06.10.2015
Von Princeton nach Berlin
Die Einstein Stiftung Berlin fördert in den kommenden drei Jahren internationale Spitzenforscher mit insgesamt rund sieben Millionen Euro. Die Wissenschaftler kommen unter anderem aus Princeton, Cambridge, Toronto und Mumbai und werden ab 2016 auch in Berlin forschen. Die Themengebiete reichen von der Entstehung sozialer Ungleichheit über die Entwicklung der sozio-kulturellen Identität bis zur Erforschung von erblich bedingten Herzkrankheiten.
Zu den neu geförderten Wissenschaftlern zählen elf Einstein Visiting Fellows. Das Einstein Visiting Fellowship unterstützt ausländische Wissenschaftler, die exzellente Bereiche der Berliner Wissenschaft durch ihre Kompetenz ergänzen. Sie sollen längerfristig Teil des Wissenschaftsstandortes werden und dessen internationale Verknüpfung ausbauen. Hierfür absolvieren die Spitzenwissenschaftler mindestens dreimal jährlich einen mehrwöchigen Aufenthalt in Berlin. Zum Aufbau einer Nachwuchsforschungsgruppe und für die Bearbeitung gemeinsamer Projekte mit den Berliner Kollegen stehen pro Fellow jährlich bis zu 150 000 Euro zur Verfügung. Antragsberechtigt sind Berliner Exzellenzcluster, Graduiertenschulen, DFG-Forschungszentren und Sonderforschungsbereiche. Insgesamt gibt es derzeit 21 Einstein Visiting Fellows.
Weiterhin wurden 3 Einstein BIH Visiting Fellows bewilligt. Das Einstein BIH Visiting Fellows-Programm ist eine Kooperation von Stiftung Charité und Einstein Stiftung Berlin. Mit einem Einstein BIH Visiting Fellowship werden international ausgewiesene Forscher ausgezeichnet, die das Berlin Institute of Health (BIH) mit ihrer wissenschaftlichen Expertise unterstützen und den Wissenschaftsstandort Berlin langfristig stärken. Insgesamt werden derzeit 6 Einstein BIH Visiting Fellows gefördert.
Die Fördermittel für die neuen Einstein Visiting Fellows werden von der Damp Stiftung (2,85 Mio. Euro), der Stiftung Charité (1,35 Mio. Euro) und dem Land Berlin zur Verfügung gestellt. Ab 2016 fördert die Einstein Stiftung zusätzlich 1 Einstein Research Fellow, 3 Einstein International Postdoctoral Fellows, 1 Einstein-Forschungsvorhaben, 2 Einstein-Zirkel, sowie 1 Wissenschaftliche Veranstaltung.
Die neuen geförderten Einstein Fellows und Projekte im Einzelnen:
Einstein Visiting Fellows
Vittorio Gallese, Università di Parma
Gallese gilt als einer der weltweit führenden Experten im Bereich der sozialen Neurowissenschaften. An der Berlin School of Mind and Brain, einer Graduiertenschule der Humboldt-Universität (HU) in Kooperation mit der Charité-Universitätsmedizin, will er die Entwicklung der sozio-kulturellen Identität erforschen.
Angela M. Gronenborn, University of Pittsburgh
Das Leopoldina-Mitglied gehört international zu den renommiertesten Strukturbiologen. In Berlin wird sie an der Technischen Universität (TU Berlin) über das humane Ribosom und dessen Rolle bei Krebserkrankungen forschen.
Dimitri Gutas, Yale University
Die Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies, eine Kooperation der Freien Universität mit der HU und dem Zentrum Moderner Orient, erhält mit Dimitri Gutas Unterstützung durch einen Spezialisten auf dem Gebiet der griechisch-arabischen Forschung. Gutas wird die Poetik des Aristoteles in einer neuen kritischen Ausgabe ins Englische übersetzen und deren Verbreitung in der arabischen Welt untersuchen.
