Schwamm drunter

Ein Beitrag aus ALBERT Nr. 9 "Wasser"

In vielen Metropolen wird Regenwasser nicht länger als Problem betrachtet, sondern als Ressource für eine kühlere, grünere und gesündere Stadt. Sogenannte Schwammstadt-Techniken sollen urbane Räume gegen Hitze, Dürre und sogenannte Jahrhundertregen wappnen. Wie kann das funktionieren?

Text: Till Hein

Es war ein Schock für viele Menschen in Berlin, als am 29 . Juni 2017 um zwölf Uhr mittags ein sintflutartiger Regen über die Hauptstadt hereinbrach: Innerhalb von 18 Stunden kam so viel Wasser vom Himmel wie sonst im Verlauf von drei Monaten. Keller liefen voll, Autos wurden beinahe davongespült. Die Feuerwehr rief den Ausnahmezustand aus. Die Kanalisation lief über: Rund 2,8 Millionen Kubikmeter Regenwasser – zum Teil mit Abwasser und Fäkalien gemischt – flossen ungefiltert in Berliner Flüsse und Seen. Extreme Starkregen werden immer häufiger. Manche Fachleute schätzen, dass es künftig alle paar Jahre zu einem „Jahrhundertregen“ kommen wird. Doch das ist nicht die einzige Herausforderung, mit der die Klimakrise Großstädte konfrontiert: In jüngster Zeit werden besonders Hitze und Dürre zum Problem. Der Sommer 2023 war weltweit der heißeste seit Beginn der Aufzeichnungen. Und die Temperaturen werden weiter steigen, so die Prognosen. „Die Anpassung an den Klimawandel kann nicht länger warten“, warnt Uwe Ulbrich, Dekan des Fachbereichs Geowissenschaften an der Freien Universität ( FU) Berlin und Vizesprecher des Einstein Research Unit CliWaC. „Das gilt ganz besonders für die Wasserinfrastruktur einer Metropole wie Berlin, die mit den Abfolgen gegensätzlicher Extremereignisse – Starkregen und Dürreperioden – umgehen muss.“

Die gute Nachricht: Es gibt eine Vision, wie sich die Auswirkungen der globalen Erwärmung in Großstädten dimmen lassen. Regenwasser soll nicht mehr über die Kanalisation schnellstmöglich weggeleitet, sondern genutzt werden. Uwe Ulbrich hält große Stücke auf dieses sogenannte Schwamm-stadt-Konzept. „Es erfordert gemeinsame Forschungsarbeiten im Bereich der Natur- und Ingenieurwissenschaften“, sagt er. Am Institut für Meteorologie der FU werden zum Beispiel Modelle entwickelt, mit denen die zu erwartenden Wassermengen bei künftigen extremen Niederschlagsereignissen vorhergesagt werden können – sodass Ingenieur:innen eine Grundlage haben, um die lokalen Überfltungsgefahren abzuschätzen und mit Speichermaßnahmen gezielt vorzubeugen. „Aber auch Einschätzungen zu möglichen Wechselwirkungen mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sind wichtig“, so Ulbrich. „Berlin als ‚Reallabor‘ und die vielfältige Berliner Wissenschaftslandschaft eignen sich dazu in idealer Weise.“ Woher aber stammt die Schwamm-stadt-Idee? Und wie soll sie umgesetzt werden? 

Der Begriff wurde in China erfunden und in Europa zuerst in Skandinavien aufgegriffen, erzählt der Umweltwissenschaftler Andreas Matzinger vom Kompetenzzentrum Wasser Berlin ( KWB), einem Institut für angewandte Forschung, das von den Berliner Wasserbetrieben und der Technologiestiftung Berlin getragen wird. In China gehe es in erster Linie darum, bei starken Regenfällen der Wassermassen Herr zu werden. „Die Einwohnerzahl vieler Städte hat sich dort innerhalb weniger Jahre von einigen Hunderttausend auf bis zu zehn Millionen vervielfacht und viele Kanalisationssysteme sind total überlastet.“ In Städten wie Stockholm, Kopenhagen – und inzwischen auch Berlin– werde das Konzept Schwammstadt aber schon „viel umfassender gedacht“, so Matzinger. „Wir betrachten Regen- und Abwasser nicht länger als Problem, sondern als wertvolle Ressource.“ Insbesondere um Straßen, Gebäude und öffentliche Plätze während der Sommermonate, wenn sich Beton, Asphalt und Metall aufheizen, durch Verdunstung zu kühlen. 

