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#AskDifferent - der Podcast der Einstein Stiftung

#AskDifferent – der Podcast der Einstein Stiftung
In der Podcast-Reihe #AskDifferent erzählen geförderte und mit der Stiftung verbundene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von den kleinen Schritten und großen Zufällen, die zu einer außergewöhnlichen Laufbahn geführt haben. Wir wollen wissen: Was treibt sie an, anders zu fragen, immer weiter zu fragen und unsere Welt bis ins kleinste Detail zu ergründen?

#24: Anna Löwa

Bleibt kreativ!

Porträt von Anna Löwa
Foto: privat

Mini-Organe aus der Petrischale: Die Biotechnologin Anna Löwa beschäftigt sich in ihrer Forschung mit sogenannten Organoiden, speziellen Zellkulturen beispielsweise des Gehirns oder der Lunge. Diese Organoide können die Strukturen und Funktionen einzelner Organe darstellen und damit einen Zugang zur Erforschung und Behandlung menschlicher Erkrankungen ermöglichen. Die junge Wissenschaftlerin ist Postdoc am Einstein-Zentrum 3R für alternative Methoden in der biomedizinischen Forschung. Das Zentrum will die Übertragbarkeit von Laborerkenntnissen auf den Patienten verbessern und damit gleichzeitig den Tierschutz stärken. Um kreativ zu bleiben, rät sie jungen Forschenden und Studierenden, regelmäßig die Perspektive zu wechseln und bewusst vom Forschungsprojekt Abstand zu nehmen. Foto: Privat.

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Intro: Es ist natürlich das, was Menschen dann denken. Okay, ein Gehirn in der Petrischale kann das eigenständig denken. Geht das so weit, dass ich jetzt irgendwann so einen Menschen nachbauen kann und der kann auch noch denken und kann vielleicht irgendwas steuern. Klar, die Neuronen feuern, die kommunizieren miteinander, aber sie haben kein Gefühl, so.  Und es geht dann aber eher in die Richtung, wenn wir über ethische Bedenken sprechen, wie weit treiben wir die Entwicklung der Gehirnentwicklung, die wir da in der Petrischale durchführen? Ask Different. Der Podcast der Einstein Stiftung mit Nancy Fischer. 

Nancy Fischer: Und was machen Sie so beruflich? Ach, wissen Sie, ich züchte Minigehirne in Petrischalen und erforsche damit Krankheiten. Und selbst? Genau so ungefähr stelle ich mir das vor, wenn die Biotechnologin Dr. Anna Löwer sich auf einer Party vorstellt. Und wenn meine Zusammenfassung stimmt, dann haben wir viel zu besprechen in der nächsten halben Stunde. Denn natürlich soll uns Anna Löwa ein wenig mehr erzählen von diesem spannenden Gebiet der Organoide. So heißen nämlich die Hirn- oder Lungenzellen, die aus Stammzellen entstanden sind und in Petrischalen wachsen. Und auch über ihren persönlichen Weg als junge Wissenschaftlerin, auf dem noch immer ziemlich männlich besetzten Gebiet der Biotechnologie, wollen wir sprechen. Anna Löwa hat das studiert, Biotechnologie an der TU und an der FU in Berlin. Am Max Dellbrück Center hat sie dann geforscht und ist heute am Institut für Pneumologie und Infektiologie der Berliner Charité zu Hause. Und sie ist als Postdoc bei den EC3R Juniors angebunden, dem Einstein Center 3R. Wofür die drei R stehen und was dort genau passiert, besprechen wir alles in dieser Folge und damit endlich: Herzlich willkommen Anna Löwa. Schön, dass Sie bei uns sind. 

Anna Löwa: Dankeschön. Ich freue mich auch. 

Fischer:  Wie würden Sie denn selbst Ihren Job auf einer Party beschreiben? 