Ephraim Gutmark, University of Cincinnati
Der Professor für Luftfahrttechnik ist einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet fundamentaler Analyse angewandter Verbrennungssysteme für Flugzeugtriebwerke. Er wird an der TU Berlin zur Weiterentwicklung der innovativen Impuls-Detonations-Antriebe (eng. Pulse Detonation) beitragen.
Yannis G. Kevrekidis, Princeton University
Mithilfe computergestützter Methoden und maschinellem Lernen will der Mathematiker Yannis G. Kevrekidis an der FU zu einem neuen Modellierungsansatz komplexer Systeme gelangen.
Neville Morley, University of Bristol
Am Exzellenzcluster Topoi, einem altertumswissenschaftlichen Forschungsverbund von FU und HU in Kooperation mit außeruniversitären Einrichtungen, soll in Anbindung an das Berlin Thucydides Center eine Forschergruppe rund um den Althistoriker Neville Morley entstehen, die sich dem Thema Wandel und Bewegung im politischen Kontext des antiken Griechenlands im 5. Jh. v. Chr. widmet. Morley gehört zu den international bedeutenden Experten für den griechischen Historiker Thukydides.
Francisco Santos, Universidad de Cantabria, Santander
Der frühere Humboldt-Forschungsprofessor Francisco Santos widmet sich an der FU der Erforschung sogenannter Gitter-Polytopen, also geometrischer Figuren. Santos ist einer der weltweit profiliertesten Wissenschaftler im Bereich der diskreten Geometrie.
Vasudevan Srinivas, Tata Institute of Fundamental Research, Mumbai
Srinivas ist ein herausragender Mathematiker auf dem Gebiet der Algebra, der K-Theorie und der arithmetischen Geometrie. Der internationale Spitzenforscher wird an der Berlin Mathematical School, einem gemeinsamen Doktorandenprogramm von FU, HU und TU Berlin, lehren und forschen und deren internationale Ausrichtung stärken.
Susan Merrill Squier, Penn State University
Die Professorin für Gender Studies und Anglistik ist international bekannt für ihre Studien im Grenzbereich von Literatur, Medizin und Wissenschaftsgeschichte. Susan Merrill Squier wird an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule, einem strukturierten Doktorandenprogramm für literaturwissenschaftliche Studien an der FU, zu „Graphic Medicine“ – Comics zu Krankheitserfahrungen – forschen und lehren.
Douglas W. Stephan, University of Toronto
Der Chemiker schuf mit seinen bahnbrechenden Pionierarbeiten über sogenannte frustrierte Lewis-Paare ein neues Forschungsgebiet und prägte damit ein ganzes Jahrzehnt in der Molekülchemie. Er wird an der TU Berlin eine Forschergruppe im Bereich der homogenen Katalyse aufbauen.
R. Jay Wallace, University of California, Berkeley
R. Jay Wallace, einer der renommiertesten Moralphilosophen der Gegenwart, wird am Exzellenzcluster Topoi über die Rolle von sozialen Beziehungen für moralische Normen forschen. Im Fokus seiner Untersuchungen steht die zwischenmenschliche Konstitution moralischer Normen, wie sie beispielsweise bei versprechensbedingten Verpflichtungen auftreten.
Einstein BIH Visiting Fellows
Rolf Bodmer, Sanford-Burnham Medical Research Institute, La Jolla
Mit Hilfe von Fruchtfliegen will der Biochemiker und Neurobiologe am Berlin Institute of Health Gene identifizieren, die für erblich bedingte Herzkrankheiten verantwortlich sind.
Bassem Hassan, Katholieke Universiteit Leuven
Der Neurowissenschaftler Bassem Hassan will erforschen, wie sehr die Entwicklung des Gehirns genetisch bedingt ist oder von anderen Einflüssen abhängt. Seine Berliner Arbeitsgruppe untersucht hierzu Unterschiede in der Vernetzungsfähigkeit von neuronalen Schaltkreisen und deren Einfluss auf das Verhalten.
