Pressemitteilung

26.07.2022

Rund fünf Millionen für neue Einstein Fellowships und den Ausbau exzellenter Doktorandenprogramme

Der Vorstand der Einstein Stiftung Berlin hat die Förderung fünf internationaler Fellowships an den Berliner Universitäten bewilligt und wird die Forschung zweier bereits in Berlin etablierter Wissenschaftler als Einstein Junior und Einstein Research Fellows fördern. Grünes Licht gab es auch für die Verlängerung sechs laufender Einstein Visiting Fellowships und für ein Einstein-Forschungsvorhaben. Zudem erhielten zwei PhD-Programme – in der Neurowissenschaft und in den Literaturwissenschaften – den neu aufgelegten Förderpreis Einstein Foundation Doctoral Program. Die Forschungen der neuen Fellows umfassen Stochastik und Quantenoptik, Verhaltens- und Wirtschaftswissenschaften mit Fokus auf Klimapolitik, die Entwicklung grüner Katalysatoren und die Aufarbeitung jüdischer Flucht- und Remigrationsgeschichte(n). Das Gesamtvolumen der Bewilligungen beträgt rund fünf Millionen Euro.

Einstein Visiting Fellows

Elke U. Weber (Princeton University, USA)

Die Psychologie-Professorin von der Princeton University Elke U. Weber wird im Rahmen ihres Einstein Visiting Fellowships an der Technischen Universität Berlin den politischen Entscheidungsspielraum und das globale Handeln zur Eindämmung des Klimawandels aus verhaltens- und sozialwissenschaftlicher Perspektive untersuchen. Die Forscherin, die dem (im Aufbau befindlichen) Einstein Center Climate Change angebunden sein wird, stützt sich auf psychologische Theorien zur Frage, in welchem Maß sich persönliche Erfahrungen, soziale Normen und Interaktion auf Entscheidungsfindung und Handeln auswirken. Um dabei auch den konkreten sozialen und existenziellen Faktoren Rechnung zu tragen, in denen Menschen Entscheidungen treffen, stützt sich Elke Webers Projekt auf einen Vergleich von Studien zu Klimapolitiken und Maßnahmen zum Umweltschutz zwischen Berlin-Brandenburg, New Jersey (USA) und Neu Delhi (Indien).

Eric J. Johnson (Columbia Business School, USA)

Auch Eric J. Johnson vom Center for Decision Sciences der Columbia University wird für das Einstein Center Climate Change in der Vorstufe das Thema Klimaforschung mit den Verhaltens- und Wirtschaftswissenschaften verknüpfen. In seinem Projekt an der Technischen Universität erforscht er sogenannte Entscheidungs-Architekturen, also Wege, Wahloptionen darzustellen und Wahlprozesse zu erleichtern, indem man sich die diversen sozialen, ökonomischen und psychologischen Beweggründe, die unser Handeln prägen, zu Nutze macht. Anhand von empirischen Methoden, persönlichen und Online-Interviews und in Kooperation mit der Universität der Künste und dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung sollen Ansätze und Tools für Politik und Unternehmen entwickelt werden, die es erleichtern, Maßnahmen zur Reduktion des individuellen oder industriellen CO2-Ausstoßes durchzusetzen.

Elke Weber und Eric Johnson werden auch beide dem Exzellenzcluster „Science of Intelligence“ an der Technischen Universität angegliedert sein.

In die zweite Förderphase gehen nach positiver Begutachtung die laufenden Einstein Visiting Fellowships des Bioinformatikers John Chodera, des Krebsforschers Channing Der, des Neurowissenschaftlers Dieter Jaeger, der Chemikerin Ann-Francis Miller und des Verhaltensökonomen Bertil Tungodden.


