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Was können Quantencomputer?

AskDifferent #36 – Die Quantenphysik beschäftigt sich mit den kleinsten Bausteinen unserer Welt und beeinflusst zahlreiche moderne Technologien, von Computern bis hin zu Lasern an der Supermarktkasse. Zugleich birgt sie faszinierende Zukunftsperspektiven, etwa in Form von Quantencomputern, die komplexe Probleme lösen könnten, die herkömmliche Rechner überfordern. Dabei stellt die Quantenphysik grundlegende Fragen: Warum verhalten sich Teilchen oft unvorhersehbar, und warum erscheint die Welt im Großen so geordnet, obwohl sie aus chaotischen Einheiten besteht? Moderatorin Marie Röder spricht mit Jens Eisert, Professor für Theoretische Physik an der Freien Universität Berlin und Sprecher der Einstein Research Unit „Perspectives of a Quantum Digital Transformation“, darüber, wie sich Quantenmechanik auf unseren Alltag auswirkt, wie Quantencomputer funktionieren und welche Entwicklungen auf uns zukommen.

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Was können Quantencomputer?

Intro: Die eigentliche Überraschung besteht eigentlich weniger darin, dass die Natur so im Kleinen ist, weil es ist extrem bewährt durch eine gigantische Anzahl von Experimenten, sondern es ist eigentlich eher erstaunlich, dass die Welt im Großen wieder dermaßen so unquantenmechanisch aussieht. Das ist eigentlich das, was wirklich zu erklären ist, denn natürlich besteht die große Welt ja auch aus dem Kleinen, und insofern sind die Gesetze der Quantenmechanik, weil sie die beste Beschreibung unserer Natur darstellt, eben auch im Großen anwendbar. Ask Different. Der Podcast der Einstein Stiftung. Heute mit Marie Röder.

Marie Röder: Hallo und herzlich willkommen zum Podcast. Wie funktioniert unsere Welt auf der kleinsten Ebene? Also auf der Ebene von Atomen, Ionen und Teilchen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Quantenphysik. Quantenphysik, das ist ein Feld, bei dem man mal schnell an die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft gerät, also so geht's zumindest mir, aber sie bildet auch die Grundlage für Technologien, die heute nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken sind: Computer, Handys oder auch die Laser an der Supermarktkasse. Und sogenannte Quantencomputer könnten in Zukunft noch viel mehr leisten, nämlich eine Welt ohne Geheimnisse schaffen. Warum das so ist, wird uns heute Professor Jens Eisert erklären. Er ist Professor für Quanteninformationstheorie am Dahlem Center for Complex Quantum Systems an der Freien Universität Berlin sowie Forscher in der Einstein Research Unit „Perspectives of a Quantum Digital Transformation, Near-term Quantum Computational devices and quantum processors“. Lange Titel.

Schön, dass Sie hier sind und unserer Vorstellungskraft auf die Sprünge helfen wollen, Professor Eisert. 

Jens Eisert: Ja, vielen Dank. 

Röder: Um mal direkt mit einer Frage einzusteigen, vielleicht einer etwas ungewöhnlichen Frage. Wenn Sie jemanden auf der Straße treffen, den Sie lange nicht gesehen haben, sagen Sie dann: „Was für ein Zufall, dass wir uns heute sehen?“. 

Eisert: Das ist eine lustige Frage, denn ja, das würde ich vielleicht schon sagen, aber dieser Zufall ist natürlich ein relativer Zufall. Ich weiß, worauf Sie ansprechen, nämlich dass wir in unserer Welt an Zufälle gewöhnt sind, wenn wir zum Beispiel Freunde treffen auf der Straße und denken, unglaublich. Ich habe tatsächlich mal in New York City einen Freund getroffen, den ich zweimal am selben Tag getroffen habe, den ich in Dresden kennengelernt hatte, wo ich dann auch sagte, was für ein Zufall. Aber natürlich ist es kein echter, wirklicher Zufall. Wir wissen, dass die Zufälle, die wir kennen, auch wenn wir Glücksspiel spielen oder so, Zufälle sind, die letztlich darauf zurückzuführen sind, dass wir bestimmte Dinge nicht wissen. Wir hätten Kontakte halten können mit diesen Freunden, wir hätten Dinge wissen können. Die Zufälle, die wir kennen im Leben, sind irgendwie auflösbar. Wir hätten Dinge wissen können, wir hätten die Anfangsbedingungen kennen können. Jetzt gibt es Zufall auch in der Welt des Kleinen. Und der Zufall, der da vorkommt, wenn wir Messungen machen an Atomen zum Beispiel, an Ionen, der ist sehr besonders, also auf eine bestimmte Art unauflösbar, was ich auch gerne erklären kann. 

