X / X Das Berlin der Zukunft braucht ...
… passgenaue Fördermittel (Wolfgang Marquardt)
In Berlin brummt es. Das sieht man, wenn man den aktuellen Förderatlas der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Hand nimmt. Da hat Berlin bei den wettbewerblich eingeworbenen Fördermitteln die Münchener Region als stärksten Standort Deutschlands überholt. Das Ergebnis ist beeindruckend. Wissen ist das Kapital der Stadt, Wissenschaftsförderung daher extrem gut investiertes Geld.
Die Vernetzungsgrafen im Förderatlas belegen, dass die Berliner Wissenschaftseinrichtungen untereinander sehr gut vernetzt sind. Doch hier ist Luft nach oben. Es müssen mehr Förderinstrumente entwickelt werden, die Anreize für Kooperationen schaffen. Natürlich braucht es geniale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die ihr kreatives Chaos ausleben und eigenen Ideen folgen. Aber um die großen Themen aus Gesellschaft, Technologie oder Wissenschaft anzugehen, sind leistungsstarke Verbünde unerlässlich.
Die Einstein Stiftung hat hier einen wichtigen Beitrag geleistet. Durch ihre kompromisslose Orientierung an Qualität und Exzellenz schafft sie Klasse und nachhaltig wirkende Zusammenschlüsse. Sie setzt auf Köpfe und trägt so indirekt zur Strukturbildung bei. Denn erfolgreiche Wissenschaftler ziehen andere an, die wiederum oft Verbünde bilden, um ihre Ideen voranzubringen.
Berlin braucht eine Instanz, die über Institutionengrenzen hinweg eine Strategie für den Wissenschaftsstandort entwickelt, Kräfte bündelt, wo sie fragmentiert sind, Lücken schließt, wo große Wirkung entstehen könnte. Die Einstein Stiftung nimmt bereits heute eine integrierende Rolle zwischen den Institutionen ein. Sie muss sich entscheiden, ob sie in Zukunft auch ein strategischer Spieler sein will.
Ein Modell, das gut zur Einstein Stiftung passen würde, ist der Past-merit-Ansatz, der Förderung an frühere Ergebnisse knüpft. Denn im Zeitalter der Exzellenzwettbewerbe und großformatigen Förderinstrumente erkennt man einen großen Trend zur Verheißung. Man reißt ein tolles Thema auf, verspricht viel, manchmal zu viel. Wird diese Verheißungsmaschine überhitzt, geht das auf Kosten der Glaubwürdigkeit der Wissenschaft und ihrer Akteure.
Potenziale sehe ich auch im privaten Bereich. Mit dem Hauptstadtbonus und der bunten Wissenschaftslandschaft ist Berlin ein attraktiver Standort für private Stifter. Hier lohnt es sich, die Anstrengungen zu intensivieren. Das zeigen Beispiele aus jüngster Zeit, wie der Förderfonds Wissenschaft Berlin oder die Initiative der Damp-Stiftung im Rahmen der Einstein Stiftung.
Wenn Berlin es schafft, mithilfe passgenauer Fördermittel aus der Masse seiner hochverdichteten Wissenschaftslandschaft heraus möglichst homogen auch Klasse werden zu lassen, dann ist es als deutscher Hotspot der Wissenschaft auf der internationalen Landkarte gesetzt. Der Knoten hat sich gelöst, jetzt muss aus der positiven Grundstimmung und dem Willen vieler Großes entstehen.