Einstein International Postdoctoral Fellows

Tobias Hurth

Der Mathematiker Tobias Hurth schließt sich der Freien Universität an und wird sich dort mit zufälligen Prozessen befassen. Zufällige Prozesse und ihre parameterabhängigen Veränderungen sind in Wissenschaft und Technik allgegenwärtig, doch die mathematische Theorie der Bifurkationen in solchen Systemen steckt noch in den Kinderschuhen. In dem Projekt, das er gemeinsam mit dem Nachwuchsgruppenleiter am Excellenzcluster MATH+ Maximilian Engel verfolgt, geht es darum, wichtige Eckpfeiler der Ergodentheorie auf lokalisierte Zufallsprozesse zu erweitern und die stochastische Bifurkationstheorie analytisch und numerisch weiterzuentwickeln. Es werden vor allem die sogenannten Lyapunov-Exponenten untersucht – anhand dieses Schlüsselobjekts soll ein geeigneter Begriff von Entropie- und Gleichgewichtsmaßen erarbeitet werden. Die theoretischen Erkenntnisse könnten auch einem besseren Verständnis von chemischen Reaktionsnetzwerken nutzen. Die Gruppe um Maximilian Engel wird stochastische Verzweigungen aufspüren, um die Analyse auszuweiten auf biologische Modelle der Genexpression, auf das Zellwachstum und auf die Zufallsdynamik in tiefen neuronalen Netzen.

Moritz P. Schwarz

Die Forschungsgruppe von Linus Mattauch, Juniorprofessor für nachhaltige Ressourcennutzung an der Technischen Universität, soll durch den Wirtschaftswissenschaftler Moritz Schwarz verstärkt werden, der zuvor im Climate Econometrics Programm am Institute for New Economic Thinking in Oxford tätig war. Das Team wird anhand ökonometrischer Methoden untersuchen, wie sich politische Klimaschutzmaßnahmen unter anderem in den Bereichen Verkehr und Gesundheit auf öffentliche Unterstützung auswirken. Ausgehend von der Fragestellung, inwiefern Themen wie Mobilität und Klimaschutz mit sozialen Ungleichheiten zusammenhängen, werden konkrete Klimapolitiken analysiert. Empirischen Studien zu europäischen Städten und der Region Berlin-Brandenburg sollen hierfür mit Analysen zu Volkswirtschaften des Globalen Südens verglichen werden. Im Fokus stehen Themen wie Nutzen und Effekte von diversen Klimaschutzpolitiken, die ungleiche Verteilung der globalen Kohlenstoffemissionen und Schäden durch lokale Luftverschmutzung, wie auch die Debatte um Fahrverbote in Innenstädten.

Maxwell Ware

Maxwell Ware kommt als Postdoc in Biologie von der Colorado State University (USA) an die Freie Universität Berlin. Dort wird er zusammen mit dem Emmy-Noether-Gruppenleiter Dennis Nürnberg an der Entwicklung eines Verfahrens forschen, das langfristig die konventionelle Produktion von Stickstoffdünger nach dem äußerst energieaufwendigen Haber-Bosch-Verfahren durch ein photosynthetisches Verfahren ersetzen soll. Maxwell Ware untersucht eine Symbiose zwischen Pflanzen und einem neu entdeckten Cyanobakterien-Stamm. Dieser kann, wie andere Cyanobakterien auch, atmosphärischen Stickstoff durch bestimmte Zelltypen mittels eines natürlichen Enzyms reduzieren, das den Pflanzen fehlt (Nitrogenase). Bemerkenswert an dem hier zum Einsatz kommenden Cyanobakterium ist, dass es mit Pflanzen nicht um dasselbe Lichtspektrum konkurriert, da es imstande ist, Photosynthese durch dunkelrotes Licht zu betreiben, also jenseits des vermeintlichen „red limits“. Um herauszufinden, ob sich dieser Prozess auch auf die Stickstoff-Fixierung dieser Organismen auswirkt, sollen die Bakterien und ihre Wirte künstlich verändert werden; im Anschluss werden die molekularen, metabolischen und morphologischen Mechanismen unter verschiedenen Umweltbedingungen untersucht.


