#29 - Stefan Hecht
Die Faszination des Lichts
Intro: Wir machen das Küchenlicht an, wir liegen in der Sonne und wärmen uns. Wir funzeln vielleicht auch mit der Taschenlampe in die Nacht oder tanzen zu Laserstrahlen auf einem Rave. Und überall trifft uns Licht. Und während ich mich im Alltag lediglich darüber freue, dass es nicht dunkel ist, sieht der Chemiker Professor Stefan Hecht viel mehr darin. Licht ist für ihn Inspiration, Forschungsgegenstand und auch Faszination. „Also man kann Licht von außen auf ein System wirken lassen, muss dieses System nicht öffnen. Ich könnte jetzt ein geschlossenes Glass hier haben und könnte damit Licht reinprojizieren, genauso wie die wie die Sonne von außen auf unseren Planeten trifft. So ähnlich können wir das uns auch in einem Materialsystem vorstellen. Licht kann aus einem System herauskommen. Das sind alles Eigenschaften oder Charakteristika, die sind besonders. Das ist irgendwie doch ein sehr faszinierendes Thema.“ Und darüber wollen wir sprechen, unter anderem auch über Glühwürmchen, über Solografie und Humor in der Wissenschaft. AskDifferent, der Podcast der Einstein Stiftung mit Nancy Fischer.
Nancy Fischer: Heute mit Stefan Hecht, dem Einstein-Professor für organische Chemie und funktionale Materialien an der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Gründungsdirektor des Center for the Science of Materials Berlin. Schönen guten Tag, Herr Hecht.
Stefan Hecht: Ja, schönen guten Tag.
Fischer: Und wir gehen direkt mal mit Ihnen zurück. Ein paar Jahre gehen wir zurück in Ihre Kindheit. Ihre wissenschaftliche Laufbahn, die hat ja bei „Jugend forscht“ begonnen. Dort haben Sie zu der Bioluminiszenz von Glühwürmchen gearbeitet. Bioluminiszenz, also wenn Lebewesen quasi aus sich heraus Licht erzeugen können. Was hat Sie denn damals daran fasziniert?
Hecht: Ja, das ist tatsächlich wirklich schon sehr lang her. Ich bin jetzt auch nicht mehr der Jüngste, aber das war in den in den Neunzigerjahren, Anfang der Neunzigerjahre, das war kurz nach der Wende und tatsächlich hat mich das kalte Licht fasziniert. Normalerweise ist ja Licht immer mit Wärme auch verbunden. Alle Verbrennungsprozesse erzeugen dann irgendwie Licht. Man denkt ans Lagerfeuer, man denkt an die Glühbirne, die man auch nicht mehr anfassen sollte und nun gibt's mittlerweile auch kühle LEDs. Aber klassisch ist Licht mit Wärme verbunden, aber die Natur kann auch Licht erzeugen. Und dieses kalte Licht, das ist insbesondere in den Glühwürmchen natürlich vorhanden. Das kennen wir auch aus der Tiefsee. Wenn also der Anglerfisch, da gibt's ja wunderbare Bilder, der war da nicht ganz so präsent. Ich habe mich dann also mehr die Glühwürmchen gekümmert. Das war aber auch eher der Aufhänger. Es ging tatsächlich eine photochemische Reaktion. Selber Glühwürmchen in wunderbarer und riesiger Menge habe ich tatsächlich erst im letzten Jahr in Aachen erleben dürfen. Ich war eine Weile in Aachen, kommen wir vielleicht nachher auch noch drauf zu sprechen, und das ist wirklich faszinierend, wenn dann in der Mittsommernacht da so ein Glühwürmchenschwarm um einen drumherum fliegt. Also ist schon interessant.
Fischer: Ja, da sind wir bei der Faszination wieder. Was ist denn so faszinierend für Sie am Thema Licht auch, gerade mit dem Sie ja forschen, am kalten Licht?