Röder: Sehr gerne. Was hat das jetzt mit Quantenphysik zu tun, dieses Beispiel des Zufalls? 

Eisert: Okay, also zunächst mal, vielleicht muss ich kurz ausholen, was ist Quantenmechanik?

Quantenmechanik ist eine Theorie, also eine physikalische Theorie, ein mathematisches Gebäude, das Dinge erklärt, das uns hilft, Vorhersagen über die Natur zu treffen. Also ich habe kürzlich einen Vortrag erhalten, da habe ich einen Apfel mitgebracht und gezeigt, dass Newtons Gesetze – eben auch eine Art im Sammlung von Naturgesetzen –, dass die sagen, dass Äpfel zu Boden fallen. Das kann man immer wieder machen, Äpfel fallen zu Boden, das wissen wir schon, das ist eben eine Vorhersage von der Gravitationstheorie.

Die Quantenmechanik ist auch so eine Theorie, die die Welt beschreibt, aber die Welt im ganz Kleinen, Atomionen, Lichtteilchen, so ganz kleinen Dingen, aus denen Tische, das Mikrofon hier, wir selbst aufgebaut sind im ganz Kleinen. Und nun ist es so, dass diese Theorie zwar unglaublich bewährt ist und wahnsinnig zutreffend und die Natur unglaublich gut beschreibt, aber sie ganz andere Vorhersagen macht, als wir das aus unserer Alltagserfahrung kennen.

Zum Beispiel, und das war die Frage, die wir grade hatten, wenn wir eine Messung vornehmen, dann kommt jedes Mal was anderes raus. Es ist nicht immer die gleiche Sache, die rauskommt, sondern es gibt eine Art Zufälligkeit. Und das wäre so, als würden wir sagen, wir lassen den Apfel zu Boden fallen und manchmal fällt er nach unten, manchmal nach oben. Und die Theorie selber, die schweigt auch darüber, was konkret rauskommt, sondern sagt nur, mit welcher Wahrscheinlichkeit etwas passiert. 

Das ist irgendwie komisch, ja. Wir können eine Messung machen, und manchmal zeigt eine Eigenschaft nach oben, manchmal nach unten und dann kommt irgendwas raus. Und das Merkwürdige vielleicht in der Quantenmechanik ist, dass dieser Zufall, den man auf dieser Skala hat und in diesen Messungen vorfindet, dass der auf eine bestimmte Art absolut ist und nicht aufgelöst werden kann durch eine Erklärung in der Anfangsbedingung. Also sozusagen in dem Moment der Messung legt sich das Teilchen fest, was dann rauskommen wird. 

Röder: Um es jetzt noch mal ganz einfach zu halten: Wenn Sie einem Kind erklären müssten, was Quantenphysik oder Quantenmechanik ist, wie würden Sie das machen? 

Eisert: Na, ich habe kürzlich einen Vortrag gehalten vor einer Grundschule und dann habe ich angefangen, ein kleines Filmchen zu zeigen, wo man ein Paar im Gras liegen sieht, was dann so immer näherkommt, die Kamera kommt näher und zoomt gewissermaßen rein. Dann sieht man das Paar näher, dann sieht man Hautstrukturen, vielleicht einzelne Zellen und dann sieht man die einzelnen Atome, um die Skala zu verbildlichen, auf der das alles vor allen Dingen relevant ist. Dann würde ich eben versuchen, plausibel zu machen, dass die Natur auf dieser Skala eben sehr anders ist. Also Zufall haben wir schon erwähnt – wir machen eine Messung und dann sind Ergebnisse zufällig. Aber es gibt noch ganz andere Dinge, die vielleicht noch merkwürdiger sind aus unserer Alltagserfahrung. Zum Beispiel, dass Dinge nicht in festgelegten Zuständen sind, sondern gewissermaßen in Überlagerung von Zuständen gleichzeitig sind. 