Löwa: Ja, eigentlich ist es wirklich tatsächlich so, wie Sie es beschrieben haben. Es beginnt immer mit „Ich züchte kleine Miniorgane“, dann fangen Leute immer direkt an zu fragen „um Gottes Willen, was ist denn das? Frankenstein 2.0?“ Und dann muss man natürlich in die Tiefe gehen und noch ein bisschen genauer erklären, denn wir züchten keine Organe in der Petrischale nach, sondern nur einzelne Mikrostrukturen. Und das braucht dann ein bisschen Erklärung, aber es ist einfach anschaulicher, um für den Einstieg für die Leute, das dann mehr oder weniger wirklich verstehen und greifen zu können. 

Fischer: Diese Miniorgane, an denen sie forschen, die Organoide, die sind ja ungefähr so groß wie eine Linse, so muss man die sich vorstellen. Wie würden Sie denn einem Kind erklären, was da drin los ist in so einem Organoid? 

Löwa: Das ist eigentlich super spannend, weil wir haben teilweise sogar welche, die sind nicht mal so groß wie eine Linse. Also wir sind hier wirklich bei der Lunge im Mikrometer Bereich, also 100 Mikrometer, 200 Mikrometer. Das heißt, man kann es gar nicht mit dem bloßen Auge teilweise sehen. Bei dem Gehirn ist es wirklich wie so ein kleiner Popel in der Petrischale, sage ich immer. Das heißt, das sieht man schon. Wenn jetzt Kinder dabei sind und das ist ganz lustig, weil meine Nichte und mein Neffe da auch sehr interessiert immer dran sind, ist es eigentlich, die Zellen wissen ganz genau, was sie zu tun haben. Das heißt, was da drin vorgeht ist, die Zellen kommunizieren miteinander und organisieren sich so, wie in einem echten Gewebe. Und deshalb sind die Organoide heutzutage auch so unglaublich spannend für die Forschung und interessant. Zum einen, um die Organentwicklung zu untersuchen, und zum anderen, um die Modelle zu verwenden, um Krankheiten zu erforschen, um Medikamententestungen durchzuführen usw. 

Fischer: Also Sie wollen ja im Prinzip wissen, wenn ich es noch mal zusammenfasse, wie infektiös auch ein Virus sein kann für bestimmte Organe und das an ihrem Fachgebiet, also der Lunge. Inwiefern helfen Ihnen denn dann diese Miniorgane in der Petrischale beim Erforschen? 

Löwa: Wir haben das Problem, dass wenn wir über, ich meine, das hat ja die Covid-19-Pandemie ganz klar gezeigt. Wir haben viele Infektionen, die weltweit wirklich hohe Morbiditäten und Mortalitätsraten hervorrufen und man muss immer noch sagen, dass weltweit die Lungenentzündung immer noch die dritt häufigste Todesursache ist, vor allem bei älteren Menschen und bei Kindern unter fünf Jahren. Und da ist es halt immer interessant, wie können wir jetzt solche Lungenentzündungen erforschen? Welcher Erreger löst das aus und was passiert da eigentlich? Der Goldstandard ist dabei immer noch die Verwendung von Tieren. Und das hat gerade auch die Covid-19-Pandemie gezeigt, denn als man dann angefangen hat, ok, da ist ein neues Virus, wir müssen da jetzt mal genauer hingucken, inwieweit das Virus infektiös ist, und man hat Mäuse infiziert, war da nicht viel zu sehen, weil Mäuse sich nicht infizieren lassen. Und das hat eigentlich recht schön auch diese 3D-Modelle oder Organmodelle vorangetrieben, denn auf einmal haben alle Labore weltweit ihre ganzen Organmodelle wirklich mal in die Anwendung bringen können, also Infektionen durchgeführt mit einem neuen Erreger. Und das war, glaube ich, so ein bisschen schon auch der Durchbruch, denn was können wir anhand unser Organmodelle lernen, was wir vielleicht in dem Tier nicht lernen können. Und das ist der große Vorteil von Organmodellen, den wir uns immer wieder vor Augen führen müssen, auch über Covid-19 hinweg. Also bestimmte Medikamente wirken in dem Tier einfach ganz anders als in einem Menschen. Und es ist nicht ohne Grund, dass 80 Prozent der möglichen Medikamente, die entwickelt werden, durchfallen, wenn sie dann in die klinische Phase gehen, nachdem sie in der präklinischen Phase an Tieren getestet wurden. Das heißt, wir wollen gerade in dem Einstein Center vor allem fördern, was machen wir genau im menschlichen Krankheitsmodell, was passiert da genau. Und das dann wirklich für neuartige Therapieansätze nutzen. 

