Details

Buchpräsentation: Genealogie der Unparteilichkeit

Die Wissenschaft baut auf ihm auf – aber wie er entstanden ist, darüber wissen wir noch wenig. Der Grundsatz der Unparteilichkeit. Einstein Junior Fellow Anita Traninger untersucht im Rahmen eines Einstein Forschungsprojekts die Genealogie der Unparteilichkeit. 

Erste Forschungsergebnisse internationaler Spitzenwissenschaftler hat die Romanistin nun unter dem Titel „The Emergence of Impartiality“ herausgegeben. Am 17. Dezember 2013 stellten sie und einige Mitautoren die Publikation im Rahmen eines Workshops mit Buchpräsentation an der Freien Universität Berlin vor. 

Seit etwas mehr als einem Jahr geht das Forschungsteam von Anita Traninger den Ursprüngen der Unparteilichkeit nach. Entstanden ist nun eine erste Publikation, bei der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler interdisziplinär und international kooperiert haben. Traninger, die das Buch gemeinsam mit Kathryn Murphy von der University of Oxford herausgegeben hat, zeigte in ihrer Einführung, wieso das Thema der Unparteilichkeit nicht nur für die Literaturwissenschaft bedeutend ist. 

Unparteilichkeit, worunter sowohl die Urteilsenthaltung als auch die Qualität eines Urteils verstanden wurde, tauchte ab dem 17. Jahrhundert in ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen auf. Dazu gehören die periodische Presse ebenso wie das aufkommende Rezensionswesen,  politische Pamphlete, religiöse und zivile Konflikte ebenso wie kunsttheoretische Debatten. In der soeben im Brill-Verlag erschienenen Publikation gehen Experten aus unterschiedlichen Bereichen der Unparteilichkeit deswegen nicht nur wort-, sondern auch begriffsgeschichtlich auf den Grund. 

Diese Spanne zeigte sich bereits an den ersten beiden Vorträgen des Abends: Richard Scholar, Französist an der University of Oxford, diskutierte ‚Unparteilichkeit‘ als philologisches Problem am Beispiel Montaignes, während Pierre-Olivier Léchot von der Faculté de théologie protestante de Paris Unparteilichkeit in Konfessionskonflikten untersuchte.  

Forschungsthese

Das Einstein-Forschungsprojekt geht davon aus, dass Unparteilichkeit ein erlernter und codierter Habitus ist, der im 17. Jahrhundert insbesondere auch die Diskurse der Gelehrsamkeit erfasst und zu deren fundamentaler Transformation beiträgt. Neben einer Begriffserklärung liefert Anita Traninger auch eine These, warum ‚Unparteilichkeit‘ ab dem 17. Jahrhundert eine derartige Strahlkraft entwickelte. Sie postuliert, dass es die Umstellung gelehrter Kommunikation auf Schriftlichkeit und Öffentlichkeit war, die wesentlich zur Herausbildung eines Bedürfnisses nach ‚subjektloser‘ Rede beigetragen hat. 

Vor diesem Hintergrund untersucht sie, aus welchen diskursiven Traditionen sich der Begriff der Unparteilichkeit speisen konnte und unternimmt damit einen Brückenschlag zwischen Frühneuzeit- und Frühaufklärungsforschung. 

Die Einstein Stiftung Berlin finanziert die Forschergruppe um Einstein Junior Fellow Anita Traninger noch bis 2015.