Aber auch beim Gewässerschutz, bei der biologischen Artenvielfalt, der Gesundheit und der Lebensqualität der Menschen berge das Schwamm-stadt-Prinzip großes Potenzial. Für zwei Straßenzüge beim Rudolfplatz in Berlin-Friedrichshain, wo insgesamt 33 Bäume gepflanzt wurden, haben Forscher:innen des Projekts „BlueGreenStreets“ exemplarisch berechnet, dass der „zusätzliche Nutzen durch diese Bereicherung des Straßenbilds“ mit einer jährlichen Summe von rund 14.000 Euro veranschlagt werden kann. „Wir müssen den Schutz vor Hitze, Dürre und Überschwemmungenm sowie die Förderung von Biodiversität, Wohlbefinden und Gesundheit als Einheit betrachten – und Bau- und Sanierungsprojekte in diesem Sinn optimieren“, sagt Matzinger.

„Die Anpassung an den Klimawandel kann nicht länger warten, das gilt ganz besonders für die Wasserinfrastruktur einer Metropole wie Berlin."

Uwe Ulbrich, Meteorologe

EIN FLIESSENDER ÜBERGANG ZUR SCHWAMMHAUPTSTADT

Ein wichtiger Motor für die Transformation Berlins ist die 2018 gegründete Regenwasseragentur. In einem Konferenzsaal in Berlin-Mitte öffnet Darla Nickel ihre Onlinedatenbank zum Schwammstadt-Konzept – und bunte Fotos von Grünflächen mit Buschwerk, Teichen und Blumenbeeten poppen auf. „Lauter bereits realisierte Projekte von öffentlichen und privaten Trägern“, sagt die Umweltingenieurin und Leiterin der Regenwasseragentur. Ihre Vision: „Berlin soll Schwammhauptstadt werden!“ Auf der Website der Agentur finden sich auch Planungstools, die Darla Nickels Team entwickelt hat, um diese Vision voranzutreiben: Modellrechner für die Kostenkalkulation etwa, eine Fördermitteldatenbank oder ein Leitfaden mit Tipps für die Umsetzung. Mit solchen Hilfsmitteln möchte die Regenwasseragentur die Arbeit der Stadtplanerinnen, Architekten und Tiefbauerinnen erleichtern. Zudem bietet sie Beratungsleistungen für große und kleine Bauvorhaben. 

Eines von Berlins Schwammstadt-Vorzeigeprojekten befindet sich am Gendarmenmarkt. Eingerahmt vom Deutschen und Französischen Dom soll der 14.0000 Quadratmeter große ehemalige Marktplatz bald wieder zum Flanieren einladen. Die denkmalgeschützte Anlage wird künftig möglichst viel Niederschlagswasser auffangen und durch Versickerung dem Grundwasser zuführen, erklärt Darla Nickel und zeigt Fotos des Projekts, das von der Grün Berlin GmbH und den Berliner Wasserbetrieben geplant und umgesetzt wird. Über 6000 Tonnen Natursteinpflaster haben Bauarbeiter abgetragen und sechs mehrere Hundert Quadratmeter große, rund 60 Zentimeter tiefe Rigolen ins Erdreich verbracht: Kunststoffverschalungen, die große Mengen Niederschlagswasser zwischenspeichern und langsam versickern lassen können. Auf diese Weise will man bei Starkregen lokalen Überschwemmungen vorbeugen und das Grundwassergleichmäßig anreichern – statt die Kanalisation mit vielen Millionen Litern Niederschlagswasser zu belasten.

