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#AskDifferent - der Podcast der Einstein Stiftung

#AskDifferent – der Podcast der Einstein Stiftung
In der Podcast-Reihe #AskDifferent erzählen geförderte und mit der Stiftung verbundene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von den kleinen Schritten und großen Zufällen, die zu einer außergewöhnlichen Laufbahn geführt haben. Wir wollen wissen: Was treibt sie an, anders zu fragen, immer weiter zu fragen und unsere Welt bis ins kleinste Detail zu ergründen?

#3: Friedel Gerfers

Einmal Silicon Valley und zurück

Porträt von Friedel Gerfers im Labor

Friedel Gerfers gelang der Sprung vom Ruhrgebiet, wo er als Elektroniker Leitungen unter Tage verlegte, zu den großen Tech-Unternehmen im Silicon Valley. Heute entwickelt er als Einstein-Professor für Mixed Signal Circuit Design an der Technischen Universität Berlin Systeme für effizientere Datenübertragung. Im Podcast erzählt er, warum er ebenso in der Wissenschaft wie auf dem Bauernhof zuhause ist. Foto: TU Berlin/Arnoldt 

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Intro: Man hat wirklich die Gummistiefel gebraucht, wenn man dann halt wirklich früher Schweine gemistet hat. Das ist natürlich was, wo ich auch in meinem Studium sehr gut abschalten konnte. Wenn man dann halt lernt für zum Beispiel theoretische Elektrotechnik, die sehr, sehr theoretisch mathematisch ist. Und wenn man dann nach Hause kommt und da mit den Tieren zusammenarbeitet, das ist was, wo ich hervorragend abschalten konnte. Deswegen muss ich sagen, vermiss das schon so ein bisschen ab und zu. AskDifferent, der Podcast der Einstein Stiftung mit Leon Stebe. 

Leon Stebe: Wie denkt jemand, der auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, mit sieben Jahren schon Traktor fahren konnte und heute in einem der fortschrittlichsten Labore der Republik daran forscht und daran arbeitet, dass die riesigen Datenmengen des mobilen Internets noch schneller und noch effizienter übermittelt werden. Das ist das Thema heute. Mein Name ist Leon Stebe und mein Gast ist Einstein-Professor Friedel Gerfers. Sein Lehrstuhl an der Technischen Universität Berlin heißt Mixed Single Circuit Design. Schönen guten Tag, Herr Gerfers. 

Friedel Gerfers: Einen schönen guten Tag. 

Stebe: Herr Gerfers, wann saßen Sie das letzte Mal auf einem Trecker? 

Gerfers: Vor circa drei Monaten bei meinen Eltern, die, wie grade schon angesprochen, haben die noch einen Bauernhof. Der ist zwar nicht mehr im Betrieb, aber mein Vater hat natürlich noch ein paar Hühner und von daher auch noch einen Traktor und ein paar Pferde, weil meine Schwägerin natürlich noch ein paar Pferde hat und die müssen natürlich noch gemistet werden und so weiter. Von daher gibt's noch einen Trecker, aber der ist auch schon ja fast 50 Jahre alt inzwischen. 

Stebe: Was hat Ihnen Ihre Kindheit auf dem Bauernhof für die Wissenschaft, für Ihre Arbeit als Forscher gebracht? 

Gerfers: Also ich würde halt hauptsächlich sagen so ein bisschen die Neugier. Ich meine, wie Sie vielleicht wissen, wenn man auf dem Bauernhof ist, ist es natürlich so, dass man auch viele Sachen reparieren muss. Es geht vieles kaputt und das ist natürlich nicht alles nur elektronisch, wo ich mich jetzt mit beschäftige, sondern auch teilweise mechanisch. Was ich mit meinem Vater natürlich sehr oft gemacht hab, ist Maschinen repariert, die da natürlich elektromechanisch funktionieren. Und da hat mich schon die Elektronik immer ein bisschen gereizt, hab natürlich aber auch viel diese mechanischen Sachen natürlich reparieren müssen, können, dürfen sozusagen. Das heißt, vom Fahrrad bis hin zu größeren Maschinen, Traktoren und so weiter. 

Stebe: Sie waren Schrauber, ein Tüftler von Beginn an, oder? 