Fischer: Sie sind ja eingebunden in dem Einstein-Zentrum 3R, also 3R, als Postdoc bei den Juniors. Und diese 3R, die stehen für Replace, Reduce und Refine, also bezogen auf Tierversuche. Die sollen ersetzt, reduziert und verfeinert werden. In Bezug auf Ihre Forschung heißt das, braucht es im besten Fall irgendwann gar keine Tiere mehr, oder? 

Löwa: Ja, das ist so die Idee, die Wunschvorstellung, aber letztlich ist das jetzt noch nicht möglich. Wir haben einfach wirklich von den Behörden Auflagen, wie neue Arzneimittel getestet werden müssen. Und da ist einfach noch die Maus oder das Tier der Goldstandard. Und wir versuchen jetzt verstärkt auch das in der präklinischen Studie, in der normalerweise das im Tiermodell läuft, die Studien zu ergänzen mit unseren Organmodellen. Und ich denke, dass genau das, was ich ja gerade schon gesagt habe, die Covid-19-Pandemie hat, gezeigt okay, unsere Organmodelle können sinnvoll und hilfreich sein, um herauszufinden, wie ein Erreger sich verhält. Ich denke, wir werden auch immer offener. Auch die Europäische Arzneimittelkommission wird offener, sich die Daten und die Studien anzugucken mit Organmodellen. Aber das braucht wirklich noch viel Zeit. 

Fischer: Sie haben es ja gesagt, Sie sind jetzt bei der Lunge, so sagt man es ja dann im Jargon. Vor ungefähr einem Jahr, also im Sommer 2021, Ihren Job gewechselt. Vorher haben Sie sich mit dem Gehirn beschäftigt. Warum fanden Sie denn die Lunge dann spannender? Weil das ist ja eigentlich ein ungewöhnlicher Schritt, dass man so wirklich mal einmal komplett den Fachbereich noch mal wechselt oder das Organ. 

Löwa: Ja, tatsächlich habe ich sogar zweimal den Fachbereich gewechselt, weil ich in der Doktorarbeit an der Haut geforscht habe, an Neurodermitis, bin dann in Gehirnrichtung gegangen, es war unglaublich spannend, war total interessant. Das Gehirn ist ein faszinierendes komplexes Organ. Und ich hatte dann tatsächlich aber das Angebot zu wechseln für eine längere Stelle und dann muss man sich überlegen, karrieretechnisch ist das natürlich immer fragwürdig. Wechselt man jetzt noch mal seinen Bereich, seinen Fokus, sein spezifisches Organ, gerade in der Organoidforschung. Aber grundsätzlich funktionieren nicht alle gleich, das nicht. Aber das Prinzip dahinter ist recht ähnlich und es sind dann andere Faktoren, um die Zellen zu stimulieren, in eine bestimmte Richtung sich zu entwickeln. Aber letztlich bleibe ich dem Organoidfeld treu und damit ist das nicht karrierestörend. Aber ich hatte eben dieses Angebot und da kommen wir wieder auf Frauen in der Wissenschaft und Absicherung und wie geht man mit Stellen um. Es ist einfach schwierig. Wenn man ein Angebot bekommt, für vier Jahre, ist das schon fast unschlagbar und da muss man sich genau überlegen, inwieweit will man jetzt weiterfahren und was bringt mir das karrieretechnisch auch, werde ich da gefördert in Richtung Professur, habe ich da jemanden, der mich unterstützt? Und so eine Möglichkeit wie die Einbindung in das Einstein Center sind auch unglaublich gute Möglichkeiten. Da ist extrem viel Förderung für Nachwuchswissenschaftler da. Da wird gefördert, dass man auch in andere Labore gehen kann weltweit und gucken kann, was machen die eigentlich? So eine Sache muss man sich eben auch überlegen und dann muss man das geschickt in seinen Lebenslauf einpacken. Genau.