„Wir müssen den Schutz vor Hitze, Dürre und Überschwemmungen sowie die Förderung von Biodiversität, Wohlbefinden und Gesundheit als Einheit betrachten."

Andreas Matzinger, Gewässerforscher

Innerhalb des S-Bahn-Rings verfügt Berlin nämlich bis heute ausschließlich über eine Mischwasserkanalisation, wie sie im 19. Jahrhundert üblich war (-> S. 90): Regen- und Schmutzwasser aus Haushalten und Gewerbe fließen durch dieselben Leitungen zu den Klärwerken – und bei starken Regenfällen läuft solches Mischwasser in Gewässer und belastet sie mit Schadstoffen. Die Kanalisation so umzubauen, dass es zu keinen Mischwasser- Überläufen mehr käme, würde Zigmilliarden kosten. An vielen Stellen wäre dies, schon aufgrund der bestehenden U-Bahn-Netze, aus Platzgründen auch gar nicht möglich. Maßnahmen nach dem Schwammstadt-Prinzip sind günstiger und haben viele positive Zusatzeffekte. 

Darla Nickel betont auch die Wichtigkeit kleinerer Projekte: „Ein einfaches Gründach beispielsweise hält schon etwa die Hälfte des Regenwassers zurück, und spezielle Retentionsgründächer schaffen noch viel mehr“, sagt sie. „Sie binden auch Kohlendioxid und Feinstaub und bieten Lebens räume für Bienen.“ Begrünte Dachflächen können zudem begehbar gestaltet werden und erhöhen die Lebensqualität der Hausbewohner:innen. Und nicht zuletzt beugen sie Überhitzung vor: Eine Studie aus Singapur ergab, dass Vegetation die Oberflächentemperatur eines Daches um bis zu 18 Grad senken kann. Noch eindrucksvoller sind Daten aus Chicago: Während die Temperatur eines begrünten Daches dort im Sommer zwischen 33 und 48 Grad schwankte, erhitzte sich ein benachbartes kahles Dach auf bis zu 76 Grad Celsius. In Berlin sind derzeit rund 5,4 Prozent der Dachflächen begrünt. „Damit gehören wir deutschlandweit zur Spitzengruppe“, sagt Darla Nickel. Potenzial sehen Fachleute bei etwa 25 Prozent aller Dächer. Dank verbesserter Technik ist es inzwischen möglich, auch Dachflächen mit einem Neigungswinkel von bis zu 45 Grad zu begrünen. Einziger Haken: Das zusätzliche Gewicht von Substrat, Regenwasser und Pflanzen kann Altbauten überlasten. Statiker:innen müssen abklären, ob die Dachkonstruktion stabil genug ist. Besonders schwer sind die effektiveren Retentionsdächer, bei denen unter dem Substrat Speicherelemente verbaut werden. Modernste Varianten reagieren sogar auf die aktuelle Wetterlage.

Eines der ersten „smarten“ Dächer entsteht in Berlin gerade auf dem Gebäude des denkmalgeschützten alten Postbahnhofs in Friedrichshain, wo bis in die 1940er Jahre Briefe und Pakete aus dem ganzen Land eintrafen. Bagger tragen sandiges Erdreich ab, an Stahlträgern wird gefräst und geschweißt. Bauarbeiter versehen Dach und Terrasse mit gut 60 Zentimeter tiefen Rigolen. Diese fangen das Regenwasser auf, mit dem riesige Blumenbeete bewässert werden sollen. Allein das Dach kann mit einer Fläche von rund 3000 Quadratmetern 500.000 Liter Wasser aufnehmen. Über zahlreiche Kapillarbrücken, die wie dicke, zusammengerollte Löschblätter aussehen, strömt es durch Diffusion aus den Rigolen nach oben in ein Fließschicht, die die darüber liegende Erde auch während Dürrezeiten feucht hält. Zusätzlich wurde eine große Zisterne als Langzeitspeicher in den Boden vor dem Gebäude eingebracht. Das Besondere an „smarten“ Dächern: Drosselventile halten das Wasser zurück und reagieren auf meteorologische Daten. Sagt die Wetterprognose etwa für 15 Uhr Starkregen voraus, verständigt ein Algorithmus kurz davor die Ventile, und die lassen über Dachrinnen genau so viel Wasser in die Zisterne ab, dass die Rigolen die für den Nachmittag zu erwartende Regenmenge aufnehmen können.