Das ist irgendwie komisch. Also ich geh sehe eine Wasserflasche vor mir, die ist ja an irgendeinem Ort und dies ist fest und die könnte vielleicht hier oder dort sein, aber nicht hier und da. Ich kann mir gar nicht vorstellen, was es heißen soll, dass eine Wasserflasche an mehreren Orten gleichzeitig ist. Wir haben gar kein Wort dafür. Es gibt gar keine Sprechweise in unserer Alltagserfahrung, die sagen würde, was es heißen würde, wenn Wasserflaschen an vielen Orten gleichzeitig sind. Atome dagegen sind ganz oft oder ganz generisch an vielen Orten gleichzeitig.

Man kann ein einzelnes Atom nehmen und durch einen Doppelspalt durchschicken und dann würde das Atom sowohl links als auch rechts durchfliegen. Und dann fragt man sich, ja, wo ist es denn durchgegangen, links oder rechts? Nein, es ist gewissermaßen durch beide durchgegangen und interferiert auch wie eine Welle und entsprechende Eigenschaften. Auch wenn aus unserer Erfahrung, wie wir die Welt wahrnehmen, das irgendwie merkwürdig zu sein scheint. In der Welt des Kleinen ist das eben ganz typischerweise so.

Und die letzte Eigenschaft, die ich vielleicht noch erwähnen will, ist, dass das in der Quantenmechanik auch so ist, also in der Welt der Atome und Ionen, dass wenn wir eine Messung vornehmen, dass das Objekt sich immer auch zwingend verändert in seinem Zustand. Das ist so, als würden wir die Länge eines Tisches messen und legen das Maßband an und dann haben wir den Tisch zwar gemessen, aber hinterher ist der Tisch ein bisschen kürzer oder ein bisschen länger. Na ja, das ist auch komisch, denn man würde ja ausgehen davon, dass die Messung eigentlich nur offenbar macht, was schon vorher vorlag, aber nein, in der Quantenmechanik ist es so, dass wir ein bisschen messen können und auch nur ein bisschen verändert. Wir können irgendwie sehr viel lernen und sehr viel verändern, aber es ist nicht möglich, etwas über einen unbekannten Quantenzustand zu lernen, ohne das Objekt zu ändern. 

Und jetzt fragt man sich toll, was meint das? Also wie versteht man das? Und na ja, es ist letztlich einfach eine empirische Erfahrung, dass die Natur im Kleinen so ist und die eigentliche Überraschung besteht eigentlich weniger darin, dass die Natur so im Kleinen ist, weil es ist extrem bewährt durch eine gigantische Anzahl von Experimenten, sondern ist eigentlich eher erstaunlich, dass die Welt im Großen, gewissermaßen so unquantenmechanisch aussieht. Das ist eigentlich das, was wirklich zu erklären ist, denn natürlich besteht die große Welt auch aus dem Kleinen und insofern sind die Gesetze der Quantenmechanik ja, weil sie die beste Beschreibung unserer Natur darstellt, eben auch im Großen anwendbar. Und das ist eigentlich die wissenschaftlich spannende Frage, warum die Welt eigentlich gar nicht so aussieht, wie wir das aus dem Kleinen kennen. 

Röder: Ja, total faszinierend. Das ist wirklich eine Denkleistung, sich das vorzustellen oder versuchen zu vorzustellen, wie das im Kleinen ganz anders sein kann, als wir es aus unserem Alltag kennen. 

Eisert: Jeder Versuch, diese Welt sich bildlich vorzustellen mit Bildern, wie wir sie aus der Alltagswelt kennen, die muss zum Scheitern verurteilt sein. Also eigentlich, wenn Leute fragen, ja boah, wie kannst Du dir das vorstellen, lautet die Antwort: eigentlich gar nicht. Trotzdem ist es so, dass wenn man so was jeden Tag macht, dass man auf eine andere Art eine intuitive Vorstellungsform bekommt. Man kann das mathematisch beschreiben, man gewöhnt sich daran und irgendwann werden die Objekte sehr vertraut und man hat auf eine neue Art eine Intuition.

