsten Themenbereichen alert zu sein und im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen. Das finde ich bemerkenswert.

 

Welchen Berliner Ort suchen Sie in Ihrer Freizeit gerne auf? Und warum?

Wir wohnen in Brandenburg, im Norden Berlins – eigentlich ist es fast noch Berlin (lacht). In meiner Freizeit bin ich gerne zuhause, denn das kommt im Alltag nicht so oft vor. Im Sommer, wenn das Wetter schön ist, fahren wir gerne zu den Brandenburger Seen. Am Wochenende draußen zu sein und ohne Terminkorsett Zeit mit meiner Familie zu verbringen, ist für mich eine schöne Zäsur, um abzuschalten und Energie für die neue Woche zu tanken. 

 

Gibt es einen konkreten Ort in Berlin, den Sie aus wissenschaftlicher Sicht besonders interessant finden?

Ich finde es spannend, wenn sich Wissenschaft ihre Plätze mitten in der Stadt erobert. Der EUREF-Campus ist ein Beispiel dafür, wie sich auf einem relativ ungenutzten Gelände eine wissenschaftlich pulsierende Start-up-Szene entwickelt hat. Für mich ist es faszinierend zu sehen, wenn Wissenschaft zum natürlichen Teil einer Stadt wird. 

 

Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie Berlin in zehn Jahren? 

Mit Blick auf das wissenschaftliche Berlin möchte ich ein Zitat Albert Einsteins anbringen: „Berlin ist der Ort, an den ich durch die engsten menschlichen und wissenschaftlichen Bindungen gebunden bin” – wenn wir es schaffen, dass in zehn Jahren ganz viele Menschen derart ihre Wertschätzung für die Berliner Wissenschaft zum Ausdruck bringen, wäre das ein toller Erfolg.

 

Interview: Melissa Koch (Juli 2019)

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