Hecht: Ja, ich glaube, dass also ganz prinzipiell glaube ich, dass wir Menschen sehr optisch sind, oder ich zumindest bin ein sehr visueller Typ. Habe da öfter so ein bisschen diese Vermutung, dass, wenn ich Sie zum Beispiel jetzt fragen würde, auf welchen Sinn Sie am wenigsten verzichten wollen würden, das ist natürlich jetzt eine rein hypothetische Frage. Aber Sie können sehen, riechen, schmecken und fühlen dann, klar, würden wir irgendwie Teile dieser Sinne missen, aber vermutlich würden doch die meisten Menschen sagen, dass ihnen ihr Augenlicht am wichtigsten ist. Also wir sind sehr visuell, das ist, glaube ich, wichtig beim Licht und dann hat natürlich Licht aus chemischer Sicht unheimlich viele Reize. Also man kann Licht von außen auf ein System wirken lassen, muss dieses System nicht öffnen. Ich könnte jetzt ein geschlossenes Glas hier haben und könnte damit Licht rein projizieren, genauso wie die Sonne von außen auf unseren Planeten trifft. So ähnlich können wir das uns auch in einem Materialsystem vorstellen. Licht kann aus einem System herauskommen. Das sind alles Eigenschaften oder Charakteristika, die sind besonders. Und ich glaube, die Physik hat ja auch seit Jahrhunderten kann man mittlerweile sagen, kämpft sie mit dem Verständnis des Lichtes. Ist es jetzt ein Teilchen? Ist es eine Welle? Das ist irgendwie doch ein sehr faszinierendes Thema.
Fischer: Wir wollen bei Ihnen gerne natürlich auch ein bisschen tiefer in Ihre wissenschaftliche Laufbahn, in das, was Sie erforschen, aktuell eintauchen. Das sind aber ehrlicherweise aus meiner Sicht so viele Aspekte, dass wir vielleicht am Anfang einmal einen kleinen Überblick brauchen. Vielleicht können Sie das mal am Beispiel von so einem Arbeitstag von Ihnen machen. Wenn wir uns vorstellen, oh, da gab's große Augen, Herr Hecht fängt morgens an im Büro oder im Labor. Wie müssen wir uns das vorstellen? An was arbeiten Sie aktuell konkret?
Hecht: Also ich glaube, der Arbeitstag ist immer sehr divers. Dazu sage ich vielleicht danach dann noch mal auch was Negatives. Ich glaube, es ist sehr schwer, sich zu fokussieren. Ich glaube, dass darin eine Kunst liegt und ich bin immer noch dabei, daran zu arbeiten. Also das ist, glaube ich, ein lebenslanges Werk. Aber was beschäftigt uns? Also wir leben ja in einer Welt und das ist mir, glaube ich, auch ganz wichtig rüberzubringen, in der es sehr viele Herausforderungen gibt. Ich glaube, es ist völlig klar mittlerweile, es war eigentlich auch schon vorher klar, aber es ist in den letzten Jahren oder auch insbesondere seit dem Regierungswechsel noch mal klarer geworden, dass wir in einer Phase leben, in der wir unseren Planeten nachhaltiger bewirtschaften müssen.
Und wenn wir Nachhaltigkeit durchexerzieren, dann geht's insbesondere Energie und die Stofflichkeit der Welt, um Stoffkreisläufe, die wir schließen müssen und dazu braucht man Material. Unsere ganze Welt besteht aus Stoffen. Sie haben einen Bildschirm vor sich. Man fasst etwas an. Man hat ein Kleidungsstück an. Ich schaue durch eine Brille, die ist transparent. Das sind permanent Objekte, die aus verschiedenen Stoffen gemacht sind, verschiedenen Materialien, die unterschiedliche Eigenschaften haben müssen. Und wir müssen nicht nur diese Eigenschaften für neue Anwendungen optimieren, sondern wir müssen natürlich auch diese Materialien besser herstellen. Sie müssen effizienter Energie umwandeln und wir müssen auch schauen, dass wir nicht zu viel Energie darauf verwenden, diese Stoffe herzustellen und dann auch wieder abzubauen beziehungsweise zu recyceln.