Aber das ist keine, sozusagen keine gefühlsmäßige Intuition, wie wir das sehen würden oder hören würden, sondern das ist eine Art, na ja, so eine Art mathematisch-intellektuelle Intuition, die dann doch aber sehr vertraut wird am Ende des Tages. 

Röder: Sehr spannend. Ich habe es auch grad schon angesprochen, auch in unserem Alltag sind wir ja mit der Quantenphysik konfrontiert, vielleicht auch oft, ohne es zu wissen. Ich hatte dieses Beispiel genannt, Supermarktkassen. Warum ist das Quantenphysik und wo begegnet uns Quantenphysik im Alltag noch?

Eisert: Ja, dazu gibt's ganz viele Antworten. Natürlich begegnet uns die Quantenmechanik immer im Alltag, weil alles auf Basis der Quantenmechanik funktioniert. Also es ist jedes Objekt irgendwie quantenmechanisch. Das ist zwar wahr, aber nicht sehr einsichtsreich, weil man da nicht sehr viel gelernt hat. Jetzt gibt es Effekte, wo sozusagen intrinsisch quantenmechanische Effekte zusammenspielen, wo sozusagen eine Art Wellencharakter von Objekten manifestiert wird.

Und das Beispiel der Supermarktkasse ist eigentlich ganz gut, weil in diesen Scannern vor der Supermarktkasse eben Laser drin sind. Das basiert auf einem Effekt, der von Einstein tatsächlich mal Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts aus so einer kautzigen Überlegung heraus, aus einer Energieerhaltung in eine Gleichung gewissermaßen reingeschummelt wurde, der dann gefunden wurde als reeller Effekt, der nachgemessen wurde. Das ist ein Effekt, wo Lichtteilchen in einem quantenmechanischen Gleichklang alle genau in einer Wellenlänge vorliegen und dass das Licht sozusagen sehr quantenmechanisch ist und exakt eine einzige Wellenlänge hat und keine breite Sammlung von Wellenlängen, wie wir das bei normalem Licht vorfinden. Es gibt eine Sammlung von solchen Effekten, die wir sehen können. Typische Naturwissenschaftsausstellung zeigen auch so Supraleiter, wo es dann mordsmäßig dampft und so, dass man auch Stromleitungen ohne Widerstand haben kann. Das sieht man auch in diesen Ausstellungen. Das ist eben auch so ein typisch quantenmechanischer Effekt, den man mit dem bloßen Auge sehen kann. Aber es gibt auch andere Effekte wie zum Beispiel, dass die Materie fest ist, dass wir nicht in den Boden fallen. Das ist tatsächlich auch ein quantenmechanischer Effekt. Das hat mit dem Pauli-Prinzip zu tun, dass wir überhaupt feste Materie vorfinden ist tatsächlich ein quantenmechanischer Effekt. Also auf eine bestimmte Art ist es tatsächlich überall.

Röder: Und im Zusammenhang mit der Quantenphysik spielen ja auch sogenannte Quantencomputer eine wichtige Rolle und damit beschäftigen Sie sich ja auch in Ihrer Arbeit. Was ist denn der Unterschied zwischen meinem Laptop, der jetzt hier vor mir steht, und einem Quantencomputer? 

Eisert: Wenig und alles. Vielleicht muss ich kurz ausholen, was das überhaupt meint. Also die Quantenmechanik ist ja nicht ganz neu. Die ist in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts gefunden worden in einem Rausch von drei Jahren. Das kann man sich gar nicht vorstellen, dass zu Zeiten als es kein Internet gab, kaum Flugreisen, dass man in so kurzer Zeit eine Theorie von null auf hundert gewissermaßen hochziehen konnte. Und man ist davon ausgegangen, dass auch wenn man von einem Zustand eines einzelnen Atoms sprechen könnte, dass das völlig utopisch sei, dass man natürlich niemals wird Experimente machen können mit einzelnen Atomen, die man irgendwo hinstellt und sie dann einzeln beobachtet. Das war sozusagen eine völlig absurde Vorstellung. Da es gibt auch berühmte Aussagen von berühmten Protagonisten dazu. 