Fischer: Das ist auf jeden Fall ein Punkt, auf den wir gleich noch zu sprechen kommen wollen, das generelle Thema Frauen in der Wissenschaft. Ich habe noch eine letzte Frage zu den Organoiden, denn Begriffe, wie das Gehirn in der Petrischale, die werden da ja auch immer wieder geäußert in diesem ganzen Kontext. Und auch zusammen mit ethischen Bedenken. Haben Sie die auch manchmal, wenn Sie an ihren Organoiden forschen? 

Löwa: Also bei den Lungenorganoiden ist jetzt keine ethische Problematik zu sehen. Also wir isolieren für unsere Lungenorganoide die Lungenzellen aus humanem Gewebe, was wir bekommen von Operationen. Also es sind eigentlich Wegwerfmaterialien, die normalerweise wirklich nach der Operation in der Tonne landen. Das heißt, wir verwerten noch Material, wenn die Patienten einwilligen. Hier ist ethisch gar nichts bedenklich. Bei den Gehirnorganoiden wird das natürlich oft angestoßen, weil es ist natürlich das, was Menschen dann denken, okay, ein Gehirn in der Petrischale, kann das eigenständig denken? Geht das so weit, dass ich jetzt irgendwann so einen Menschen nachbauen kann, komplex. Und der kann auch noch denken und kann vielleicht irgendwas steuern? Klar, die Neuronen feuern, die kommunizieren miteinander, aber sie haben kein Gefühl. Und es geht dann aber eher in die Richtung, wenn wir über ethische Bedenken sprechen, wie weit treiben wir die Entwicklung der Gehirnentwicklung, die wir da in der Petrischale durchführen. Denn wir müssen ganz klar festhalten, wenn wir über das Gehirn in der Petrischale sprechen, wie gesagt, das sind Mikrostrukturen des Gehirns, die wir abbilden und es sind Neuronen, die kommunizieren. Also wir versuchen ja auch die Funktionen eines Gehirns nachzubilden, aber wir kommen nicht über einen Entwicklungsstadium, so generell, 25. Schwangerschaftswoche. Und das ist nicht ein komplexes Gehirn, das ist sehr wüst angeordnet. Es ist nicht so angeordnet wie beim Menschen. Es werden oft Bilder verwendet, auch gerade das Gehirn von Madeline Lancaster, die Gehirnorganoide groß gemacht hat, die haben gerade Bilder verwendet, die natürlich so aussehen wie ein Gehirn und man denkt, oh Gott, das sieht ja wirklich, oh Gott, das könnte jetzt Maushirn sein, so sieht das aus von den Färbungen, von der Organisation des Gehirns. Es ist es aber nicht. Also es verkauft sich super für Journalisten, weil das sieht einfach toll aus und es ist ansprechend und die Leute haben gleich eine Idee. 