Das sind inhärent große Herausforderungen. Die sind auch sehr schön chemisch. Das ist eine gute Nachricht für all die, die vor Chemie keine Angst haben. Es soll auch eine Ermutigung sein für Leute, sich mehr mit Chemie zu beschäftigen. Und im Großen und Ganzen halte ich es für wichtig zu sagen, dass diese Herausforderungen eine Chance darstellen.
Und das ist mir auch wichtig zu sagen, weil ich doch das Gefühl habe, dass heutzutage viele Dinge, die passieren, eben auch gerade für die nächste Generation, nicht grade ermutigend sind. Also einer von meiner Tochter empfohlener Autor liegt hier neben mir. Das ist Mark Manson, es gibt ein sehr bekanntes Buch von ihm und da gibt's ein zweites Buch von ihm, da geht's Hoffnung. Und Hoffnung lebt eben davon, dass man prospektiv ist. Und deswegen halte ich es für sehr wichtig, dass wir diese Herausforderung als Chance begreifen, neue Wissenschaft zu entwickeln, Neues zu lernen und ja, noch vielleicht auch für ein paar Generationen danach, den Planet noch bewohnbar zu haben. Das war jetzt sehr allgemein.
Fischer: Nee, aber das führt uns zu dem nächsten Punkt, weil da haben Sie einen sehr guten Grundstein, den Sie da auch legen beziehungsweise der vielleicht auch schon gelegt ist. Ich weiß nicht, wie weit der Baufortschritt ist, aber Sie sind ja nicht nur Einstein-Professor an der Humboldt-Uni, sondern Sie sind auch Gründungsdirektor dieses neuen Zentrums für Materialforschung. Und wenn ich es richtig verstanden hab, geht's ja genau darum, dass wir sozusagen auf nachhaltige Energien setzen und das ist auch eines Ihrer Forschungsinteressen. Vielleicht haben Sie mal ein Beispiel, wo wir das verstehen. Was können Sie als Chemiker beitragen zur Entwicklung nachhaltiger Technologien?
Hecht: Also generell ist dieses Materialzentrum – da bin ich wirklich sehr, sehr glücklich darüber –, dass wir das jetzt zusammen mit Kollegen, das mache ich ja nicht allein, an der Universität, aber auch an außeruniversitären Einrichtungen, insbesondere in Adlershof und auch zusammen mit einigen Start-up-Firmen entwickeln können. Adlershof ist ein ziemlich starker Fokus auf Energiewandelmaterialien, also Materialien, mit denen man sehr effizient Sonnenlicht in Energie umwandeln kann. Es gibt auch einige Kollegen, die sich um sehr nachhaltige Speicherungsmöglichkeiten kümmern, also Stichwort Batterietechnik, allerdings auf anderen, also nicht auf Lithium basieren.
Und insbesondere ich probiere mich mehr mit dem Aspekt, wie man sehr effizient und nachhaltig Objekte oder Materialien verarbeiten kann. Stichwort Drei-D-Druck, das fällt jetzt vielen Leuten nicht ein. Man denkt an Batterie, man denkt an Solarzelle, aber was hat der Drei-D-Druck mit Nachhaltigkeit zu tun? Es geht darum, dass dieser Traum, der mal in Star Trek geträumt wurde von den Replikatoren, dass der natürlich auch, was Effizienz und was Nachhaltigkeit betrifft hat, durchaus relevant ist. Man möchte doch eigentlich ein Objekt im Idealfall erst dann und dort fertigen, wenn man es braucht. Dadurch spart man extrem Lieferwege, Lagerzeiten, ja, ich möchte jetzt nicht alle Einkaufsläden hier depopulieren. Also über diese Kulturfrage würde ich jetzt an der Stelle nicht reden, aber es hat natürlich einen enormen Vorteil, wenn man Technik an der Hand hat, mit denen man dezentral Objekte fertigen kann. Das ist wesentlich eben nachhaltiger, was den Energieeintrag betrifft, und da gibt's extrem viel zu tun.
