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Wer sind wir und wenn ja, warum?

Was kann die Neurowissenschaft tatsächlich leisten – und was nicht? Mit dieser Frage beschäftigte sich Einstein Visiting Fellow Roger Traub am 21. März 2012 auf dem ersten Vortrag im Rahmen der Reihe "Meeting Einstein Lecture". 

Roger Traub

 

Kaum eine Disziplin hat in den letzten Jahrzehnten so große Hoffnungen geweckt wie die Neurowissenschaft. Nichts weniger als eine Antwort auf die Frage „Was macht uns menschlich?“ erwarten manche von der naturwissenschaftlichen Erforschung des Gehirns. Doch was kann die Neurowissenschaft tatsächlich leisten – und was nicht? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Einstein Visiting Fellow Roger Traub am 21. März 2012 auf der ersten Meeting Einstein Lecture. Vor über 100 Zuhörern sprach der US-amerikanische Neurowissenschaftler und Mathematiker in der Hörsaalruine der Charité über das Thema „Who are we and if so, why?“. Veranstaltet wurde die erste Vorlesung der Reihe Meeting Einstein Lectures von der Einstein Stiftung Berlin.   

Roger Traub entwickelt Computermodelle, mit denen er einzelne Gehirnzellen und ganze neuronale Netze simulieren kann. „Ein Modell kann immer nur eine Idealisierung der Realität sein“, sagt Roger Traub. „Die natürliche Schranke für die Entwicklung brauchbarer Modelle ist die enorme Komplexität des Gehirns.“ Dennoch gelang es Roger Traub, einen großen Teil der Wirklichkeit einzufangen: An seinen Modellen untersucht er zum Beispiel das Schwingungsverhalten von neuronalen Netzen. 

Roger Traubs Ergebnisse liefern nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Grundlagenforschung, sondern könnten in Zukunft auch helfen Krankheiten wie Epilepsie zu heilen. Mit Experimenten konnte Roger Traub zum Beispiel zeigen, dass sich die elektrischen Aktivitätsmuster im Gehirn von Epileptikern von den Mustern gesunder Probanden unterscheidet. „Wenn wir neue wirksame Medikament gegen Epilepsie entwickeln wollen, müssen wir wissen, welche Eigenschaften der Neuronen die unnormalen Schwingungen verursachen“, erklärt Roger Traub. Das ist allerdings noch ein ungelöstes Rätsel. 

„Die Leistungen Roger Traubs sind einzigartig in der Neurowissenschaft “, sagt sein Berliner Kollege Dietmar Schmitz, Einstein Professor an der Charité Universitätsmedizin Berlin. „ Unsere Disziplin verdankt ihm zahlreiche Modelle und Hypothesen, die zugleich komplex und experimentell überprüfbar sind.“ 

Dietmar Schmitz und Roger Traub arbeiten schon seit vielen Jahren gemeinsam daran, die Eigenschaften und das Zusammenspiel von Neuronen begreifbar zu machen. Noch enger ist ihre Kooperation geworden, als Roger Traub im Dezember 2010 Einstein Visiting Fellow am Charité-Exzellenzcluster „NeuroCure“ wurde. 

Mit dem Förderprogramm „Einstein Visiting Fellows“ ermöglicht die Einstein Stiftung Berlin exzellenten internationalen Wissenschaftlern eine längerfristige Einbindung in Berliner Forschungsinstitutionen. Mit dem Programm will die Einstein Stiftung insbesondere Wissenschaftler für einen Forschungsaufenthalt gewinnen, die an ihre Heimatuniversität gebunden sind. Mehrmals im Jahr kommen die Fellows in die Hauptstadt und bereichern die Wissenschaft vor Ort, indem sie sich mit ihren Fachkollegen vernetzen und Veranstaltungen anbieten – darunter auch eine Meeting Einstein Lecture. 

Roger Traub ist einer von derzeit elf Einstein Visiting Fellows. Er studierte zunächst Mathematik an der Princeton University und forschte am Massachusetts Institute of Technology (MIT). 1972 promovierte er an der University of Pennsylvania in Medizin und verbindet seither seine mathematische Expertise mit neurowissenschaftlicher Forschung. Roger Traub arbeitet am IBM Watson Research Center und lehrt an der Columbia University in New York.