WASSER VOM NACHBARDACH FÜR AUSGETROCKNETE BÖDEN

Andere Schwammstadt-Projekte setzen auf die Kooperation mit Anwohner:innen. So wie in Berlin-Friedrichshain, beim denkmalgeschützten Georgen-Parochial-Friedhof II mit seinen historischen Mausoleen und verwitterten, jahrhundertealten Grabsteinen. Der Friedhof leidet unter Dürre – das demonstriert der Biotechnologe Sven Hänichen vom Berliner Planungsbüro oikotec während einer Ortsbegehung für interessierte Fachleute an halb vertrockneten Gewächsen. Erste Bäume mussten bereits gefällt werden. „Und wenn es doch mal regnet, dann oft so stark, dass das Wasser vom abschüssigen Gelände abläuft, ohne versickern zu können“, so Hänichen. Selbst auf ebenem Gelände reicht die Regenmenge gerade in den Sommermonaten nicht aus. Bisher werden alle Anlagen notdürftig mit Trinkwasser bewässert. „Nicht mehr zeitgemäß“, sagt Hänichen. 

Zumal 2018 für Berlin ein neues Gesetz zur Regenwasserbewirtschaftung in Kraft trat: Seither darf bei Neubauten kein Niederschlagswasser mehr in die Kanalisation eingeleitet werden. Hänichen und seine Kolleg:innen brachte das auf eine clevereIdee. „Manche möchten entwässern, andere bewässern“, sagt er. „Daraus ergibt sich oft eine Win-win-Situation, sobald man über Grundstücksgrenzen hinausdenkt.“ Die Zisterne im Boden des Friedhofs kann 200. 000 Liter Wasser fassen, das in Trockenphasen mithilfe von Druckluft zu Bäumen und Blumenbeeten geleitet wird. Der Clou: Das meiste Wasser stammt nicht vom Friedhof selbst. Von einem neu errichteten Bürohaus nebenan wird das Niederschlagswasser eingeleitet, das auf seinem Dach anfällt. Immerhin 35 Prozent des für den Friedhof benötigten Wassers lassen sich so decken. Und Hänichens Planungsbüro hat bereits die Idee für ein Folgeprojekt auf den Weg gebracht, das die Bewässerung eines Friedhofs in Kreuzberg dank noch größerer Dachflächen in der Nähe vollständig sichern soll. Die Zisterne auf dem Georgen-Parochial-Friedhof II läuft bei Starkregen über. Doch das ist kein Schaden: Das überschüssige Wasser fließt dann durch ein Druckrohr in eine große Versickerungsmulde am Rand des Friedhofs, die auch einen Tümpel bilden kann, womit für Amphibien wie Frösche oder Kröten ein attraktiver Lebensraum entsteht. Auch der kooperative Ansatz des Projekts könnte Schule machen. „Regenwasserbewirtschaftung muss grundstücksübergreifend gedacht werden", sagt Hänichen.

Das erfordere übergeordnete Planung. „Und es müssten bürokratische Hindernisse reduziert werden“, so der Experte. Vor wenigen Jahren wurde vom Land Berlin der Masterplan Wasser verabschiedet, der vor allem die Versorgung mit Trinkwasser langfristig sichern soll. Doch das reiche nicht mehr aus. „Berlin braucht dringend auch einen Schwammstadt-Masterplan“, so Hänichen.

„Aus ihrem Korsett aus Beton befreit könnten in und um Berlin etwa die Panke oder die Dahme zu einem gesünderen Mikroklima beitragen."