Generell müssen wir aber über die Ethik sprechen und das wird auch vermehrt gemacht. Und gerade in der Gehirnentwicklung und Gehirnforschung ist das ein Aspekt, der immer diskutiert werden muss auch und der diskutiert wird. Aber wenn sich da Forscher hinstellen, und das gab's tatsächlich, und haben gesagt, das Gehirn in der Petrischale, das, was wir da züchten, kann so denken wie ein zweijähriges Kind, dann löst das einfach einen Sturm aus in der Wissenschaft, der nicht gern gesehen wird. Und da werden auch Wissenschaftler zur Rechenschaft gezogen, weil das stimmt einfach so nicht. Und das kann man so nicht sagen. Wir kommen nicht weit, aber wie weit wollen wir noch gehen? Wie weit bringt uns das für die Forschung? Also gerade, wenn wir über Alzheimer reden oder neurodegenerative Erkrankungen, die einfach echt im Alter erst auftreten, dann muss man sich überlegen, da wäre es natürlich für die Forscher toll, ein reifes Gehirn zu haben. Aber wollen wir das wirklich weiter vorantreiben, oder nicht? Das sind da ethische Aspekte. Und wenn man dann tatsächlich mal in der Literatur guckt, in den neuesten, das wird immer wieder diskutiert, wird immer wieder von Forschern angestoßen. Also ich denke, da ist die Präsenz im Gehirn von den Forschern auch sehr stark vertreten, die Ethik. 

Fischer: Sie sind noch eine sehr junge Wissenschaftlerin. Wenn ich sie so sehe, glaube ich das zumindest. 

Löwa: Das sieht nur so aus. 

Fischer: Das glaube ich nicht. Aber trotzdem natürlich schon sehr angekommen in der Wissenschaftswelt, grundsätzlich, weil sie seit vielen Jahren da arbeiten und forschen. Ich würde gerne mal zurückschauen, wie es eigentlich losging. Also manchmal sind es die Eltern, manchmal Interessen in der Kindheit, manchmal Zufälle. Was hat Sie denn zur Wissenschaft gebracht? 

Löwa: Ich habe tatsächlich in Berlin mein Abitur gemacht und an einer Schule in Wittenau, ein Oberstufenzentrum, die haben Biotechnologie als Leistungskurs angeboten. Das konnte man sich damals aussuchen, Lebensmitteltechnologie oder Biotechnologie. Und dann dachte ich mir, Bio lag mir eigentlich immer ganz gut, Ernährung weiß ich nicht, ob mich das so richtig interessiert. Dann habe ich das als Leistungskurs gemacht und es gibt tatsächlich noch eine andere Schule in Deutschland, die das macht. Aber ansonsten sind das deutschlandweit die einzigen zwei Schulen, die es gibt. Und es war so ein bisschen glückliche Fügung, weil ich hatte einen sehr, sehr tollen Lehrer und der hat uns ermöglicht, auch bei „Jugend forscht“ teilzunehmen. Und Jugend forscht war dann so der erste Moment, so sein eigenes Projekt zu entwickeln, mal so wissenschaftlich zu diskutieren, was hat man da gesehen, was bringt das jetzt? Was bringt das der Forschung, was bringt das dem Kenntnisstand? Und das hat mich total fasziniert. Und dann habe ich nach dem Abitur gedacht ich weiß nicht, ob ich mir das so richtig zutraue mit dem Studium. Mathe lag mir, aber trotzdem weiß man ja nie so richtig. Und dann hatte ich mir ein Praktikum gesucht am Robert Koch-Institut, die mich netterweise genommen haben, weil ich eben an einer Schule war, wo ich extrem viel schon gelernt habe, weil ansonsten stört man eigentlich als kleiner Schüler im Labor. Und da habe ich dann gedacht okay, jetzt, jetzt oder nie, ich will das machen, ich will das, ich will Forschung machen. Und es war aber immer in meinem Studium, mache ich jetzt Doktorarbeit und das ist so viel Arbeit und kann ich das? Bin ich gut genug dafür? Ich glaube, das ist eine Frage, die wieder stark weiblich ist. Das Zweifeln, bin ich gut genug? Kann ich das schaffen? 

Fischer: Und da würde ich gerne auch noch mal drüber sprechen. Genau das Thema weiblich. Sie haben in Berlin studiert, Ihre ersten Forschungsjahre auch hier verbracht, an der TU, an der FU und gerade die MINT-Fächer, auch so was wie Biotechnologie, die sind ja bis heute Männerdomänen. Also wie haben Sie das denn erlebt in diesem Umfeld? 