Gerfers: Ja, so ein bisschen, also das hat mich schon so ein bisschen gereizt. Ich hab auch früher, vielleicht fängt man da auch mit so ein bisschen an, da gab's diese Fischertechnik, die auch neben diesen mechanischen dann auch diese elektronischen Erweiterungen hatte oder natürlich auch elektronische Steuerungen. Und also das war von vornherein schon so ein bisschen vielleicht in die Wiege gelegt. Aber ich habe auch trotzdem auch am Bauernhof, wie das dann … Wir hatten halt auch Tiere. Das heißt, wir hatten Schweinezucht sozusagen und da gab's dann ja auch Geburten und das ist natürlich, da wird man dann halt auch damit involviert und muss da unterstützen, grade als Kind hat man natürlich auch einige Vorteile. Man ist klein und kann da dann hier und da ein bisschen helfen. Also ich hätte mir das auch vorstellen können, auch im Bauernhof arbeiten zu können, nur der war halt so klein, dass es unterhaltstechnisch nie infrage gekommen wäre und das hat auch mein Vater gesagt. Also erst mal eine Ausbildung machen war so sein Credo und das waren schon meine Eltern, die da so ein bisschen in die Richtung gedrängt haben, selbst wenn ich das mal wollte, aber erstmal eine Möglichkeit zu haben, dass man auch ein zweites Standbein hat sozusagen. 

Stebe: Dann haben Sie gesagt, Schule ist genug. Nach der zehnten Klasse haben Sie dann eine Lehre gemacht als Azubi. 

Gerfers: Genau. Ja, das war so ein bisschen, muss ich gestehen, also das war tatsächlich so, dass ich, wie heißt das so schön, die Schnüss voll hatte, ne, mit Schule zu dem Zeitpunkt und war wirklich Sie sind gegangen. Ich hatte da wirklich zu dem Zeitpunkt wirklich genug, hab dann wirklich eine Ausbildungsstelle gesucht, wollte natürlich auch rein, in dem Elektronikbereich bleiben und das war zu dem Zeitpunkt gar nicht so einfach. Also ich habe halt viele Bewerbungsgespräche und Vorstellungen und da gab's ja auch diese Eignungstests gemacht und das war dann, wie das dann am Ruhrgebiet ist bei Thyssen, bei Krupp und im Bergbau. Und der Bergbau war der einzige, die einzige Möglichkeit wirklich, Elektronik zu machen und deswegen bin ich dann am Ende dreieinhalb Jahre Ausbildung beim Bergbau im Bereich Elektronik gemacht. 

Stebe: Und Sie waren unter Tage und haben da Leitung gelegt?

Gerfers: Genau. Habe dann zwar eher dicke Stromkabel für den Schredder gelegt. Die waren dann halt so ungefähr armdick. Da mussten natürlich auch fünf KV drüber gehen und Riesenströme verwaltet werden sozusagen. Und dann nach dreieinhalb Jahren, bevor ich dann meine Schulausbildung weitergemacht hab nach der Ausbildung, habe ich dann nochmal ein halbes Jahr für eine finanzielle, sagen wir mal, Verbesserung noch ein halbes Jahr da gearbeitet. Genau. 

Stebe: Dann ging's weiter, intellektuell auch. Sie haben in Duisburg Elektrotechnik studiert, in Freiburg promoviert. Ich verkürze das jetzt mal. Und dann sind Sie irgendwann mal ins Silicon Valley gegangen nach Kalifornien. Wie würden Sie die Atmosphäre beschreiben? 

Gerfers: Ja, also wie man das vielleicht auch so ein bisschen schon aus dem Fernsehen so versucht. Also das ist sehr businessgetrieben, ne? Also Familienleben ist da schon so ein bisschen secondary. Und also da wird nicht viel drüber gesprochen, aber der Arbeitsdruck ist automatisch so hoch, ne, dass man wirklich theoretisch sieben Tage die Woche 24 Stunden arbeiten könnte. Und ich habe auch zwischendurch Monate gehabt, dass ich wirklich sieben Tage die Woche gearbeitet habe. Und dann nicht nur acht Stunden, sondern wirklich, na das waren schon Zehn-, Zwölf-Stunden-Tage dann und da muss ich sagen, das fand ich, selbst wenn man jetzt mal meine, dass das natürlich auch persönlich eine schwierige Zeit ist, für die Familie sehr schlimm, weil ich hab meine Kinder dann nur ganz eingeschränkt gesehen und hab dann versucht, natürlich eine Balance zu finden, dass ich dann samstags morgens mit den Kindern mal Fahrrad gefahren bin, Aktivitäten gemeinsam gemacht hab. Und nach dem Mittag habe ich mich dann ins Auto gesetzt und bin dann bis zwei Uhr nachts dann samstags noch arbeiten gewesen. Und ich kann mich dann erinnern, es war halt wirklich einmal am Stück, mehr als zwei Monate, so dass ich nur Ostersonntag dann mal Pause gemacht hab, ne?