Irina Engelhardt, Hydrogeologin

MEHR PLATZ FÜR BAUMWURZELN UND FLUSSLÄUFE

Ein wichtiger Faktor für die Resilienz von Städten gegenüber der globalen Erwärmung sind Bäume. Diejenigen am Mehringdamm in Berlin-Kreuzberg allerdings leiden wie anderswo in der Stadt unter der zunehmenden Trockenheit, zeigt Andreas Matzinger vom KWB. Ein simpler Schwammstadt-Ansatz wäre hier schon hilfreich: die Baumscheiben (nicht asphaltierte Flächen, auf denen Bäumewachsen) stärker absenken, sodass automatisch Regenwasser hinzufließt. Bisher können viele Stadtbäume ihr Potenzial, die Hitzebelastung durch Beschattung und Verdunstung zu reduzieren, nicht annähernd ausschöpfen, so Matzinger. Denn sie haben zu wenig Platz für ihre Wurzeln– und das Niederschlagswasser wird von diesen fortgeleitet in die Kanalisation. In Stockholm ist man weiter: Statt in enge Baumscheiben werden Jungbäume dort in ein luftiges Schotterbett eingepflanzt, das sich unter dem Straßenbelag fortsetzt und den Wurzeln ausreichend Platz bietet. Der Schotter saugt sich wie ein Schwamm voll und hält das überschüssige Wasser über Stunden oder gar Tage zurück, ehe es versickert. Die Bäume wachsen schneller, bleiben länger gesund – und sorgen für ein ausgeglicheneres Stadtklima.

Doch die Herausforderungen durch die globale Erwärmung sind gewaltig, gerade im Großraum Berlin: Die Hydrogeologin Irina Engelhardt von der Technischen Universität (TU) Berlin beobachtet auch auf dem Land vielerorts einen starken „Wasserstress“. „Im Jahr 2021 war das Berliner Umland die trockenste Region in ganz Deutschland“, erzählt sie. Mancherorts ist der Grundwasserspiegel dort in den vergangenen 20 Jahren um mehr als einen Meter gesunken. Eine mögliche Gegenmaßnahme: Flüsse renaturieren und wieder mäandern lassen. „Dieser Ansatz eignet sich sowohl für viele ländliche als auch für urbane Gebiete“, so Irina Engelhardt. In München etwa wurde die Isar zwischen dem Deutschen Museum und der Großhesseloher Brücke wieder naturnah gestaltet. Das ergab neben ökologischen Vorteilen und weniger Trockenheit auch einen besseren Schutz gegen Hochwasser, da das renaturierte Flussbett bei Starkregen größere Wassermassen aufnehmen kann. „Aus ihrem Korsett aus Beton befreit könnten in und um Berlin etwa die Panke oder die Dahme zu einem gesünderen Mikroklima beitragen“, sagt die Professorin für Hydrogeologie. „Denn dann könnte deutlich mehr Flusswasser im Boden versickern, was dem Grundwasser zugutekäme. Zudem könnten sich Schilf, Röhricht und andere Pflanzen ansiedeln und durch Verdunstung das Mikroklima verbessern helfen.“

EINSPARUNGEN DURCH REGENERNTE UND VERSICKERUNG

Laut Weltklimarat werden ab 2070 rund 44 Millionen Europäer:innen von Wassermangel betroffen sein. Flüsse in Zentral- und Südeuropa könnten dann bis zu 80 Prozent weniger Wasser führen. Andreas Matzinger vom KWB plädiert daher auch für einen nachhaltigeren Umgang mit dem Wasser. Es wäre zum Beispiel sinnvoll, auch sogenanntes Grauwasser – also schwach verschmutztes Abwasser aus Badewannen, Duschen oder Waschmaschinen – aufzubereiten und für die Bewässerung zu verwenden. „Grauwasser ist immer verfügbar“, sagt der Umweltwissenschaftler. „Und in heißen Sommern, wenn die Pflanzen in Parks durch Dürre gefährdet sind, duschen die Leute sogar öfter als sonst.“ Regenwasser wiederum ließe sich gezielt „ernten“, um damit etwa WC-Spülungen zu betreiben, sagt Matzinger. Man benötige dafür nur zusätzliche Wasserleitungen. „Diese lassen sich in neugebauten Wohnhäusern gut integrieren und können langfristig zu Einsparungen führen.“ Die meisten Hausbesitzer:innen seien jedoch noch skeptisch. 