Löwa: Da kann man gar nicht so sagen, weil Biotechnologie an der TU sehr frauenlastig ist. Also wir haben tatsächlich super viele Frauen, die das machen. Dann ist die Frage, wie viele gehen weiter, also wie viele gehen den Weg der Doktorarbeit? Das ist vielleicht auch noch ein hoher Anteil. Wie viele trauen sich dann in die Professur? Da wird es dann halt schon ein bisschen dünner. Man muss aber klar sagen, dass da eine starke Förderung ist, sowohl in der Doktorarbeit, da hatte ich dann beim Mentoring-Programm für Frauen teilgenommen. Da wird schon viel gemacht. Es braucht halt eben ein bisschen mehr Zeit noch, dass sich das ein bisschen stärker noch wandelt. Und man hat natürlich immer viel mit Männern zu tun, richtig. Also alle Vorgesetzten sind eher männlich, oder nicht alle, aber viele. Und selbst die Frauen sind dann… Ich weiß immer nicht, ob man verbittert wird, weil man sich so viel hocharbeiten musste. Gerade die alten Professorinnen hatten einen schweren Weg, glaube ich. Und ich zieh sehr den Hut vor den Damen. Vor allem, wenn man noch Familie haben möchte usw. Aber gerade die MINT-Fächer, ich glaube, da ist eine starke Förderung der Frauen und das ist auch richtig gut. Und ich habe zwei Studentinnen und das sind also sind Mädels und wenig, wenig Studis tatsächlich. 

Fischer: Und Sie gehen ja diesen Weg tatsächlich, also den, den sehr wenige Wissenschaftlerinnen nur gehen, nämlich Richtung Professur. Eine von fünf Personen, die von den Professoren-Status hat, ist eine Frau. Was wünschen Sie sich denn auf Ihrem Weg? Also welche Stolpersteine sollte man am besten jetzt schon wegräumen, von denen Sie schon wissen, vielleicht? 

Löwa: Also Stolpersteine sind eben immer, wenn es um Vereinbarkeit von Familie und Arbeit geht, also wenn man seine Entscheidung trifft und sagt okay, mir ist Familie hier nicht so wichtig und ich mache meine Karriere und pusht die voran, dann ist das eine Sache. Das kann ja jeder für sich entscheiden und das ist auch vollkommen in Ordnung. Trotzdem, Stolpersteine sind hier ganz klar, wann sind die Meetings, also sind die Vorträge um 18 Uhr, kann eine Frau, die ein Kind hat, um 18 Uhr immer an Meetings teilnehmen? Es ist halt schwierig. Also, geht es nicht irgendwie zu organisieren, dass solche Wissenschaftsveranstaltungen auch mal ein bisschen früher stattfinden? Das ist eigentlich so der Hauptpunkt, den wir gerade auch extrem diskutieren. Also in inwieweit funktioniert das eigentlich? Also ich glaube, das ist auf jeden Fall ein Punkt, den ich kritisiere. Also wenn ich eine Einladung bekomme und die ist um 19 Uhr, dann ist das meine erste Kritik. Tatsächlich, kann man das nicht mal früher machen? Es bringt einen ja auch voran. Und Forschung ist Kommunikation mit anderen Forschern. Und das ist ein großer, großer Beitrag, weil es bringt einen voran, über Themen zu diskutieren, über gleiche Probleme in Laboren zu diskutieren. Deshalb gibt es so was wie ein Einstein-Zentrum, damit Menschen aus unterschiedlichen Bereichen, die mit der Lunge arbeiten oder mit dem Darm oder so, mal kommunizieren und mal gucken, haben wir da vielleicht gleiche Probleme? Wie kann man sich austauschen? Und dieser Austausch ist so wichtig. Und wenn der nicht gegeben ist, weil ständig irgendwelche Meetings auf abends gelegt werden, weil dann die Frauen nicht teilnehmen können, ist es halt schwierig. 