Also wir entwickeln eben die Xolographie und mit dieser Xolographie schafft man es, dass man mit Licht im Volumen ein Objekt entstehen lassen kann. Man schreibt es quasi, man druckt es. Und das ist natürlich für mich ein ganz tolles Erlebnis, weil aus einer Grundlagenforschung, aus einer Idee und aus einer Kompetenz, die wir über viele Jahre im Labor aufgebaut haben zu photoschaltbaren Verbindungen, jetzt eben etwas geworden ist, was mittlerweile eine Start-up-Firma ist, wo über 20 Leute arbeiten, wo wirklich Dinge umgesetzt werden und die Zukunft gemacht wird. Ist eine ganz tolle Erfahrung.
Fischer: Finde ich auch spannend in Ihrer Vita, dass Sie sozusagen nicht nur die reine Forschung betreiben, sondern das Ganze auch zu praktischen Anwendungen bringen. Also das ist die Xolo GmbH, die haben Sie gegründet vor vier Jahren oder mitgegründet. Eine Firma, die eben genau wie Sie sagen, eine Xolographie entwickelt, vermarktet, also volumetrischer Drei- D-Druck. Ist das was, wo Sie sagen, ich muss das auch als Forscher irgendwie dann so ein bisschen in die Welt schubsen, weil mir die reine Erforschung dessen nicht reicht? Ich muss dem auch dann quasi ein Produkt hinterhergeben oder warum haben Sie das mitgegründet?
Hecht: Ja, also es ist eine gute Frage. Ich hol wieder ganz kurz aus. Mein Vergleich ist häufig, dass ich sage, ich habe eigentlich auch eine kleine Firma. Da sind Doktoranden, die müssen ja auch irgendwie bezahlt werden. Da gibt's Projekte, Drittmittelprojekte, die da reinkommen. Also das ist wirklich, da wird viel Wissenschaft gemacht. Naturwissenschaften ist auch nicht ganz günstig. Wir brauchen Chemikalien, wir brauchen Geräte und das wird sehr viel mit Drittmitteln bestritten und auch durch die Universität natürlich in größeren Maß gefördert als vielleicht ein Geisteswissenschaftler. Und ich verkaufe im Endeffekt in meinem Job der Grundlagenforschung dem Drittmittelgeber Ideen. Ich bin, glaube ich, relativ gut darauf trainiert worden, Ideen zu verkaufen und grundlegende Sachen zu entwickeln. Und das ist schön und das macht man dann zwei Jahrzehnte und dann sagt man immer, das könnte mal gut sein dafür. Und das ist natürlich extrem befriedigend, wenn man dann auch mal in einem Fall, wo es wirklich passt und stimmt, wo genug Potenzial da ist, dann auch wirklich mal diesen Schritt geht. Das ist für mich eben eine sehr schöne Erfahrung. Da war ich immer neidisch früher auf den Mediziner, der sagt dann eben an der Currywurstbude, ja, ich kann Krebs heilen Und wenn ich dann sage, ja, ich mach Chemie, dann Sie wissen, was dann die meisten Leute damit assoziieren. Jetzt kann ich mindestens sagen, okay, also wir machen Chemie für Drei-D-Druck und da haben die Leute schon mal was von gehört.
Also es ist schon, glaube ich, wichtig, dass man auch drüber nachdenkt, wofür es gut ist, aber es ist auch enorm wichtig, dass man da nicht zuerst drüber nachdenkt. Wir sind an der Universität und die Hauptaufgabe an der Universität ist, insbesondere neue Sachen zu erforschen, aber wir bilden vor allem Leute aus. Und das ist auch das, was am Ende des Tages mir am meisten Freude bereitet, zu sehen, wie sich die Leute entwickeln und welche tollen Ideen die jungen Leute haben. Also ich sehe mich eigentlich mittlerweile mehr als Enabler, damit die jungen Leute ihre Kreativität ausleben können.