Aber dann hat man über die Jahrzehnte zunehmend gelernt, Objekte in der Physik immer besser kontrollieren zu können, auch in Experimenten, sodass man irgendwann mit einzelnen Atomen, einzelnen Ionen Experimente machen konnte. Und dann kam die Idee auf, Moment mal, wenn wir gewissermaßen einzelne Ionen, also geladene Atome, in so eine Perlenkette aufreihen können oder Atome platzieren oder vielleicht supraleitende Schaltkreise passend manipulieren können, dann könnte man sich ja vorstellen, dass man eine Art Rechner baut, der ganz anders funktioniert als moderne Rechner, also auch Großrechner, wo nämlich die einzelnen Recheneinheiten Systeme sind, die den Gesetzen der Quan

tenmechanik gehorchen, also einzelne Atome sind, um die Frage konkret zu beantworten. Ein Quantencomputer ist eben das, ein Computer. Sie funktionieren aber eben radikal anders, weil die einzelnen Recheneinheiten jetzt eben Systeme sind, die den quantenmechanischen Gesetzen genügen. Und wenn man das weiterdenkt, kann man sagen, aha, sie können ja jetzt diese merkwürdig anmutenden Eigenschaften der Quantenmechanik ausnutzen. Die können ja in Überlagerung sein. Man hat diesen absoluten Zufall. Die Messung spielt eine bestimmte Rolle. Und wenn man diese Objekte ausnutzt, könnte man sich ja vorstellen, dass man bestimmte Probleme anders oder vielleicht sogar viel schneller ausrechnen kann, als das mit klassischen Superrechnern möglich ist.

Und das ist in der Tat der Fall. Ein Quantencomputer ist ein Computer, der eine klassische Eingabe hat, eine klassische Ausgabe hat, das wird auf einen Tisch stehen und sozusagen arbeiten wie ein normaler Rechner, aber er könnte ganz bestimmte strukturierte Probleme anders und auch viel, viel, viel schneller ausrechnen als dass klassische Rechner können. Sogar so weit, dass bestimmte Probleme praktisch lösbar sind, die in der Praxis für Großrechner unlösbar sind, weil sie einfach viel zu viel Zeit brauchen würden, um die Lösung zu finden. 

Röder: Und welche Schwachstellen haben solche Quantencomputer? 

Eisert: Die Kernschwachstelle ist, dass es unglaublich schwierig ist, die zu bauen. Und die andere Hälfte ist, dass sie nur bestimmte Probleme lösen können. Ja, ist nicht so, dass sie Wunderrechner sehen, die irgendwie alle Probleme lösen können. Das Handelsblatt hatte kürzlich ein Titelbild, auf dem stand so, Quantenrechner können jetzt irgendwie alle Probleme lösen. Ja, das ist nicht der Fall. Also die Eheprobleme meiner Nachbarin werden nicht gelöst und auch alle mathematischen Probleme werden nicht gelöst. Das sind nur ganz bestimmte strukturierte Probleme, die Quantenrechner lösen können, besser lösen können und andere eben nicht. 

Das Problem, was Mitte der Neunziger gefunden wurde, ist das von Faktorisieren. Das ist das Problem, wo man ein Produkt großer Zahlen hat und muss rausfinden, welche Zahl man multiplizieren muss, diese große Zahl zu kriegen. Jetzt ist Multiplizieren relativ einfach, das lernt man in der Schule, wie man auch große Zahlen multipliziert. Wenn wir aber ein Produkt von großen Zahlen haben, ist es nicht einfach, auch für einen modernen Großrechner, rauszufinden, welche Zahlen man multiplizieren muss, um die Zahl zu bekommen. Ja, das ist auch tatsächlich auf der Basis ein Problem, was die Basis darstellt von unserer modernen Verschlüsselung. Also wenn wir Internetbanking machen oder Whatsapp benutzen und verschlüsseln, dann würden wir die Schwierigkeit, die Faktoren zu finden, benutzen in der Art, wie wir kryptografische Informationen verschlüsseln. Für einen Quantencomputer dagegen ist dieses Problem einfach und damit wäre auch die klassische Verschlüsselung, so wie wir sie kennen, knackbar ohne Weiteres. 

Röder: Da spielen Sie auf etwas an, das hatte ich ja schon vorhin erwähnt. Ich habe in der Vorbereitung zu dieser Podcastfolge diese Aussage gelesen: In der Welt der Quantencomputer wird es keine Geheimnisse mehr geben. Ich nehme an, was Sie gerade erzählt haben, diese Verschlüsselung, die für Quantencomputer sehr viel leichter zu lösen ist, das ist ein Beispiel dafür? 