Ulrich Müller, The Scripps Research Institute, La Jolla
Der Hörforscher wird in Berlin die Mechanosensorik von Haarzellen untersuchen, die beispielsweise im Innenohr einen wichtigen Beitrag zum menschlichen Hörvermögen leisten und deren Defekte bis zur Taubheit führen können.
Einstein Research Fellow
Der Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe Gregory Jackson von der FU forscht ab 2016 für zwei Jahre als Einstein Research Fellow am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Thema seines Forschungsprojekts ist der Zusammenhang zwischen Corporate Governance, also dem Ordnungsrahmen eines Unternehmens, und der Entstehung sozialer Ungleichheit. Während dieser Zeit wird seine Professur an der FU von Dr. Markus Helfen vertreten.
Einstein International Postdoctoral Fellows
Der Physiker Dr. Zhao Liu wechselt von der University of Princeton an die FU und verstärkt dort die Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe von Dr. Emil Bergholtz, in der zu Interaktionen und Strukturen des Quantenzustands von Materie geforscht wird.
Roarke Horstmeyer vom California Institute of Technology in Pasadena forscht zukünftig gemeinsam mit Benjamin Judkewitz vom Exzellencluster Neurocure zum Thema Neuroimaging.
Optimierungsprobleme und deren Lösung in Anwendungsbereichen wie beispielsweise der Verkehrsplanung stehen im Mittelpunkt der Forschung von Dr. Felix Fischer, der von der University of Cambridge an die TU Berlin wechselt und dort mit Dr. Max Klimm zusammenarbeitet.
Einstein-Forschungsvorhaben
Überlebende einer Sepsis haben oft mit kognitiven Dysfunktionen zu kämpfen. Warum dies so ist und welche Therapieansätze es hierfür gibt, untersucht das neue Einstein-Forschungsvorhaben „Mechanisms of Critical Illness-induced Cognitive Dysfunctions“ von Claudia Spies und Ulrich Dirnagl von der Charité-Universitätsmedizin Berlin.
Einstein-Zirkel
Wie ermöglicht oder prägt Infrastruktur soziale Verhaltensweisen? Wie begegnen sich Fremde und wie gehen sie miteinander um? Wie prägen verschiedene Wissensformen Institutionen oder Kultur? Diese und zahlreiche weitere Fragen werden im interdisziplinären Einstein-Zirkel „Large-Scale Organization“ der Soziologin Talja Blokland von der HU Berlin untersucht.
Welche Möglichkeiten gibt es, Sonnenenergie oder elektrische Energie effizient in Brennstoffe umzuwandeln oder umgekehrt? Insbesondere Materialien mit Nano-Strukturen versprechen signifikante Verbesserungen bei der Energiespeicherung und -umwandlung und stehen daher im Fokus des Einstein-Zirkels „Nanostructures for energy conversion“ rund um den Nachwuchsgruppenleiter und ehemaligen Einstein Junior Fellow Dr. Ralph Krähnert vom Institut für Chemie der TU Berlin.
Wissenschaftliche Veranstaltung
Die von der Einstein Stiftung geförderte wissenschaftliche Veranstaltung „The Cultural Legacy of German Colonial Rule“ thematisiert die sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Auswirkungen der deutschen kolonialen Vergangenheit. Die Veranstaltung wurde von Klaus Mühlhahn, Professor für Sinologie an der FU konzipiert. Sie wird im April 2016 gemeinsam mit dem Deutschen Historischen Museum ausgerichtet.
Die Einstein Stiftung Berlin wurde 2009 vom Land Berlin gegründet. Zweck der Stiftung ist es, Wissenschaft und Forschung in Berlin auf internationalem Spitzenniveau zu fördern und das Land dauerhaft als attraktiven Wissenschaftsstandort zu etablieren.