Fischer: Dann bleiben die Herren unter sich. Also gerade Kooperation ist noch mal ein wichtiger Punkt. Vielleicht am Ende unseres Gesprächs. Ihnen ist Interdisziplinarität total wichtig. Lasst euch nicht abschrecken, interdisziplinär zu arbeiten, haben Sie mal gesagt. Was gewinnt man denn dadurch? Warum ist das denn so wichtig? 

Löwa: Na ja, man lernt immer noch mal einen anderen Ansatz, an Probleme ranzugehen. Ein Pharmazeut wird ganz anders mit so einem Organmodell arbeiten als beispielsweise eine Biotechnologin. Ich bin die klassische „Ich baue“, also es ist klar, ich verwende das Modell schon für Krankheitserforschung. Aber ich baue da irgendwas zusammen und versuche das Modell zu verbessern. Und Pharmazeuten bringen einem dann bei, okay, was haben wir da für Therapien momentan, inwieweit können wir das sogar vorantreiben? Was ist auch bei der Arzneimittelkommission, was wollen die gerne sehen an Daten oder Sonstiges? Dann die Bioinformatiker: Es ist einfach eine ganz andere Art, zu denken und an Probleme heranzugehen. Und ich habe vorher am Max Dellbrück Zentrum in einer Arbeitsgruppe gearbeitet,  und zwar die Hälfte waren Labormenschen und die andere Hälfte waren Computermenschen, nämlich Bioinformatiker. Und es bringt einen unglaublich voran. Gerade der Austausch und das ist so wichtig, dann in dem Moment auch erklären zu können, was mein Problem ist. Was möchte ich jetzt hier in meinen Zellen sehen oder so. Was muss ich dem Bioinformatik, wie kann ich dem das erklären, dass er versteht, was mein Schwerpunkt ist? Und das sage ich immer wieder zu meinen Studenten. So wichtig, guckt euch andere Gebiete an, kommuniziert mit den Menschen, lernt deren Art und Weise der Problemlösung irgendwie nachzuvollziehen. Weil dann kann man auch extrem schön zusammenarbeiten und dann kann man so ein Projekt auch vorantreiben. Wir schaffen es nicht mehr, diese 3D-Modelle mit ganz, ganz einfachen Analysen, die sie früher irgendwie gemacht haben, ganz einfach Genexpression oder so anzugucken. Wir müssen da viel komplexer rangehen. Wir bauen sie ja auch immer komplexer. Das heißt, wir müssen da wirklich uns austauschen. Und dabei ist Interdisziplinarität so unglaublich wichtig. 

Fischer: Es ist also schwierig, heute in der Forschung, quasi, wenn jeder nur sein Süppchen kocht, sondern man profitiert ja total voneinander. Das natürlich nicht nur zwischen den Forschungsgebieten, sondern auch zwischen Nationen, zwischen Staaten. Sie haben auch ein sehr internationales Arbeitsumfeld, auch wenn die persönlichen Treffen jetzt gerade in den letzten Jahren der Pandemie für alle so ein bisschen zu kurz kam. Da wollen Sie auch gerne wieder loslegen, wenn ich es richtig verstanden habe. Also Konferenzen, Studienaufhalte mitnehmen. Was haben Sie denn so vor als nächstes, Frau Löwa? 

Löwa: Ja, tatsächlich ist jetzt erst mal Mutterschutz geplant. Ich trau mich als Wissenschaftlerin, den Weg in die Familie zu gehen und trotzdem Forschung zu machen. Das heißt, ich muss jetzt Auslandsaufenthalte erstmal zurückstellen. Aber genau. Also momentan habe ich eine ganz großartige Doktorandin, die und eine Studentin auch noch, eine Bachelorantin tatsächlich, die ein Projekt sehr schön vorantreiben und ich weiß, dass es in guten Händen und dann kann man sein Projekt auch abgeben und auch von extern betreuen. Das heißt, das ist jetzt erst mal der Plan und dann steige ich ganz langsam wieder ein und guck wie das, wie ich das hinkriege mit Vereinbarkeit von Familie und Forschung. Und ich hoffe natürlich, dass das Einstein Center den Folgeantrag durchbekommt. Wir haben ja die Finanzierung eigentlich bis 2026, wenn ich mich jetzt richtig erinnere. Und dann müsste man halt gucken, wie weit können wir das weiter vorantreiben. Ich hoffe, dass das weitergeht. Und dann könnte man vielleicht danach noch mal überlegen, ob man mit Kind und Kegel noch mal einen Auslandsaufenthalt oder andere Labore sieht. Aber jetzt? Ich glaube, das wird jetzt langsam der Übergang zu „Ich koordiniere und guck mal, wie mir das liegt“. Und raus aus dem Labor. 