Stebe: Wow. Was hat sie angetrieben? Was hat sie so angetrieben? 

Gerfers: Also, das ist natürlich auch so ein gewisser Teamdruck, weil alle waren da. Das ist ja jetzt nicht so, dass ich als Deutscher, der vielleicht so ein bisschen schon, sag ich mal, sehr fokussiert ist. Das muss man schon sagen. Also als deutscher Ingenieur, wenn ich das jetzt so meinen Klammern sagen darf, der ist schon eigentlich in den USA sehr begehrt, weil die Leute, sagen wir malsind, sehr fokussiert sind, aber nicht nur ihren Teil machen, sondern auch dran interessiert , sondern ein bisschen über den Tellerrand hinauszuschauen, auch ein bisschen da drüber hinaus was zum Team dabei zu geben, und auch vielleicht das Team damit erweitern. Und da ist man schon so ein bisschen ja nicht im Druck, würde ich jetzt sagen, aber automatisch kommt man da rein halt. Und sogar mein Chef, der war Senior VP, also im Prinzip Businessleiter für eine Milliarde an Businessumsatz pro Jahr, und der war samstags auch da. Also das ist irgendwie top down teilweise. Das ist natürlich vielleicht nicht in jeder Silicon Valley Firma so, aber das das ist schon wirklich, sag ich mal, top down. Also das muss man schon sagen. 

Stebe: Was haben Sie während Ihrer Zeit in Silicon Valley gelernt für sich? 

Gerfers: Wie heißt das so schön, Family First. Also wenn man das nicht versucht, selber mit umzusetzen, wird man so von dem, also fand ich zumindest, so von dem Business so irgendwie eingenommen, dass am Ende die Familie da sehr stark drunter leidet. Und das heißt, man muss schon gucken, dass man auch, wenn man Kinder hat, was wir – also ich hab drei Kinder – versucht haben, trotz dieses Drucks auf der in der Arbeit da auch noch ein ordentliches Familienleben auf die Beine zu stellen, sodass halt nicht nur die Kinder und auch Frau dann halt da noch was von haben. Natürlich ist das extrem gut kompensiert also finanziell ist das wirklich,  wenn man da erfolgreich ist und auch da spricht sich natürlich auch rum, dann kommen natürlich auch andere Angebote, aber da merkt man schon, Geld ist nicht alles, ne. Also ab einem gewissen Punkt ist der Verdienst dann so, dass man sagt, okay, wenn ich jetzt noch ein bisschen mehr verdiene, natürlich ist das schön. Wobei ich dann gesagt hab, also mir wäre lieber ein bisschen mehr Freizeit. Also ich hatte die ersten fünf Jahre in den Start-ups zehn Tage Urlaub. Und das heißt also, wenn ich dann mal nach Deutschland gefahren bin und mal für die ein oder anderen Termine, um dann mal vielleicht beim 60. Geburtstag oder 65. Geburtstag meiner Eltern da zu sein, selbst wenn ich das so sehr stark abgekürzt hab, gehen trotzdem ein, zwei Tage verloren. Wenn man dann noch Weihnachten eine Woche Urlaub hat, dann ist der Sommerurlaub damit sehr kurz dann. Und da ist dann teilweise habe ich gesagt, ich hätte lieber mehr Urlaub anstatt was mehr zu verdienen dann. Und das ist aber dann teilweise wirklich sehr schwierig zu bekommen. 

Stebe: Sie haben Karriere im Silicon Valley gemacht und haben sich dann entschieden, zurück nach Deutschland zu gehen, und zwar als Wissenschaftler an eine Universität. Warum? 