Fischer: Bleiben wir noch mal bei dem neuen Materialforschungszentrum, wo es eben nicht nur das geht, was da letztlich inhaltlich entsteht, sondern auch das Wie. Ihnen ist da ganz wichtig, dass interdisziplinär gearbeitet wird. Vielleicht da erst mal ein Überblick, ich denke jetzt an Chemie, vielleicht noch Physik oder Bio. Welche Disziplinen kommen da zusammen oder sollen da zusammenkommen?
Hecht: Wir haben sehr viel auch Mathematik, Informatik, Datenwissenschaften dabei. Es gehört eigentlich zu jedem guten Experiment auch immer eine Theorie dazu. Und ich vergleich das sehr gerne mit den drei Ms. Es hat nix mit Schoko mit Schokolade zu tun, sondern mit Make, Measure, Model. Es gibt eigentlich unter diesen Leuten, die man so in einem Team braucht, da braucht man die Leute, die irgendwie Materialien machen, die kochen, das ist so mehr so meine Fraktion, die schmeißen auch mal was zusammen und probieren auch mal was aus. Und dann braucht man sehr viele Leute, die das, was dabei rauskommt, genau messen. Also es sind Leute, die sich darum kümmern, Materialien auf atomarer Ebene abzubilden, zu schauen, wie schnell solche Prozesse sind. Da gibt's die beiden wichtigen Begriffe Spektroskopie und Mikroskopie, also dass man sich Materie räumlich und zeitlich in kürzester Skala anschauen kann. Und das alles zu machen, braucht man auch noch die Modeler. Erst wenn man ein gutes Modell bauen kann, dann hat man's auch verstanden, und was jetzt eben mittlerweile sehr modern ist und was auch gut ist, ist, dass wir anfangen, diese Modelle zu nutzen, um Predictions zu machen, um Vorhersagen zu machen für hypothetische neue Materialien, weil dann natürlich der Koch, also ich dann wieder, 'n Rezept kriegt oder er kriegt noch nicht mal ein Rezept, der kriegt eine Zielstruktur, so was wäre interessant. Und dann denkt der Koch drüber nach, kann ich so was machen und wie kann ich so was machen? Ja, also da kommt irgendwie alles zusammen.
Und neben dem, jetzt hole ich noch mal aus, das ist für mich interdisziplinär. Darüber hinaus gibt's, man kann sich darüber streiten, noch transdisziplinär. Das ist für mich ein kultureller Austausch. Wir haben bewusst, da gibt's auch 'n Exzellenzcluster Matters of Activity in Berlin, wo viele Partner dabei sind. Wir haben uns bewusst auch geöffnet hinsichtlich, sagen wir mal, nicht-naturwissenschaftlichen Disziplinen, Design, die Kulturwissenschaften an der HU, auch sozusagen die Brücke nach Mitte zu haben. Es gibt tolle Akteure an der Kunsthochschule im Weißensee, die mit Textilien tolle Sachen machen. Also es gibt wirklich, denn Materialien sind ein ganz breites Feld, was nicht nur naturwissenschaftlich ist, sondern was wirklich auch mit dem Design zu tun hat.
Fischer: Wo ich jetzt im ersten Moment denke, in meinem Schubladendenken, da gibt's doch bestimmt auch mal Probleme zwischen den Disziplinen. Wie versteht sich denn der Designer mit dem Mathematiker, mit dem Kulturwissenschaftler?
