Pressemitteilung

23.09.2020

Neue Förderungen für Neurotechnologie, Immunzellen-Therapie und zur Analyse autoritärer Tendenzen in Europa

Die Einstein Stiftung Berlin fördert mit rund drei Millionen Euro weitere innovative Projekte und Fellowships an den Berliner Universitäten. Die Forschungsthemen liegen im Bereich der Entwicklung neuartiger Gehirn-Computer-Schnittstellen, der Entwicklungsneurologie und der Behandlung von Krebserkrankungen mittels T-Zelltherapie. Zudem soll ein sozial- und rechtswissenschaftliches Vorhaben den Umbau rechtsstaatlicher Demokratien hin zu autokratischen Systemen in einigen europäischen Ländern ergründen. Im Programm Wissenschaftsfreiheit werden weitere acht Personen aus der Türkei und Ungarn gefördert, deren Forschung in ihrer Heimat politisch eingeschränkt ist.

 

Folgende Forschungsprojekte und Fellowships werden gefördert:

 

Gehirn-Computer-Schnittstellen auf Basis von Quantensensoren

Erstmals sollen mithilfe dieses transdisziplinären Projekts sogenannte Gehirn-Computer Schnittstellen auf der Basis von Quantensensoren entwickelt und im klinischen Einsatz getestet werden; Ziel ist die Wiederherstellung von Kommunikation und Bewegung, beispielsweise nach einem schweren Schlaganfall. Quantensensoren erlauben es, Hirnaktivität in bisher unerreichter räumlicher und zeitlicher Auflösung von der Schädeloberfläche aufzuzeichnen. Das System soll es ermöglichen, komplexe Bewegungen eines Roboters zu steuern oder vorgestellte Sprache aus neuromagnetischer Hirnaktivität zu rekonstruieren. Solche Anwendungen erforderten bisher die Implantation von Elektroden ins Gehirn. Im geplanten Einstein-Forschungsvorhaben wird die Berliner Expertise in den Bereichen Neurotechnologie (Einstein-Professor Surjo R. Soekadar, Charité – Universitätsmedizin Berlin), dem Maschinellen Lernen (Prof. Dr. Benjamin Blankertz, Technische Universität Berlin) und der Quantensensorik (Dr. Tilmann Sander-Thömmes & Dr. Thomas Middelmann, Physikalisch-Technische Bundesanstalt) gebündelt.

 

T cell-mediated cancer destruction in the bone marrow

An der Charité – Universitätsmedizin Berlin werden erstmals T-Zellen, die mit T-Zell-Rezeptoren modifiziert wurden, für die Behandlung von Patienten mit Multiplem Myelom eingesetzt, einem der häufigsten Tumoren von Knochen und Knochenmark. In diesem an die klinische Studie assoziierten Projekt wird die Wirkung der T-Zelltherapie auf die Zerstörung von Tumorzellen im Knochenmark von Mäusen untersucht, um die Ursachen von Rezidiven, also dem Wiederauftreten von Tumoren, nachzuvollziehen und zu überwinden. Dabei werden innovative Bildgebungstechniken eingesetzt, etwa Langzeitanalysen auf Einzelzellebene und 3-Photonen-Mikroskopie im Knochenmark. Mit dem Forschungsvorhaben von Anja Hauser-Hankeln (Professorin für Immunologie, Charité), Matthias Leisegang (Juniorprofessor für T-Zelltherapie, Charité) und Raluca Niesner (Professorin für Biophysik im Fachbereich Veterinärmedizin, Freie Universität Berlin) können die Prozesse während der T-Zell-vermittelten Zerstörung von Tumorzellen in Echtzeit im Knochenmark untersucht werden, um zukünftig noch wirksamere T-Zelltherapien zu entwickeln.

 

Judicial autonomy under authoritarian attack

Das Forschungsvorhaben analysiert die rechtlichen und politischen Reformen europäischer Justizsysteme der letzten 20 Jahre. Es zielt darauf ab, populistisch-autoritäre Angriffe auf die richterliche Unabhängigkeit zu dokumentieren und etwaige Muster zu identifizieren. Gibt es bestimmte „toxische" institutionelle und politische Konstellationen, die besonders anfällig für die Schwächung einer unabhängigen Justiz sind? Zugleich wird auch gefragt, wie sich existierende Dysfunktionen beheben lassen, um die Resilienz demokratischer Rechtsstaatsinstitutionen zu stärken. Die vergleichende Analyse soll wesentlich zu einem besseren Verständnis der „demokratischen Zerfallserscheinungen“ in Europa sowie zur Entwicklung wirkungsvoller Gegenstrategien beitragen. Mit einem Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden empirischer Sozialforschung werden fallübergreifend Daten zum institutionellen Aufbau der Justizsysteme in 47 Mitgliedsstaaten des Europarates erhoben und vergleichend ausgewertet. Das Projekt wird von Silvia von Steinsdorff (Professorin für Vergleichende Demokratieforschung und die politischen Systeme Osteuropas, HU Berlin) geleitet, in Kooperation mit dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) durchgeführt und gemeinsam mit der Stiftung Mercator gefördert.

 

Zoltán Molnár, University of Oxford / Charité – Universitätsmedizin Berlin

Der Professor of Developmental Neuroscience an der University of Oxford forscht zukünftig als Einstein Visting Fellow an der Charité-Universitätsmedizin. Dort arbeitet er mit der neuromedizinischen Forschungsgruppe von Professorin Britta Eickholt zusammen und unterstützt den Exzellenzcluster NeuroCure. Die Gruppe von Britta Eickholt vereint die Stärken verschiedener Forschungsbereiche, um Entwicklungsprozesse im Gehirn, neuronale Verknüpfungen und die Bildung von Schaltkreisen besser zu verstehen. Dies dient unter anderem dem besseren Verständnis von autistischen und epileptischen Störungen. Mit seinem Forschungsprofil soll Zoltán Molnár dazu beitragen, die Grundlage für einen gemeinsamen Forschungsschwerpunkt in diesem Bereich zwischen Berlin und Oxford zu schaffen.

 

Verlängert wurden außerdem die Einstein Visiting Fellowships des Literaturwissenschaftlers Michel Chaouli (Indiana University/Freie Universität Berlin) und des Mathematikers John Henry Maddocks (École Polytechnique Fédérale de Lausanne/Freie Universität Berlin).

 

Wissenschaftsfreiheit

Die Einstein Stiftung finanziert künftig acht weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Türkei und Ungarn, deren wissenschaftliche und persönliche Freiheit in ihren Heimatländern eingeschränkt ist. Insgesamt werden in der Förderlinie nun 34 Forscherinnen und Forscher gefördert, die bis zu zwei Jahre in Berlin eine wissenschaftliche Heimat finden.