Gerfers: Ich glaub, das ist einfach, das ergibt sich so ein bisschen, wenn man halt ein paar Ideen hat und wenn man dann versucht, diese Ideen umzusetzen und sieht, dass es funktioniert. Und dann diese Motivation zu sagen, oh, das war eine gute Idee, ich konnte jetzt den, von mir aus Stand der Technik in irgendeinem Bereich so signifikant verbessern und dass das in einem Patent oder dann in Geräten eingebaut wird. Wenn man das dann sieht, dass das so ein Erfolg hat, das motiviert einfach. Und dazu kommt natürlich, dass ich als Wissenschaftler auch die Freiheit hab, gewisse Sachen dann oder Richtungen einzuschlagen, die mir gerne oder die mir in dem Fall gefallen. Und diese Kombination, dass ich, sage ich mal, definieren kann, in welche Richtung es geht und gerade diese Motivation, wenn man dann halt Sachen sieht, die wirklich funktionieren. Also dass man das sieht, das ist schon, fand ich, immer sehr reizvoll und das ist dann halt so eine Schleife, dass man, wenn man da einmal mit angefangen hat, da gerne auch weitermacht. Und das ist auch im Augenblick am Lehrstuhl so, dass noch viele Sachen von denen, die wir hier jetzt entwickeln, viele Ideen sind, die sich jetzt in den letzten Jahren so irgendwo ergeben haben, hatte aber natürlich nie Zeit, die dann wirklich mal umzusetzen, weil in der Industrie ist das ja kaum möglich. Man hat da so enge Zeitpläne, dass ich natürlich schon die ein oder andere Sache damals in Start-ups umgesetzt habe und das hat das Start-up auch sehr hoch gewertet, dass da quasi nebenbei gewisse Verbesserungen gemacht wurden. Aber hier habe ich natürlich die volle Flexibilität, das dann umzusetzen. 

Stebe: Jetzt sitzen wir hier an der TU Berlin. Wie erklären Sie einem Kind oder Ihren Kindern, woran Sie gerade forschen? 

Gerfers: Also das Allereinfachste hat mein Sohn gesagt. Also ich habe ja, bevor ich hier hingekommen bin, noch bei Apple gearbeitet, und das ist natürlich also auch grade an der Mobilkommunikation, und das ist natürlich, sagen wir, für Kinder grade in heutzutage ein ganz einfaches Bild, wo man sagen kann, okay, ich arbeite an Schaltungen, die in einem Handy sind, die zu dazu dienen, dass Du deine Daten, also Bilder, Voice, also Sprache, möglichst schnell, möglichst weit übertragen kannst und mit einer guten Verbindung. Und das ist halt so ein, find ich, so ein ganz einfaches Beispiel, weil heute Handys sehr, sehr weit verbreitet sind, gerade bei Kindern natürlich schon. Und da kann man dann halt relativ gut erklären, wie kommen jetzt ohne eine elektrische Verbindung die Daten von meinem Telefon zu jemand anderes Telefon? Und das ist das, was wo ich dran unter anderem arbeite, genau.

Stebe: Es geht darum, Datenmengen noch schneller, noch effizienter zu übermitteln. Daran arbeiten Sie. 

Gerfers: Genau und der Schwerpunkt ist genau das, was Sie zuletzt gesagt haben, Effizienz. Weil grade wenn man mal sieht, also wir haben heute schon sehr, sehr gute Übertragungstechniken. Aber wir wollen halt natürlich, weil die Datenmengen werden größer mehr Bilder. Sie können sich vorstellen, alle Leute streamen heute live irgendwie Hulu, Youtube, grade meine Kinder halt auch. Und das heißt, die Datenmengen werden immer größer, die ich in einer gegebenen Zeit quasi übermitteln möchte. Und wenn jetzt diese Schaltungen brauchen nicht pro übertragenes Bit besser machen kann, also die Effizienz besser machen kann, müssen Sie quasi eine riesige Batterie mit Ihrem Telefon mitschleppen, um das zu ermöglichen. Das heißt, was wir machen müssen, wir müssen nicht nur mehr Daten in einer kürzeren Zeit so übertragen, sondern das Ganze muss auch eben verlustleistungsärmer passieren. Also die Effizienz pro übertragenem Bit muss einfach besser werden, damit sie eben halt Batterielaufzeiten bekommen, die zumindest mal so sind, dass Ihr Handy das den Tag übersteht. 