Hecht: Da kann man viel drüber reden. Ich glaube, dass es auch gewisse Zeit braucht, die Sprachen der anderen zu lernen. Das ist schon zwischen einem Chemiker und einem Physiker dauert's manchmal ein bisschen. Aber es kann unheimlich befruchtend sein und das funktioniert auch. Man muss es einfach tun. Und ich glaube, an der Stelle hat man wie immer im Leben, da gibt's Menschen, die sich darauf einlassen, die sich auch in, egal wie alt sie sind, die sind halt ihr Leben lang neugierig, Neues zu lernen und auch offen, um von anderen Kulturen was zu lernen. Und dann gibt's eben Menschen, die haben das vielleicht nicht ganz so. Das Schöne ist an diesem Zentrum, da machen nur die Leute mit, die mitmachen wollen. Da muss man nicht mitmachen. Und ja, wir sind jetzt eben dabei, diese Links zu etablieren langsam, haben einen ganz tollen Kollegen zum Beispiel in Kulturwissenschaften, der hat mal Physik studiert, der kann das. Das hilft natürlich dann, und es ist aber ein Experiment.
Fischer: Aber ein spannendes, wie ich finde und ich glaube, da bringt ja auch jeder seine eigenen Erfahrungen und Werte mit. Da würde ich im Übrigen jetzt gern noch mal ein bisschen zu Ihnen selber die Brücke schlagen und zu Ihrer Vita, um da die letzten, ja, sieben, acht Minuten noch mal drüber zu sprechen. Sie haben in vielen an vielen Universitäten gearbeitet und geforscht, also die Humboldt-Universität natürlich zum einen. Sie waren aber auch an Freien Universität beziehungsweise Mülheim an der Ruhr, Aachen wurde schon genannt, auch im Ausland, also Kalifornien in Berkeley. Wie wichtig ist das für Sie, was Sie an Erfahrungen in all diesen an all diesen Orten und Unis mitgenommen haben oder wie prägt Sie das heute?
Hecht: Das glaub ich auch eine sehr wichtige Frage. Ich persönlich sehe so, nachdem ich jetzt das dritte Mal nach Berlin zurückgekommen bin und wie man ja auch hört. Früher habe ich mal probiert, es mir zu verkneifen, mittlerweile mach ich's nicht mehr. Also man hört ja den Berliner raus. Diese Stadt ist einzigartig. Diese Stadt ist was ganz Besonderes und trotzdem glaube ich, dass es gut ist, wenn Berliner mal rausgehen aus Berlin, weil sie dann die Vorzüge dieser Stadt zum einen wieder entdecken und zum anderen woanders lernen, dass es in anderen Städten, in anderen Ländern auch durchaus Dinge gibt, da können wir uns eine Scheibe von abschneiden. Also ich halte Austausch, Erfahrung woanders, in einem allen anderen Wissenschaftssystem, in einer anderen Kultur für unabdingbar, um zu hinterfragen. Ich glaub, das Hauptproblem bei Wissenschaft ist ja oder die Hauptvoraussetzung ist, dass man neugierig ist. Und Neugierde reflektiert sich auch darin, dass ich auch ein anderes Land sehen will, eine andere Kultur und vielleicht nicht irgendwohin fahre, wo ich dann wiederum von Berliner Touristen umgeben bin. Also ich habe unheimlich davon profitiert von diesen ein Eindrücken, sowohl in Amerika promoviert zu haben. Ich hatte da sehr schöne Jahre. Die Amerikaner haben eine sehr gesunde Naivität, die wird von uns Deutschen so ein bisschen belächelt. Ich glaube auch, dass die durchaus eine sehr große Kraft hat, auch in der Wissenschaft, diese Naivität. Ich habe dann auch sehr davon profitiert, nachdem ich nach Berlin zurückkam, in Mühlheim zu sein an diesem Max-Planck-Institut. Hervorragende Wissenschaft, aber nicht an einem Universitätsstandort, mir unheimlich gefehlt, also die jungen Leute. Und in Aachen, wo es mich nochmal hingetrieben hat vor ein paar Jahren, da muss ich wirklich sagen, es war auch eine tolle Erfahrung, weil die Ingenieure eine völlig andere Kultur haben. Also Ingenieure sind halt Macher, und auch die Universität da ist extrem gut aufgestellt, sehr programmatisch, eine starke Vision, wo es hingehen soll, auch in Hinsicht welchen Impact, also welchen, ja, in welche welchen Fußabdruck eine Universität hinterlassen sollte in der Gesellschaft. Das waren alles sehr, sehr hilfreiche Erfahrungen für mich. Und von denen hoffe ich jetzt, profitieren zu können, um auch in Berlin hier oder da auch was mal zu verändern.
