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Meeting Einstein: Martin Oestreich

Moleküle zusammenstecken so wie Legosteine – diese Metapher benutzt der Chemiker Martin Oestreich gerne, um seine Forschung anschaulich zu machen: Martin Oestreich entwickelt Katalysatoren, um chemische Bindungsprozesse effizienter zu gestalten oder sie überhaupt erst zu ermöglichen. Dabei entstehen neue chemische Substanzen mit neuen Eigenschaften. 

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Der Grundlagenforscher versucht außerdem die molekularen Prozesse, die Reaktionsmechanismen, aufzuklären, die bei der Synthese ablaufen. Dabei spielt Kohlenstoff eine herausragende Rolle. Er ist das Grundelement aller in der belebten Natur vorkommenden Verbindungen. Die Verknüpfung zweier Kohlenstoffatome ist deshalb ein zentrales Anliegen auf dem Gebiet der Synthesechemie. Will man einen neuen Stoff auf Grundlage einer Kohlenstoffverbindung herstellen – synthetisieren wie es in der Fachsprache heißt – werden oft Katalysatoren gebraucht, um die chemische Reaktion in Gang zu bringen.

Verfahren zur Katalysatorenentwicklung

Martin Oestreich entwickelt Katalysatoren auf der Grundlage der chemischen Elemente Bor und Silizium. So hat er gemeinsam mit seiner Forschergruppe eine effiziente Methode entwickelt, mit der aus flüssigen Vorläufersubstanzen gasförmige Silane gewonnen werden können. Das Element Bor dient dabei als Katalysator. Die Handhabbarkeit der chemischen Vorstufen ist ein wichtiges Kriterium, damit das Verfahren auch in der Industrie Anwendung finden kann. Silane gehören zu einer Klasse chemischer Verbindungen, die in vielen Bereichen der Industrie als Grundchemikalie eingesetzt wird und insbesondere bei der Entwicklung neuartiger Materialien wie sie zum Beispiel in der Medizin benötigt werden. Nach mehrjähriger Forschungsarbeit konnte Martin Oestreich 2013 ein Patent auf das Verfahren anmelden.

Ruf an die Technische Universität Berlin

Für die Katalyseforschung ist der Forscher auf neueste Analysetechnologien und eine aufwendige Laborausstattung angewiesen. Deshalb gab die Aussicht auf eine gute Ausstattung für ihn den Ausschlag, 2011 dem Ruf nach Berlin zu folgen und als Einstein-Professor das Fachgebiet Synthese und Katalyse an der Technischen Universität zu übernehmen. „Das Zünglein an der Waage war, dass die Einstein-Stiftung ein fixe Summe für eine nahezu komplette Ausstattung der Professur zur Verfügung gestellt hat“, sagt Martin Oestreich. „Dadurch können wir im internationalen Wettbewerb mithalten.“ Unabdinglich, aber mit 50 000 Euro je Arbeitsplatz kostspielig waren die Gloveboxen. In diesen gläsernen Experimentierkammern können die Wissenschaftler mit luft- und feuchtigkeitsempfindlichen chemischen Substanzen arbeiten und die Proben vorbereiten, die später im Kernresonanzspektrometer analysiert werden. „Kernresonanzspektroskopie ist für uns eine Schlüsseltechnologie“, sagt Oestreich. „Das Kernresonanzspektrometer ist das Herzstück unseres Labors“. Finanziert hat diese Anlage der Europäische Fonds für regionale Entwicklung. Eine lohnenswerte Investition, denn das Gerät wird von vielen Wissenschaftlern mitbenutzt, die ebenfalls auf dem Gebiet der Katalyse und Synthesechemie forschen. Seit 2008 ist dieses Forschungsgebiet mit dem von der Bundesregierung geförderten Exzellenzcluster UniCat in Berlin prominent vertreten. 240 Chemiker, Physiker, Biologen und Ingenieure von mehreren Universitäten und Forschungseinrichtungen entwickeln dort Katalysatoren, um natürliche Energie- und Materialressourcen in Zukunft effizienter nutzen zu können. „Das ist überhaupt das einzige Exzellenzcluster in Deutschland, wo die Chemie im Zentrum steht“, sagt Oestreich. „Für uns bieten sich damit hervorragende Kooperationsmöglichkeiten.“ Auch das spricht aus seiner Sicht für den Standort Berlin.

Fachwissen und Durchhaltevermögen

Im Laufe seiner wissenschaftlichen Karriere hat Martin Oestreich schon viele Ortswechsel erlebt: von Münster, wo er auf dem Gebiet der metallorganischen Chemie promovierte, ging er nach Kalifornien und von dort nach Freiburg, wo er sich habilitierte. Nach einer Gastprofessur in Wales kehrte er wieder zurück nach Münster. Dort war er zuletzt Professor für Organische Chemie. Mit jedem Ortswechsel stand für ihn auch ein Themenwechsel an. „Das, was ich jetzt mache, habe ich nie selbst im Labor gemacht“, sagt Oestreich. Das übernehmen jetzt seine 20 Mitarbeiter, darunter 15 Doktoranden. Ihnen gibt er neben seinem Fachwissen auch die Einsicht mit auf den Weg, dass ein Wissenschaftler neben Kreativität vor allem Durchhaltevermögen braucht, um die Zeiten – manchmal sind es Jahre – zu überstehen, bevor sich der ersehnte Erfolg einstellt.

Text: Kristina Vaillant