Stebe: Ist auch ein Riesenthema grade, ne? Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, denken Sie auch so sozusagen die größere Nummer, Klimaschutz. Was können wir tun? Was können wir tun, um mit weniger Energieeinsatz vielleicht mehr zu erreichen? 

Gerfers: Im Prinzip ist das genau das, nur dass im Augenblick, also die Firmen, mit denen ich zusammenarbeite, die haben immer noch das Ziel, mehr Daten. Also es ist im Augenblick nicht so, man könnte natürlich zwei Wege gehen. Einmal zu sagen, ich will die gleiche Datenmenge übertragen, zehn Gigabit, was auch immer, und möchte einfach nur die Verlustleistung oder die Effizienz um Faktor zehn verbessern. Im Augenblick ist halt immer noch, Sie wissen, die 5-G-Thematik ist natürlich jetzt in aller Munde. Das heißt, ich will halt Daten noch mit einer höheren Bandbreite in der gleichen Zeit übermitteln. Und dazu kommt noch nicht nur das, sondern Sie möchten auch, wie heißt das so schön, sehr schnelle Reaktionszeiten. Das heißt, Sie können sich vorstellen, Sie möchten ein Bild runterladen und Sie wollen nicht erst mal zehn Sekunden warten, bis der Download beginnt. Das heißt, also die Reaktionszeit von dem Zeitpunkt, dass ich sage, ich möchte mir das Bild anschauen, bis es dann am Ende wirklich da ist, die soll halt auch noch kürzer werden. Das heißt also, die Reaktionszeit des gesamten Netzes muss auch noch schneller werden. Und deswegen ist es halt schon so, dass es da aus meiner Sicht wirklich Optimierungspotenzial sowohl in der einen als auch in der anderen Richtung gibt, nämlich dass man sagt, okay, wir können jetzt mal mit der Datenmenge und der ganzen Bandbreite leben, aber wir möchten jetzt halt einfach noch mal die Effizienz noch weitertreiben. Es gibt halt Berechnungen, die hochrechnen, dass wenn der Datenverbrauch so weiter ansteigt, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die Hälfte der Kraftwerke Deutschlands oder weltweit nur dafür arbeiten, Daten von A nach B zu übertragen. Und da kann man schon dran sehen, dass es auf jeden Fall, wenn man da einen Faktor zwei gewinnt, dass das halt eine signifikante Verbesserung liefern würde. Das gilt jetzt natürlich nicht nur aus meiner Sicht für die Mobilkommunikation, was einer der Schwerpunkte hier ist. Aber Sie können sich vorstellen, bis die Daten zu Ihrem Mobilfunkmast kommen, da werden dann nicht nur ein Telefonat oder ein Datenfluss übertragen, sondern viel, viel mehr. Das heißt, da gibt es dann auch noch eine optische Datenübertragung. Und das muss also im gesamten Netz, also nicht nur bei der mobilen Kommunikation, sondern in der optischen Datenübertragung, an der wir hier auch arbeiten, also im Prinzip in der ganzen Kette nach meiner Meinung passieren, um das wirklich optimal umsetzen zu können an der Stelle.

Stebe: Und dafür brauchen Sie dieses hochmoderne Testlabor? 

Gerfers: Also mein Lehrstuhl hat einen sehr, sehr weiten Bereich, weil wir erarbeiten Ideen, wie können wir diese Energieeffizienz umsetzen oder erreichen? Und dann müssen wir natürlich das auch in der Hardware zeigen. Das heißt, wir übertragen diese Ideen in eine integrierte Schaltung, die wird dann auch hergestellt. Und diese Herstellung, dann wird auch anschließend ein Testboard generiert, das man auch wirklich nachprüfen kann, okay, von früher warten wir zehn Milliwatt, heute nur noch ein Milliwatt. Das heißt, wir können wirklich messen, dass wir bei dem gleichen Datendurchsatz einen Faktor zehn besser sind oder die Daten schneller übermitteln. Das heißt, wir machen wirklich den Proof of Concept, also den Demonstrator, der wirklich nachweist, dass unsere theoretischen Ideen umgesetzt wurden in eine Hardware und die das dann auch nachweist sozusagen. Und deswegen, um diesen Nachweis anzutreten, brauchen wir natürlich auch die entsprechende Messtechnik. Und das heißt, wir haben hier wirklich, wie Sie gerade schon gesagt haben, eines der bestausgestatteten Labore hier, die dafür geeignet sind, Mobilkommunikationschips oder ICs oder integrierte Schaltungen, je nachdem, wie man das bezeichnen möchte, nicht nur designen kann und herstellen lassen, was ja oft heutzutage in Taiwan passiert oder auch bei Intel oder GlobalFoundries, vielleicht andere Namen, die da ein bisschen bekannter sind, herstellt und die wir dann am Ende charakterisieren mit den entsprechenden Messgeräten. Und dazu braucht man dann hochgenaue und insbesondere Verstärker oder Laborequipment, die dann auch eine extrem hohe Bandbreite haben, um, wie wir grade schon gesagt haben, auch diese Bandbreiten, die wir dann im Mobilfunk übertragen wollen, auch vermessen zu können und auch nachweisen zu können. 