Fischer: Und wenn wir jetzt schon die jungen Leute angesprochen haben, die Sie vermisst haben am einen oder anderen Standort. Und denen Sie wahrscheinlich jetzt auch empfehlen würden, ab und an mal den Ort zu wechseln, so ein bisschen über den Tellerrand zu schauen. Gibt es denn sonst Sachen, wo Sie sagen, das würde ich schon empfehlen, wenn man den Weg in die Wissenschaft einschlagen würde? Das ist was, was mir extrem geholfen hat oder was ich gelernt habe.
Hecht: Ich glaube, die Grundvoraussetzung ist Neugier. Also wenn man neugierig ist, dann ist das schon mal gut. Und wir sind ja, glaub ich, von Natur aus neugierig gemacht worden, muss man sich nur kleine Kinder angucken, wie die die Welt sozusagen aufsaugen. Das Nächste ist, dass man, glaube ich, seinen Stärken nachkommen soll. Also es gibt ja viele Leute, die raten, dass man Schwächen minimiert, ist okay. Ich glaube, man soll das finden, was einem Spaß macht und, das sage ich schon seit vielen Jahren auch den Studierenden, und dann diese Dinge richtig verfolgen. Und dann komme ich zu einem Punkt, der mich schon auch in der letzten Zeit viel beschäftigt, ist: Ich glaube, wenn man jung ist, studiert und wenn man dann promoviert, Promotion ist ja sozusagen, ja, mehrere Jahre eigenständig auf einem Thema arbeiten. Man wird dann der world leading expert in diesem Thema sein. Mein Doktorand oder meine Doktorandin, die wissen mehr über ihr Thema als ich. Das ist auch gut so. Es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre, weil deren Gehirne hervorragend funktionieren, vermutlich sogar besser als meins.
Mein Gehirn hat nur einen Vorteil, ich bin schon länger dabei, ich habe mehr Erfahrung. Und deswegen halte ich's für so wichtig, dass, wenn man jung ist, dass man sich auch ein bisschen an die Grenzen bringt. Das sollte man dann vielleicht nicht auf Dauer machen, also Stichwort Life Work Balance, aber ich glaube, dass es gut ist, wenn man sich in diesem jungen Alter, an dem man ja häufig auch nicht noch nicht Verpflichtungen hat, vielleicht auch noch keine Kinder hat, dass man sich da ein bisschen an die Grenzen führt, weil man dann später viel besser auch weiß, was man tun muss, damit man dann eben in ein Gleichgewicht kommt, das man nachhaltig sozusagen forschen kann. Das ist mir auch relativ wichtig, weil wir viel über solche Themen reden und ich find es auch gut, dass junge Menschen sich heutzutage darüber viel mehr in den Kopf machen. Aber gleichzeitig möchte ich auch die Jugend ermutigen, dass man sagt, hey, es gibt so viel zu finden, es gibt so viele Dinge, die wir nicht wissen, die werden nur leider an der Universität wird immer nur vermittelt, was man weiß, aber dass wir eigentlich nichts wissen, das wird zu wenig vermittelt, und dann soll man es tun und dann soll man sich auch von keinem abhalten lassen.
Fischer: Ich habe mir eine Vorlesung oder 'n Vortrag von Ihnen angeschaut online vor Studierenden, die sehr viel gelacht haben. Welche Rolle spielt denn Humor für Sie bei der Arbeit?
