Forschungsqualität (Dirnagl)

III / X Das Berlin der Zukunft braucht ...

… maximale Forschungsqualität (Ulrich Dirnagl)

Wohl schon in zehn Jahren wird mein akademisches Haltbarkeitsdatum abgelaufen sein. Ich muss mich also beeilen, meine Visionen umzusetzen. Meine erste Vision ist, dass wir endlich allen Patienten mit Schlaganfall eine Therapie anbieten können, die über die Wiedereröffnung des verschlossenen Hirngefäßes hinausgeht. Berlin hat ideale Voraussetzungen, hierzu einen wesentlichen Beitrag zu leisten: Es hat viele exzellente Grundlagenforscher und Kliniker, ein herausragendes neurowissenschaftliches Umfeld und nicht zuletzt drei mobile Stroke-Units (STEMO), mit denen wir die weltweit einzigartige Chance haben, Schlaganfallpatienten künftig extrem früh mit Medikamenten zu behandeln, die Gehirnschäden vermeiden können. Wir haben dafür bereits aussichtsreiche Substanzen identifiziert, deren Wirkung wir zunächst experimentell und dann im STEMO klinisch testen müssen. Das ist in zehn Jahren durchaus zu schaffen!

Genau hier setzt meine zweite Vision an. Noch hat die Biomedizin, und das nicht nur in Berlin, große Probleme damit, experimentell erfolgreiche Therapien in wirksame Behandlungen zu überführen. Das liegt sicher daran, dass die meisten Krankheiten sehr komplex sind. Doch ein weiterer Grund ist, dass wir in der Welt der biomedizinischen Forschung zu viel Forschungsmüll produzieren. Die Probleme reichen von zu geringen Fallzahlen in vielen tierexperimentellen und klinischen Studien über mangelnde Qualität präklinischer Studien bis zur Nichtveröffentlichung negativer Studiendaten.

Berliner Wissenschaftler haben sich vorgenommen, all dies zu verbessern. Das QUEST-Center am Berlin Institute of Health ist eine weltweit einmalige Einrichtung, die darauf ausgerichtet ist, die Werthaltigkeit und den Nutzen der biomedizinischen Forschung zu erhöhen. Dies wollen wir durch die Maximierung von Qualität, Reproduzierbarkeit, Verallgemeinerbarkeit und Validität der Forschung erreichen. Auch die neu gegründete Allianz der Berliner Universitäten, zu der auch die Charité gehört, hat sich die Verbesserung der Forschungsqualität in all ihren Fakultäten und Disziplinen auf die Fahnen geschrieben. Berlin ist damit ein Vorreiter in einer weltweiten Bewegung für eine offene Wissenschaft, die innovativ, aber auch reproduzierbar und gesellschaftlich relevant ist. Es sind die ersten notwendigen Schritte auf dem Weg zu einem kulturellen Wandel in der akademischen Forschung, der auch die Anreiz- und Karrieresysteme betrifft.

Ich bin zuversichtlich, dass wir innerhalb der nächsten zehn Jahre in Berlin große Fortschritte bei der Behandlung neurologischer Erkrankungen machen können. Aber das wird nur gelingen, wenn wir originelle, qualitativ hochwertige und zugleich transparente Grundlagenforschung mit klinischer Forschung verbinden.