James Sethian

Selten ist Mathematik so alltagsnah: In seinen Forschungsarbeiten sucht James Sethian von der University of California Berkeley nach mathematischen Antworten auf die Frage, wie ein Objekt am schnellsten von A nach B gelangt. Zur Lösung dieses Problems hat er die Fast-Marching-Methode entwickelt. Von der Forschungsarbeit des Mathematikers profitieren nicht nur andere Disziplinen wie die Material- und Lebenswissenschaften, sondern auch die Graduierten an der Berlin Mathematical School. Dort war Sethian von 2011 bis 2014 Einstein Visiting Fellow.

 


»Mathematik ist ein Vergnügen«

Ihr Arbeitsgebiet sind dynamische Grenzflächen. Was ist darunter zu verstehen?
Wir sprechen von Grenzflächen, um dynamische Schnittstellen zwischen zwei oder mehr Zonen zu beschreiben. Solche dynamischen Grenzflächen spielen bei vielen ingenieurwissenschaftlichen Problemen eine Rolle, aber auch in der Natur. Eine Meeresoberfläche ließe sich zum Beispiel als Wasser-Luft-Grenze bezeichnen, ein verschmutztes Flussgewässer hat eine Grenze zwischen sauberem Wasser und Schadstoffen. Solche bewegten Grenzflächen nachzuzeichnen ist wichtig, aber sehr schwierig, weil es sehr komplexe dynamische Phänomene sind.

Sind Ihre Methoden ein Universalwerkzeug für die Beschreibung dynamischer Grenzen?
Der größte Teil meiner Arbeit dreht sich darum, mathematische Modelle und numerischen Methoden zu entwickeln, mit denen sich solche Phänomene beschreiben lassen. Dahinter steht letztlich das Ziel, akkurate und effiziente Algorithmen zu entwerfen, die auch auf ausgesprochen komplexe Grenzflächendynamiken noch anwendbar sind. Denn in der Wirklichkeit kommen auch Grenzflächen vor, die auseinanderbrechen und mit anderen Grenzflächen verschmelzen. Im dreidimensionalen Raum wird das Problem dann noch komplexer. Um solche wirklich anspruchsvollen Probleme zu lösen, haben wir einen auf der „impliziten Funktion“ beruhenden Lösungsansatz entwickelt, der die Bewegung dynamischer Grenzflächen beschreibt.
Diese Methoden finden auf vielen Gebieten Anwendung, etwa bei Verbrennungsprozessen in Motoren, in der Halbleiterfertigung, bei der Entwicklung neuer Materialien mit Industrieschaum bis hin zur Bildverarbeitung für die Früherkennung von Krankheiten.

Was ist das Neue an diesen mathematischen Modellen?
Unsere Methoden sind besonders geeignet, um solche komplexen Probleme im dreidimensionalen Raum zu lösen. Im Wesentlichen beruhen sie darauf, dass wir verschiedene Gebiete der Mathematik, die analytische Mathematik, Differentialgleichungen und die Differentialgeometrie, sowie Algorithmen aus der Informatik miteinander kombinieren. Das ist das Schöne an der angewandten Mathematik: Ihr stehen viele verschiedene Gebiete zur Verfügung, um daraus genau die passenden Werkzeuge für die Lösung von praktischen Problemen zu basteln. Dann wiederum gibt es Werkzeuge, sie sich nur basteln lassen, wenn man neue mathematische Wege beschreitet und neue Computer-Algorithmen entwickelt. Diese Mischung aus Alt und Neu ist es, was die computerbasierte angewandte Mathematik zu dem macht, was sie ist: spannend, einflussreich und ein Vergnügen!

Gespräch: Mirco Lomoth
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