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Filmpremiere "Ai Weiwei Drifting"

Martin Rennert, Präsident der Universität der Künste Berlin, die Autorinnen des Films, Bettina Kolb und Eva Mehl sowie Ai Weiwei im Gespräch mit DW-Moderatorin Michaela Küfner Foto: Sebastian Gabsch

Ai Weiwei mit Peter Limbourg, Intendant der DW und Günter Stock, Vorstandsvorsitzender der Einstein Stiftung bei der Premiere

Eine neue Dokumentation der Deutschen Welle begleitete Einstein-Gastprofessor Ai Weiwei während seiner Arbeit zu seinem eigenen Dokumentarfilm "Human Flow". Entstanden ist ein eindrückliches Portrait von Chinas bekanntestem Künstler im Westen.
 

Eigentlich sollte es eine Dokumentation über seine Arbeit an der Universität der Künste werden. Doch es wurde ein sehr persönlicher Film über das Schaffen des in der westlichen Welt bekanntesten Künstler Chinas: Ai Weiwei - Filmemacher, Architekt, Konzeptkünstler und Bildhauer. Angesichts der über Europa hereinbrechenden Flüchtlingskatastrophe arbeitete Weiwei an einer eigenen Dokumentation. Für "Human Flow", die sich zurzeit in Postproduktion befindet, filmten Filmteams in 25 Ländern, darunter Afghanistan, Palästina und Mexiko. Der Film zeigt die Tragödie von Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen und von denen schon tausende im Mittelmeer ertrunken sind.
 

15 Monate lang begleiteten ihn dabei die DW-Autorinnen und Regisseurinnen Eva Mehl und Bettina Kolb. Das Hauptaugenmerk der knapp einstündigen Dokumentation, die in Kooperation der Deutschen Welle und der Einstein Stiftung entstand und jetzt in Berlin Premiere feierte, liegt auf Weiweis künstlerischer Auseinandersetzung mit der Flüchtlingskrise. Die Dokumentation zeigt, wie der 1957 in Peking geborene Künstler im Dezember 2015 Flüchtlinge in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze interviewt, filmt, fotografiert. Ein beklemmendes Gefühl kann sich mitunter beim Zuschauer einstellen, wenn Weiwei mit seinem Handy die in Plastiklatschen durch Schlamm laufenden Flüchtlinge in ihren provisorischen Zelten fotografiert oder nach der richtigen Kameraeinstellung sucht, um die kurz zuvor Gestrandeten zu interviewen.
 

Kennt die Kunst keine Grenzen? 
Diese Frage begleitet den Künstler Zeit seines Schaffens. Seine Fans sehen in ihm einen Provokateur, der mit seinen Werken gekonnt den Finger auf die Wunde legt. Etwa mit seiner Installation von 9.000 Schulranzen, die an den Tod Tausender Schulkinder beim großen Erdbeben in Sechuan 2008 erinnern soll. Damit möchte er auf die Missstände der chinesischen Bauindustrie aufmerksam machen, die er für den Tod der Kinder in der Verantwortung sieht. Oder eben bei seinen Projekten zur Flüchtlingskrise. Seine Kritiker werfen ihm vor, dass er die Medienöffentlichkeit nutzt, um sich mit scheinbar politischen Aussagen selbst ins Rampenlicht zu bringen.
 

Besonders laut wurde die Kritik an ihm, als er das Foto des 2015 an der türkischen Küste ertrunkenen syrischen Jungen Alan Kurdi nachstellte. Der ihm entgegengebrachten Empörung entgegnet er in der Dokumentation eindeutig: Niemand sei im Stande gewesen, ihm zu erklären, weshalb das nicht moralisch sei. Dass sich Menschen über seine Darstellung echauffierten, nicht aber darüber, dass täglich Kinder in Aleppo sterben, sei lächerlich. Im Anschluss an die Premiere der DW-Dokumentation antwortete er auf die Frage, ob da nicht die Grenzen der Kunst überschritten werden: "So lange der Künstler ein Mensch ist, muss er sich mit menschlichen Krisen auseinander setzen." Weiweis Kunst polarisiert, dabei ist seine Botschaft einfach: "Wir müssen verstehen, dass wir alle eins sind", erklärt er. "Dass das, was in Afrika, im Nahen Osten oder woanders geschieht, auch einen Effekt auf uns hat. Selbst wir, die wir in demokratischen Gesellschaften leben und denken, dass wir sicher sind, werden erstaunt sein, zu sehen, wie schnell sich auch für uns alles ändern kann."
 

Ein Leben zwischen Peking, New York und Berlin 
Neben den Filmaufnahmen und Arbeiten, die sich alle mit Flucht und Migration beschäftigen, besuchen die Filmemacherinnen gemeinsam mit Weiwei Stationen seines Lebens zwischen Peking, New York und Berlin, zu denen Weiwei aus seinem Leben erzählt: über seinen Vater, seine New Yorker Jahre 1981-1993, seine Inhaftierung 2011, seinen Umzug nach Berlin 2015. Zudem gibt die Dokumentation "Ai Weiwei Drifting" Einblick in persönliche Momente aus dem Alltag des Künstlers: Weiwei in seiner Küche in Berlin beim Kochen. Zuhause vor dem Fernseher mit seinem Sohn. Der Besuch bei seiner Mutter in Peking, die als Einzige im Film etwas über Weiwei erzählt. Den Filmemacherinnen ist es gelungen, diese privaten Momente authentisch einzufangen. Sein Sohn, erzählt er im Film, habe ein besseres Verhältnis zu seiner Mutter als zu ihm. Er sei ein strenger Vater und würde sich immer überall einmischen. Das möge sein Sohn nicht.
 

"Für mich war Weiwei wie ein Enigma", teilt die Filmemacherin Bettina Kolb ihre Erfahrung. "Ich wusste nie was in seinem Kopf vor sich geht. Vor allem ist er super schnell", sagt sie über den Künstler, der derzeit acht verschiedene Ausstellungen hat. Eva Mehl hingegen ist beeindruckt von der Art, wie Weiwei auf die Menschen zugegangen ist: "Er hat er sich zu ihnen gesetzt, einfach nur, um Zeit mit ihnen zu verbringen." Mit beeindruckenden Kameraaufnahmen zeichnet die Dokumentation "Ai Weiwei Drifting" ein sehr persönliches Portrait von einem der derzeit weltbekanntesten Künstler, der über sich selbst sagt: "Ich habe keine Heimat. Meine Heimat ist das Internet."

"Ai Weiwei Drifting" - ein Dokumentarfilm der Deutschen Welle (56 min.) von Eva Mehl und Bettina Kolb - zu sehen unter https://www.dw.com/en/ai-weiwei-drifting/video-39339411

Quelle: Deutsche Welle