Einstein Research Fellow

Andreas Eckert

Andreas Eckert, Professor für die Geschichte Afrikas an der Humboldt-Universität Berlin, will im Zuge eines Einstein Research Fellowship eine umfassende historische Studie über Arbeit in Afrika seit 1945 verfassen. Anlass ist seine Beobachtung, dass die sogenannte Arbeitsfrage – ein Konzept, das nach den 1980er Jahren praktisch aus der Afrikaforschung verschwunden war – seit einiger Zeit wieder an Relevanz gewinnt. Dies hängt mit dem wachsenden Interesse an der auf dem Kontinent besonders sichtbaren informellen und prekären Arbeit zusammen, aber auch mit der größeren Aufmerksamkeit für Formen der Arbeit jenseits „klassischer“ Lohnarbeit. Andreas Eckert will in seiner Monografie den Wandel von Arbeitspraktiken und -kulturen nachzeichnen, die Vielfalt an Einzelerfahrungen und Arbeitsbeziehungen analysieren und den Fokus auf die individuellen und kollektiven Kämpfe in einer durch Ungleichheit geprägten Welt legen. Zugleich sollen Schlüsselkonzepte wie Proletarisierung und Informalisierung sowie globalhistorische Ansätze kritisch auf den Prüfstand gestellt werden. Während Eckerts Fellowship wird der Globalhistoriker Felix Brahm seinen Lehrstuhl an der Humboldt-Universität vertreten.


Einstein Junior Fellow

Sven Ramelow

Sven Ramelow wird an der Humboldt-Universität Berlin das Projekt “Sensorik mit verschränkten Photonen im mittleren Infrarot” verfolgen, wo er bereits die Emmy Noether-Nachwuchsgruppe "Nichtlineare Quantenoptik" am Institut für Physik leitet. Die technologischen Möglichkeiten, um Quantenzustände des Lichts zu präparieren, zu verändern und zu messen, haben in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Phänomene wie Quantenverschränkung und Quantensuperposition eröffnen völlig neuartige Anwendungsmöglichkeiten. Die Quantensensorik mit Quantenlicht spielt dabei eine besondere Rolle: Sie ähnelt der Sensorik mit klassischem Licht in Form von Bildgebung, Mikroskopie oder Spektroskopie und kann auf deren hochentwickelter Technologie aufbauen und diese erweitern. Ramelows Ansatz basiert auf quantenbasierten Messungen mit sogenannten undetektierten Photonen: einem neuartigen Verfahren, bei dem anhand von verschränkten Photonenpaaren Messinformationen in verschiedenen Infrarot-Bereichen aufgelesen werden, ohne dafür Infrarotlaser oder -detektoren zu verwenden. Erste industrienahe Anwendungen sind bereits unter Beteiligung des Forschers in der Entwicklungsphase. Das Projekt soll nun die weitere Grundlagenforschung für diese Quantensensorik voranbringen und für zum Beispiel bildgebende Verfahren in der medizinischen Diagnostik nutzbar machen.


Einstein-Forschungsvorhaben

Ein Team um den Lateinamerika-Historiker von der Freien Universität Stefan Rinke und Stefanie Schüler-Springorum vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität wird im Rahmen eines Einstein-Forschungsvorhabens „Selbstzeugnisse von Juden nach der Rückkehr aus Lateinamerika nach Berlin (1945/49-1970)“ untersuchen. Zwischen 1933 bis zum Ende des 2. Weltkriegs war Lateinamerika eine wichtige Destination für alle, die vor dem Nationalsozialismus flüchteten; nach dem Sieg der Alliierten über Hitler-Deutschland wurde es zum Versteck vieler NS-Täter. Die Remigration deutscher Jüdinnen und Juden aus Lateinamerika in die Bundesrepublik Deutschland zwischen 1945 bis ca. 1970 wiederum war oft von der Hoffnung begleitet, auf Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes geraubtes Eigentum wiederzuerlangen. Die Dokumente dieser Versuche lagern in Berliner Behördenkellern, und zwar als Akten der Entschädigungsbehörde des Landes Berlin, in denen die Betroffenen Aussagen über ihre Lebensumstände im deutschen Nationalsozialismus und in Lateinamerika machen. Das Projekt wird anhand dieser Dokumente und von Quellen aus deutschen und lateinamerikanischen Archiven die Erfahrungen geflüchteter Jüd*innen im lateinamerikanischen Exil aufarbeiten. Das Augenmerk liegt auf den familiären Situationen und Netzwerken, dem Wissenserwerb, auf den Kontinuitäten des Antisemitismus und der Problematik von Rückwanderung und Entschädigung im Berlin der Nachkriegszeit. Zentrale Kooperationspartner bei der Dokumentenrecherche und -analyse sind neben den genannten Instituten das Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg, die Universität Potsdam und das Ibero-Amerikanische Institut. Auch das Jüdische Museum, die Stiftung Exilmuseum und das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung sollen eingebunden werden.