Hecht: Ja, ich glaub, dass man da zum Beispiel sehr viel von den Amis lernen kann. Ich habe ja gesagt, dass man die Naivität, ich glaube, dass Amerikaner auch eine sehr intuitive Art haben, Inhalte rüberzubringen mit Jokes. Da muss man klar aufpassen, das darf natürlich keinen verletzen. Jeder muss da für sich die Balance finden. Aber ich glaube, dass es hilft, wenn man Dinge nimmt ein bisschen mit einem Lächeln, dass man nicht zu ernst ist die ganze Zeit. Und gleichzeitig will ich natürlich auch noch was Ernstes hier loswerden an der Stelle. Und ich halte es doch auch für extrem wichtig, dass wir zum einen gut miteinander umgehen, freundlich miteinander umgehen, wohlwollend miteinander umgehen. Ich halte es auch für wichtig, dass wir Humor haben, uns auch selbst ein bisschen belächeln. Das hilft übrigens auch, Hierarchien von vornherein nicht aufkommen zu lassen. Das Beste ist, was man da machen kann, sich über sich selbst auch mal lustig machen.
Und das Dritte, was mir trotzdem wichtig ist, ist, wir brauchen wieder mehr kritische Streitkultur. Wir haben teilweise mittlerweile auch in der Wissenschaft ein Phänomen, dass sich alle nur auf die Schultern klopfen und sagen, oh, nice talk und so weiter. Und Kritik ist inhärent wichtig, damit wir besser werden. Das heißt, jemand, der jemand anders eine kritische Frage stellt, wir denken ja kritische Dinge, aber sollten wir sie äußern? Ja, wir sollten sie äußern, weil wir tun der Person, die wir kritisieren, einen Gefallen. Wenn nicht an der Universität wo sonst sollten wir streiten. Wir müssen streiten und die Lösung für diese Probleme, die vor uns liegen, diese großen Herausforderungen, was Nachhaltigkeit betrifft, Energiewende, das sind große Herausforderungen, aber da müssen wir ergebnisoffen miteinander streiten und da müssen Argumente am Ende die Entscheidungen, hoffentlich dann auch von Politikern, beeinflussen. Und da hilft's uns nicht, wenn wir uns alle nicht wehtun und vor allen Dingen alle keine Fehler machen wollen, ja? Fortschritt ist immer dann mit Fehlern verbunden. Aber wer sich nicht bewegt, der macht auch keinen Fehler, aber der macht den Fehler, dass er sich nicht bewegt.
Fischer: Dann hoffen wir, dass diese, ja, gute Streitkultur auch Einzug hält dann in Ihr neues Zentrum für Materialforschung, was in der Entwicklung Ich glaub, das wäre wahrscheinlich ein guter Ort, wo man das dann anwendet.
Hecht: Kommen Sie gern mal vorbei. Unbedingt.
Fischer: Also ich glaube, der Einstein Professor für organische Chemie und funktionale Materialien an der Humboldt Universität zu Berlin, also Stefan Hecht, den Sie hier gehört haben die letzte halbe Stunde, hat noch eine ganze Menge vor und sind wir wirklich gespannt drauf. Ask Different war das, der Podcast der Einstein Stiftung mit Stefan Hecht, dem Chemiker Materialforscher, mit dem wir gesprochen haben. Eine Frage habe ich noch am Ende. Haben Sie eigentlich 'n Lieblingsmaterial?
Hecht: Einen Kunststoff. Also tatsächlich gibt's ganz viele Materialwissenschaftler, die lieben natürlich inspirierte Stoffe. Holz, Knochen, Haut, alles sone Dinge sind natürlich ganz, ganz toll. Ich finde, dass man mit einem künstlichen, deswegen reicht Kunststoff, auch extrem tolle Sachen machen kann. Und deswegen ist mein Lieblingsmaterial der Kunststoff der Zukunft, an dem wir arbeiten.
Fischer: Vielen Dank auch noch mal für diese Antwort. Und ja, allen anderen herzlichen Dank fürs Zuhören. Mein Name ist Nancy Fischer. Im Übrigen alle weiteren Folgen von AskDifferent gibt's auf den gängigen Podcast Plattformen und auf der Website der Einstein Stiftung. Herr Hecht, vielen vielen Dank und ja alles Gute für Sie.
Hecht: Super, vielen Dank.