Stebe: Was ist so Ihr Traum? Was ist Ihr Wunsch? Was wollen Sie mit Ihrer Forschung erreichen? 

Gerfers: Ja gut, wissenschaftlich ist es natürlich so, dass Deutschland nicht mehr sichtbar ist im Bereich Mobilkommunikation. Sie kennen die Diskussion Huawei und so weiter. Es gibt keine großen deutschen oder europäischen Unternehmen mehr, die in dem Markt führend sind beziehungsweise selbst mithalten können. Und das ist eine Art Leuchtturmwirkung für Deutschland, vielleicht um noch mal wieder zu sagen, ja, wir sind doch nicht so weit weg, vielleicht nicht führend, aber wir können schon mithalten und vielleicht mit den einen oder anderen Ideen zumindest mal in gewissen Bereichen da vielleicht auch weiterhin weltweit führend zu sein und das wieder zu zeigen. Dafür fahren wir dann auch zu Konferenzen nach San Francisco, um halt international auch natürlich in der Competition, also im Konkurrenzkampf, zeigen zu können, oh, da sind ein paar gute Ideen und wir können das ein oder andere wirklich weltweit mithalten. Und das ist schon so mein persönliches Ziel, wissenschaftlich sichtbar zu sein. Also relevante Forschung zu machen, relevant heißt für die Gesellschaft. Das heißt, Mobilkommunikation ist wahrscheinlich heute mit 95 Prozent oder 90 Prozent der Menschen in Deutschland relevant und da macht man halt relevante Forschung und die ist auch direkt Anwendung findet. Und da ist man, natürlich weiß keiner, dass ich jetzt vielleicht in dem Thema genau arbeite, aber in der Community sieht man das schon. Das ist halt natürlich für einen schon befriedigend, wenn man weiß, dass man an der Stelle richtig relevante Sachen machen kann. 

Stebe: Und vorne dran ist. Wie gehen Sie mit Fehlschlägen um? Wenn mal was nicht klappt, wenn mal eine Schaltung nicht klappt, wenn …