Immerhin: „Zumindest bei Neubauten funktionieren Schwammstadt-Techniken in der Hauptstadt schon ziemlich gut“, betont Darla Nickel. Ein Paradebeispiel sei das Neubaugebiet Buckower Felder im Süden von Neukölln mit etwa 900 Wohnungen, in dem zahlreiche Schwammstadt-Elemente kombiniert werden: Alle nach Süden ausgerichteten Fassaden sowie die Dachflächen werden zu mindestens 80 Prozent bepflanzt. Das viele Grün soll Niederschlagswasser speichern, Feinstaub und Kohlendioxyd aus der Luft filtern, im Sommer für Verdunstungskälte sorgen und die Fassaden verschatten. Darüber hinaus halten Baumrigolen das Regenwasser während Dürrephasen – ähnlich wie in Stockholm – im Wurzelraum für die Bäume bereit. In einem Landschaftspark kann Niederschlagswasser zudem versickern. Einige der Freiflächen liegen bis zu 80 Zentimeter tiefer. Sie werden mit Schilf bepflanzt und können sich temporär in Wasserflächen verwandeln.

„Zumindest bei Neubauten funktionieren Schwammstadt- Techniken in der Hauptstadt schon ziemlich gut. Wir brauchen dringend Anreize, die den Umbau auch bei Altbauten vorantreiben."

Darla Nickel, Ingenieurin

Die Kosten für die Kanalisation des neuen Stadtviertels ließen sich um zwei Millionen Euro drücken, da das Regenwasser dank der Schwammstadt-Maßnahmen nicht fünf Kilometer weit bis zum Teltowkanal geleitet werden muss. Ein Erfolgsprojekt. Weniger erfreulich: Von den bestehenden Gebäuden, den Straßen und Plätzen innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings fließt das Niederschlagswasser weiterhin überwiegend in den Mischwasserkanal. Auch, weil vielen Hausbesitzer:innen und Entscheidungsträger:innen Maßnahmen im Sinne der Schwammstadt-Idee zu kompliziert und teuer erscheinen. „Wir brauchen dringend Anreize, die den Umbau auch bei Altbauten vorantreiben“, sagt Nickel. Wissenschaftler:innen haben Prognosen erstellt, wie sich die Klimakrise in der Stadt weiter zuspitzen könnte, wenn jetzt nicht gehandelt wird. Und sie haben Ideen, Methoden und technische Hilfsmittel zur Prävention entwickelt. Jetzt sei die Politik am Zug: Die Leiterin der Regenwasseragentur schätzt die Lage sehr ähnlich ein wie Uwe Ulbrich, Dekan des Fachbereichs Geowissenschaften an der FU, der Umweltingenieur Andreas Matzinger vom KWB und der Biotechnologe Sven Hänichen: Die konsequente Anpassung Berlins an den Klimawandel kann nicht länger warten.

Informationen zum Künstler

Takashi Suzuki ist ein japanischer Künstler. In seiner Bilderserie „BAU“, die mehr als 500 Schwammkompositionen umfasst, erforscht Takashi Suzuki das skulpturale und architektonische Potenzial dieses alltäglichen Objekts, dem er gleichzeitig eine neue Bedeutungsdimension zuweist. Die überwältigende Vielzahl der Bilder ist das Resultat frei zusammengestellter Materialien, Formen und Farben. Humorvoll kombinieren sie Elemente aus Pop Art und Minimalismus und hinterfragen dabei das Dargestellte. Suzuki studierte am Art Institute of Boston in den USA und an der Kunstakademie Düsseldorf bei Thomas Ruff.