Fischer: Also bei allem Forschen und Strugglen und Arbeiten und ja, auch natürlich Karriere machen und jetzt auch noch Kind bekommen, gibt es da eine Empfehlung vielleicht noch mal von Ihnen als Wissenschaftlerin an andere auch, wie man zwischendurch auch mal abschalten kann, wie man auch mal wieder sozusagen Energie tanken kann? 

Löwa: Ja, man braucht ganz klar Hobbys. Also es geht nicht ohne Hobbys und man muss sich auch ein bisschen zwingen, die zu halten. Ich habe das selber erlebt, tatsächlich in meiner ersten Postdoc-Phase, dieses viele Arbeiten und auch nonstop arbeiten und am Wochenende und so weiter so, da braucht man zum einen große Unterstützung und man muss tatsächlich sich Zeit für sich einräumen, also sei es für Fotografie oder Sport oder sonstiges. Ich glaube, das ist das A und O, und auch nur das Abschalten und Zurücktreten und das Projekt vielleicht aus einer anderen Perspektive betrachten, bringt einem tatsächlich dann Kreativität. Und wir brauchen in der Forschung extrem viel Kreativität. Das gehört dazu. Und ich sage immer, das ist so das A und O, bleibt kreativ, keinen Druck entwickeln. Es ist natürlich total einfach gesagt, weil die Literatur, es wird immer mehr, wir müssten ja eigentlich jeden Tag lesen. Wie wurde mir mal gesagt? Also mindestens vier Publikationen am Tag sollst du lesen. Dann musst du ja eigentlich noch deine Laborarbeit schaffen und vielleicht noch Doktoranden betreuen oder Studenten betreuen. Also man weiß überhaupt nicht, wo oben und unten ist und man verliert sich sehr schnell. Wirklich, Freunde treffen, wenn einem das gut tut, Freunde zu treffen, dann auf jeden Fall forcieren, ab 18 Uhr bin ich raus. Ich treffe meine Freunde, ich schalte ab oder ich gehe zum Sport. Ich mache einen Fotografie-Kurs, ich gucke nochmal irgendwas anderes an, aber nur das, glaube ich, ist hilfreich, um da durchzuhalten. 

Fischer: Dann erst mal herzlichen Glückwunsch nochmal! Und eigentlich viel Erfolg bei all dem, was kommt. Im weitesten Sinne in den nächsten Jahren oder nächsten Monaten vielleicht auch erst mal. Das war eine knappe halbe Stunde mit Anna Löwa, junge Berliner Biotechnologien, die sich mit Organoiden beschäftigt, also Lungenforschung in der Petrischale. Wenn wir es noch mal ein bisschen verknappt sagen. Was das genau bedeutet, haben wir gerade erfahren. Sie tut das seit einem guten Jahr am Institut für Pneumologie und Infektiologie der Berliner Charité. Ganz herzlichen Dank für Ihre Zeit, Anna Löwa! Und alles Gute auf allen Wegen. 

Löwa: Vielen Dank! 

Fischer: AskDifferent haben Sie gehört, den Podcast der Einstein Stiftung. Den finden Sie auf der Website der Stiftung, aber auch überall da, wo es Podcasts gibt, von Spotify bis Apple. Vielen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Nancy Fischer. Ich freue mich aufs nächste Mal. 

AskDifferent, der Podcast der Einstein Stiftung.