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Warum sich Artgenossen unterscheiden

Einstein BIH Visiting Fellow Bassem Hassan

Neurobiologen der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Einstein BIH Visiting Fellow Prof. Dr. Bassem Hassan haben erforscht, wie die Entwicklung des Gehirns individuelle Verhaltensunterschiede mitbestimmt. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Robin Hiesinger des Fachbereichs BCP haben sie in einer in der Fachzeitschrift Science veröffentlichten Studie beschrieben, warum Fruchtfliegen individuelle Verhaltensunterschiede trotz gleicher Genetik und gleicher Umweltbedingungen ausprägen. An der Studie beteiligt waren auch Forscherinnen und Forscher von der Universität Freiburg, dem VIB KU Leuven Campus und dem ICM Paris. Der Forscherverbund in der Neurobiologie der Freien Universität Berlin wurde durch die Einstein Stiftung ermöglicht. Die Untersuchungen an Drosophila melanogaster zeigten, dass Individuen sehr unterschiedlich auf einen gleichbleibenden Seh-Reiz reagieren können. Diese individuellen Unterschiede im Verhalten seien über Wochen stabil gewesen und unabhängig von genetischer Variabilität und Umweltfaktoren, wie die Autoren herausfanden. Sie kamen zum Schluss, dass unberechenbare Ungenauigkeiten in Entwicklungsprozessen (developmental noise) zu unterschiedlichen Verdrahtungen von bestimmten Nervenzellen im sehverarbeitenden Teil des Gehirns der Fliege führen und diese individuellen Unterschiede im Gehirn einen Einfluss auf das Verhalten der Fliege haben.

Als einen wichtigen Faktor, der zu Verhaltensunterschieden zwischen den Fliegen führt, bestimmten die Wissenschaftler die Asymmetrie von Nerven-Verschaltungen zwischen der rechten und linken Gehirnhälfte. Demnach steuern Fruchtfliegen mit symmetrischen Nervenzellverbindungen deutlich weniger direkt auf Objekte zu als Tiere mit asymmetrischen Gehirnen. Die Autoren gehen davon aus, dass durch diesen zusätzlichen Variabilitätsfaktor der Gehirnverdrahtung Tiere auch bei gleicher oder ähnlicher Genetik Unterschiede ausbilden und dadurch die Überlebenswahrscheinlichkeit der Population erhöht wird.

Es ist eine der zentralen Fragen der Neurobiologie und der Psychologie, warum sich jeder Mensch und jedes Tier im Verhalten von den Artgenossen unterscheidet. Als Antwort auf diese Frage werden häufig vor allem genetische Unterschiede und der Einfluss von Umweltfaktoren genannt. Diese beiden Faktoren haben – wie viele Studien belegen – einen großen Einfluss auf individuelle Unterschiede zwischen Artgenossen. So können Genetik und Umweltfaktoren die Ähnlichkeiten im Verhalten von eineiigen Zwillingen sehr gut erklären, denn diese sind genetisch identisch und wachsen in der Regel unter sehr ähnlichen Umweltbedingungen auf. Beide Faktoren sind aber deutlich schlechter geeignet, um zu erklären, wie es zu Unterschieden im Verhalten von eineiigen Zwillingen kommt. Ein dritter Faktor, der Einfluss von unberechenbarer Ungenauigkeit in Entwicklungsprozessen bei der Bildung des Gehirns, wird in diesem Zusammenhang in der Regel deutlich weniger Beachtung geschenkt.

Weitere Informationen:https://science.sciencemag.org/content/367/6482/1112

Kontakt

Prof. Dr. Robin Hiesinger, Institut für Biologie der Freien Universität Berlin
Telefon: 030 / 838- 58698, E-Mail: robin.hiesinger@fu-berlin.de

Prof. Dr. Bassem Hassan, Institut für Biologie der Freien Universität Berlin und ICM, Paris 
Telefon: +33 157 2746 83, E-Mail: bassem.hassan@icm-institute.org

Dr. Gerit Linneweber, Institut für Biologie der Freien Universität Berlin
Telefon: 030 / 838-63080, E-Mail: gerit.linneweber@fu-berlin.de

Quelle: Freie Universität Berlin