Gerfers: Ja, also das ist was, was man natürlich schon früh auch lernt im Studium beziehungsweise bei mir selber. Ich habe natürlich auch, wie meine Mitarbeiter auch angefangen, Chips gebaut und versuche das natürlich meine Erkenntnisse und das ist grade, wenn man diese Analog Mixed Signal Schaltung macht, da gibt's sehr viele, sag ich mal, Pitfalls, also im Prinzip Punkte, wenn man die nicht beachtet, dass es da sehr schnell zu Problemen führt. Und das ist nicht so, dass hier jeder Chip funktioniert. Also wir haben tatsächlich schon mehrere sowohl in dem analogen Bereich als auch im digitalen Bereich schon Punkte gehabt, wo wir gesagt haben, das hätte funktionieren müssen, hat aber nicht, sodass wir nachher uns das noch mal angeschaut haben und tatsächlich gesehen haben, oh, wir haben da irgendwas nicht bedacht. Und das ist halt einfach, was ich auch versuche, meinen Mitarbeitern auf dem Weg zu geben, das so gut wie möglich vorab zu überprüfen, gerade wenn's dann so auf so einem Tboard, Tboard heißt in dem Fall, dass wir diesen Chip fertigen lassen wollen, dass ich da dann halt schon versuche, viel Zeit zu investieren, halt diese Sachen dann wirklich in einem Review. Also wir schauen uns das dann gemeinsam an, auch mit dem ganzen Team, was dann auch allen anderen hilft, vielleicht bei der eigenen Phase oder in der Entwurfsphase dann das mit einzubeziehen. Und aber dass es halt dann auch zu Fehlschlägen kommt und vielleicht auch ein Risiko für eine Promotion dann darstellt. Weil das ist ja das Ziel eigentlich vielen der Mitarbeiter hier am Ende mit einer neuen Idee und den Publikationen dann eine Promotion zu bekommen, dass man damit leben muss und dann in einem zweiten Lauf das dann hoffentlich ausmerzt, dass es dann halt dann funktioniert. Und oft ist es so, ab und zu ist es dann halt aber auch nur so am Rande, dass man dann grad sagt, okay, die Performance ist na ja, ist jetzt nicht super, aber da kann man mit leben. Und das hat natürlich dann wieder Auswirkungen auf die Qualität der Publikationen und damit wieder auf unsere Sichtbarkeit. Weil ich kann natürlich mit ein paar Ideen dafür sorgen, dass wir eine gewisse Sichtbarkeit haben, aber wenn man da ehrlich ist, ist das das Team, was hier wirklich zählt. Also zusammen mit mir, die Mitarbeiter und auch gar das Können und das Know-how und auch dies, wie heißt das so schön, in den USA, die Dedication, also wirklich wie intensiv arbeitet man, versucht man das dann fertigzustellen und da das hat schon dann nach außen die Außenwirkung. 

Und deswegen ist es halt auch so wichtig, dass man gute und brillante Studenten bekommt, was im Prinzip heutzutage auch nicht mehr so einfach ist. Weil Sie können sich vorstellen, wir haben hier im Augenblick in der Fakultät Elektrotechnik, Informationstechnik, Informatik bei uns sehr, sehr viele Professoren mit interessanten Themen. Sie haben gerade schon angesprochen im Prinzip Green Energy und da haben wir zum Beispiel Batterieforschung, ganz, ganz relevant für elektrische Autos und so weiter. Machine Learning ist heut in aller Munde, arbeiten wir auch an gewissen neuronalen oder neuromorphen Chips. Das ist halt auch ein ganz, ganz interessantes Thema, gerade wenn man diese Mixed Signal, also analog und digital vermischen kann, ist gerade so Machine Learning Hardware, die optimal ist, ein ganz interessantes Thema. Und das zieht natürlich auch Studenten, aber wenn man jetzt halt das vielleicht so ganz einfach sagen würde, dass wir hier Schaltungen bauen, ist nicht mehr attraktiv. Das heißt also, wir versuchen schon Systeme zu entwickeln, dass wir wirklich zum Beispiel von der Antenne bis hinten zum digitalen Bit wirklich diese ganze Sendekette bauen und da wirklich zeigen können, dass wir da halt Bandbreite, MIMO-Systeme, ist ja heute auch in aller Munde, so was wirklich mit ganz innovativen Konzepten umsetzen können. 

Stebe: Was haben Sie aus der Forschung über das Leben gelernt? 

Gerfers: Also da gerade genau den Punkt, den Sie grade angesprochen haben, mit Rückschlägen zu leben. Und sich davon auch nicht abhalten zu lassen, sondern, wie nennt sich das so schön, Wadenbeißer zu sein und ruhig auch dann noch mal einen zweiten und dritten Versuch angehen, um zu gucken, ist es denn wirklich so? Oder lag's halt an Fehlern, die wir gemacht haben. 

Stebe: Und Sind Sie ein Wadenbeißer?

Gerfers: Ein bisschen würde ich schon sagen. Ja, ja, also ich, das erinnert mich immer so an Berti Vogts, so ein bisschen. Also ja, also ich denk schon, dass ich so ein bisschen … Also das ist aber auch so ein bisschen, glaube ich, ein Muss, wenn man Professor werden will. Und man fängt ja auch klein an. Man muss den Lehrstuhl von null aufbauen, in dem Fall hier in Berlin und das braucht natürlich auch eine gewisse Zeit und man muss da natürlich auch schauen, dass das dann effizient und schnell passiert und gerade dann solche Ideen sind dann natürlich Wissen, da muss man dann auch dranbleiben. Und das würde ich schon sagen, dass ich das so ein bisschen da auf jeden Fall ein kleiner Wadenbeißer an der einen oder anderen Stelle schon mal bin, genau. 