Des Weiteren wurden zwei strukturierte Graduiertenprogramme mit dem neu aufgelegten Förderpreis Einstein Foundation Doctoral Program ausgezeichnet: das International Doctoral Program in Computational Neuroscience am Bernstein Center for Computational Neuroscience Berlin (BCCN Berlin) und die Friedrich Schlegel Graduiertenschule (FSGS) an der Freien Universität Berlin.


Die Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien wurde im Rahmen der Exzellenzinitiative als strukturiertes Promotionsprogramm an der Freien Universität Berlin gegründet und von 2007 bis 2019 gefördert. 2012 kam die Humboldt-Universität zu Berlin als wichtige Kooperationspartnerin dazu. Seit 2019 ist die FSGS eng mit dem Exzellenzcluster 2020 “Temporal Communities. Doing Literature in a Global Perspective” verbunden und für dessen Doktorandenausbildung zuständig. Die Schule fördert Projekte, die Literatur vergleichend, zeiten- und sprachenübergreifend erforschen oder mit anderen ästhetischen Medien in Bezug setzen. Die Einstein-Förderung wird die FSGS nutzen, um ein digitales Prä-Doc-Programm für Masterabsolvent*innen aus dem Globalen Süden einzurichten. Mit digitalen Kursen und Beratungsangeboten, die remote aus dem Heimatland besucht werden, und der Finanzierung einer 12-monatigen Residency in Berlin sollen die Programmteilnehmer*innen bei der Vorbereitung des Promotionsprojekts und der Einwerbung von Drittmitteln unterstützt werden.


Das International Doctoral Program Computational Neuroscience am Bernstein Center für Computational Neuroscience (BCCN) Berlin wurde 2007 als Kooperation zwischen der Technischen Universität, der Humboldt Universität, der Freien Universität und der Charité gegründet. Die institutionenübergreifende Struktur hat das Ziel, eine neue Generation von Wissenschaftler*innen auszubilden, die sowohl in mathematischen/computergestützten als auch in neurowissenschaftlichen Methoden ausgebildet sind. Dadurch wird zur Erforschung des Gehirns und seiner Funktionsstörungen eine wissenschaftliche Sprache zur Verfügung gestellt, die disziplinen- und ebenenübergreifend für die Neurobiologie, die Kognitionswissenschaft und die Informationstechnologie verwendet werden kann. Mit der Förderung durch das Einstein Foundation Doctoral Program will das BCCN Berlin auch mehr qualifizierte Doktorand*innen aus dem globalen Süden anwerben und die Promovierenden bei der individuellen Karriereplanung unterstützen.

 

Die Einstein Stiftung Berlin ist eine gemeinnützige, unabhängige und wissenschaftsgeleitete Einrichtung, die als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet wurde. Sie fördert Wissenschaft und Forschung fächer- und institutionenübergreifend in und für Berlin auf internationalem Spitzenniveau - und das seit über zehn Jahren. Rund 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler - unter ihnen drei Nobelpreisträger - über 70 Projekte und sieben Einstein-Zentren wurden bislang gefördert. Für die Wissenschaft. Für Berlin.