Pressemitteilung

06.07.2021

Seit 2018 56 Förderungen im Programm für Wissenschaftsfreiheit ausgesprochen - Nachfrage ungebrochen

Der Vorstand der Einstein Stiftung Berlin hat im Juni die Förderung von neun weiteren Wissenschaftler*innen beschlossen, die in ihrer Heimat in ihrer Forschungsfreiheit eingeschränkt oder politisch verfolgt werden. Als Geförderte im Programm Wissenschaftsfreiheit können sie ihre Arbeit bis zu zwei Jahre an einer Berliner Universität fortführen. Insgesamt hat die Stiftung seit 2018 56 Personen durch das bundesweit bisher einzige Landesprogramm dieser Art unterstützt. Von 2018 bis Ende 2021 stehen hierfür über sechs Millionen Euro vom Land Berlin bereit. Mit seinem Beschluss zum Haushalt 2022-2023 hat der Berliner Senat die Weichen für eine weitere Finanzierung des Programms mit jährlich 1,5 Millionen Euro gestellt. Das Berliner Abgeordnetenhaus muss dem Beschluss noch zustimmen. Die Universitäten, über die die Bewerbungen laufen, haben bereits weitere Anträge angekündigt.

 

Die überwiegende Mehrheit der Geförderten kommt aus der Türkei. Es folgen als häufigste Herkunftsländer Syrien und der Iran; weitere Geförderte kommen aus Ghana, Albanien, Jemen und Ägypten. Die Forschungsprojekte, die die Stipendiat*innen während ihres Berlinaufenthalts verfolgen, decken neben den prominent vertretenen Sozialwissenschaften verschiedenste Disziplinen ab. Die Themen reichen von einem Kunstprojekt zu Münzprägungen von zerstörten syrischen Denkmälern über die biochemische Erforschung von Kefirkulturen, der molekularbiologischen Untersuchung eingefrorener Samenzellen und digitalen Bodenkartierung in Jordanien bis hin zu Analysen der gegenwärtigen Einflussnahme der türkischen Medien durch die AKP, urbaner Subkulturen und des politischen Theaters.

 

„Berlin ist eine weltoffene Stadt und ein exzellenter Forschungsstandort mit internationaler Strahlkraft, der sich ganz bewusst für die Freiheit der Wissenschaft einsetzt. Deswegen war es uns wichtig, ein vom Land Berlin finanziertes Programm für Wissenschaftsfreiheit in Zusammenarbeit mit der Einstein Stiftung einzurichten. Ich bin der Stiftung und allen beteiligten Berliner Hochschulen und Instituten dankbar, dass wir auf diese Weise seit 2018 gemeinsam bereits viele bedrohte und verfolgte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen und ihnen eine neue akademische Heimat in unserer Stadt geben konnten. Es ist wichtig, dass dieses Programm fortgesetzt wird und Berlin weiterhin seinen Beitrag zur Förderung der Wissenschaftsfreiheit leisten kann. Das haben wir mit dem Senatsbeschluss für den kommenden Doppelhaushalt deutlich gemacht“, sagt der Regierende Bürgermeister von Berlin und Senator für Wissenschaft und Forschung.

 

Der Vorstandsvorsitzende der Einstein Stiftung, Günter Stock, begrüßt die Kooperation von Förderorganisationen zur Unterstützung emigrierter oder geflüchteter Forschender: „Die Komplementarität und Kompatibilität verschiedener Programme der beteiligten Förderorganisationen kommt der Zielgruppe besonders zugute.“ Etwa ein Drittel der insgesamt fast 50 Wissenschaftler*innen, die ihre Förderzusage von der Einstein Stiftung angenommen haben, kamen zunächst über die Philipp Schwartz-Initiative, einem analog ausgerichteten, bundesweiten Stipendienangebot der Alexander von Humboldt-Stiftung, nach Deutschland. Als Einstein Junior Scholars oder Einstein Guest Researchers des Programms Wissenschaftsfreiheit konnten sie im Anschluss ihre Arbeit in Berlin fortsetzen. Einige der Einstein Fellows haben inzwischen bereits Forschungsstellen in Berlin, unter anderem an der Technischen Universität Berlin oder am Centre Marc Bloch. 

 

„Die zunehmend illiberale Ausrichtung oder gar Autokratisierung demokratischer Systeme gefährdet auch die Unabhängigkeit der Wissenschaft in vielen Teilen Europas und der Welt. Oft beginnt es damit, dass eine Regierung Fördermittel und Stellen für unliebsame, kritische Forschung kürzt - und es endet mit der Entlassung oder gar strafrechtlichen Verfolgung unabhängiger Wissenschaftler*innen“, sagt die Politikwissenschaftlerin Silvia von Steinsdorff von der Humboldt-Universität, die an ihrem Lehrbereich "Vergleichende Demokratieforschung" mehrere Einstein Fellows betreut. „Die weiter wachsende Nachfrage nach Förderprogrammen wie dem der Einstein Stiftung bestätigt leider diese internationale Entwicklung“, ergänzt Silvia von Steinsdorff.

 

Die in ihrer Forschungsfreiheit oder Existenz bedrohten internationalen Wissenschaftler*innen, die am Programm der Einstein Stiftung interessiert sind, müssen zunächst Kontakt zu einer Berliner Universität oder der Charité-Universitätsmedizin aufnehmen; diese können dann für sie Anträge auf Förderung als Einstein Junior Scholar oder Einstein Guest Researcher stellen. Als erstere werden Postdocs gefördert, also Nachwuchsforschende, die vor höchstens fünf Jahren promoviert haben; als letztere Forschende in einem fortgeschrittenem Karriereabschnitt. Beide Förderformate sehen einen Forschungsaufenthalt in Berlin von bis zu zwei Jahren vor und beinhalten auch ein Budget für projektrelevante Sachmittel.

 

Die Einstein Stiftung Berlin ist eine gemeinnützige, unabhängige und wissenschaftsgeleitete Einrichtung, die als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet wurde. Sie fördert Wissenschaft und Forschung fächer- und institutionenübergreifend in und für Berlin auf internationalem Spitzenniveau. Insgesamt 172 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – unter ihnen drei Nobelpreisträger – 71 Projekte und sieben Einstein-Zentren wurden bislang gefördert. Für ihren Beitrag zur Förderung des Forschungsstandorts Berlin und seiner Internationalisierung wurde sie als „Wissenschaftsstiftung des Jahres 2021“ ausgezeichnet.