Stebe: Darüber hinaus, mit Ihrer Erfahrung, welche Fragen sollten sich Wissenschaftler aus Ihrer Sicht immer stellen?

Gerfers: Hm. Also zum Beispiel hier ist es natürlich so, dass wir in Berlin halt nicht militärische Forschung zum Beispiel machen können. Das heißt, kann ich das mit meinem Gewissen vereinbaren zum Beispiel? Dieses Problem habe ich an der Stelle nicht, weil wir das hier grundsätzlich nicht machen und wir auch dann eben halt gesellschaftlich relevante Forschung. Also das finde ich ein wichtiges Thema, dann kann ich mich damit identifizieren, was ich mache. Also wenn ich jetzt integrierte Schaltungen für Raketen und Missiles bauen würde, ist vielleicht auch relevant, aber würde ich vielleicht nicht mehr ruhig schlafen, sag ich jetzt mal. 

Stebe: Also schon eine moralische Folge auch. 

Gerfers: Ja, das finde ich schon eine ganz wichtige Sache, dass man damit leben kann, was man macht. Und eher neue Sachen kreiert beziehungsweise die Gesellschaft nach vorne bringen und nicht die Gesellschaft zerstören oder Gesellschaften zerstören können. Das also das finde ich ein wichtiges Thema. Ist jetzt vielleicht nicht unbedingt das Einzige, über was man sich da Gedanken machen sollte, aber dass man damit gut leben kann und dass das auch relevant ist. Spaß macht's wahrscheinlich sowieso, egal was man macht, weil das sucht man sich ja aus. Als Professor habe ich ja die Freiheit meiner Forschung. Das heißt, ich kann die Themen, soweit ich jetzt dann eben nicht militärische Forschung mache hier, machen, aber wenn man global deutschlandweit das sieht, da gibt's schon Universitäten, die da halt sehr, sehr stark militärische Forschung machen. Und da ist das Gewissen auf jeden Fall ein Punkt, den ich zum Beispiel, wo ich kein Problem mit hab an der Stelle mehr. 

Stebe: Vermissen Sie manchmal Ihre Gummistiefel vom Bauernhof?

Gerfers: Oh ja, also deswegen sage ich, man hat wirklich die Gummistiefel gebraucht. Das war ja nicht so, dass man die dann, wenn man dann halt wirklich früher Schweine gemistet hat, dann brauchte man die und das ist natürlich was, wo ich auch in meinem Studium sehr gut abschalten konnte. Also ich meine, wenn man dann halt lernt für zum Beispiel theoretische Elektrotechnik, die sehr, sehr theoretisch mathematisch ist und wenn man dann nach Hause kommt und da mit den Tieren zusammenarbeitet, das ist was, wo ich hervorragend abschalten konnte. Und das hat mir dann auch gefehlt, als meine Eltern dann so langsam den Bauernhof dann, weil mein Vater auch irgendwann auch arbeiten ging und hab dann teilweise ich dann mit meiner Mutter und meinem Bruder zusammen den Großteil dann übernehmen müssen und als das dann aufhörte, muss ich gestehen, hat mir das auch ein bisschen gefehlt, weil da man hat sich da so sein Leben lang dran gewöhnt und das war immer ein Teil vom Leben gewesen. Und deswegen muss ich sagen, vermisse ich das schon so ein bisschen ab und zu. 

Stebe: Das sagt Einstein-Professor Friedel Gerfers vom Lehrstuhl Mixed Signal Circuit Design an der Technischen Universität. Herr Professor Gerfers, vielen Dank für das Gespräch. 

Gerfers: Sehr gern.

Stebe: Ich wünsche Ihnen auch ein paar Gummistiefeltage.

Gerfers: Ja, das würd mich freuen, ja. Vielen Dank auf jeden Fall. 

Stebe: AskDifferent, das ist der Podcast der Einstein Stiftung. Wir stellen in diesem Podcast Menschen vor, die anders fragen und so ziemlich viel erreicht haben, nicht nur in der Forschung. Danke fürs Zuhören, danke fürs Abonnieren dieses Podcasts. Mein Name ist Leon Stebe und ich sage tschüss, ciao und bis zum nächsten Mal.