Eisert: Ja, Geheimnisse wird's irgendwie immer geben. Also seit es Menschen gibt, gibt es Geheimnisse und seit dem Beginn allen Kulturschaffens gibt es Wege, mit bestimmten Leuten kommunizieren zu können auf eine Weise, dass die andere Seite, die Bösen gewissermaßen, die Nachrichten nicht lesen können. Und auch in der modernen Welt spielen natürlich Geheimnisse eine Riesenrolle. Ich habe es erwähnt, Internetbanking, auch jede Art politische Kommunikation, letztlich auch militärische Kommunikation hat natürlich immer einen Aspekt, dass ein kryptografisches Element auf die eine oder andere Art eine Rolle spielt.

Jetzt wird es in einer Welt der Quantenrechner auch noch Geheimnisse geben und es wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch Methoden geben, wie man irgendwie verschlüsseln kann. Es gibt auch in der Tat bekannte Verfahren, die nicht bekannt knackbar sind von Quantencomputern. Aber die gegenwärtige Verschlüsselung, wie man das heute macht, die ist in der Tat oder wäre knackbar mit hinreichend großen und genau arbeitenden Quantenrechnern. Die haben wir noch nicht. Insofern können die Quantenrechner, die wir heute haben, die wahnsinnig spannend sind und die Dinge können, die man sich vor fünf Jahren nicht hätte erträumen lassen, aber die sind immer noch nicht mächtig genug, um die gegenwärtigen Codes zu knacken. Aber das ist schon richtig. Also ein ausgewachsener Quantencomputer könnte alle Verschlüsselungen, die wir bisher so gemacht haben, knacken. Ich bin mir sicher, dass dann auch die eine oder andere bemerkenswerte Sache rauskommen wird, die auch im Nachgang imposant ist, weil man ja vergangene Geheimnisse wird lösen können. Wie man damit umgeht, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wie gesagt, gibt es neue Verfahren, die dann auch sicher sind gegenüber diesen Attacken, aber auch da kann's natürlich sein, dass man einen neuen Algorithmus findet, der die auch knackt. Also man wird sehen, wie sich das entwickelt.

Röder: Wo steht denn grade die Entwicklung von Quantencomputern? Was können die jetzt gerade schon? 

Eisert: Es gibt heute Quantenrechner, Quantencomputer, die auf einer Skala realisiert sind, wie das noch vor einigen Jahren völlig unvorstellbar schien. Der größte mir bekannte Quantenrechner hat eintausendeinhundertvierundzwanzig Qubits, Quantenbits, was erst mal nicht wahnsinnig riesig erscheint. Man muss aber wissen, dass der Konfigurationsraum, in dem die Zustände leben, gewissermaßen zwei hoch tausend irgendwas dimensional ist, also schon ein ganz passabler Ort ist, mit dem man gewissermaßen arbeiten kann. Ja, das sind also tausend, über tausend Systeme, die extrem präzise kontrolliert genau in einem Quantenzustand sind und die man gewissermaßen dann als Computer manipulieren kann. Jetzt gibt's auch einige Evidenz dafür, dass diese Rechner, wie wir sie haben, schon ganz bestimmte Probleme lösen können, die klassisch nicht oder nur sehr schwer zu lösen sind. Sind die Probleme praktisch interessant? Erst mal gar nicht. Ja, es ist zunächst mal ein paradigmatisches Ergebnis. Allerdings ist es schon so, dass es sehr praktische Probleme gibt, die wir auf dem Schirm haben, die jetzt nicht unplausibel erscheinen, gegen die Entwicklung der Rechner. 

Röder: Ich würde da gern mal so ein konkretes Beispiel hören. Also was sind denn das für Probleme, die Quantencomputer lösen könnten? Hat das auch was mit gesellschaftlichen Problemen zu tun? Ich denke jetzt an zum Beispiel Klimawandel, können Quantencomputer da bessere Prognosen erstellen oder was können die wirklich konkret?

Eisert: Das ist eine spannende Frage, das ist zunächst einmal eine mathematische Frage. Also was ist bekannt über Problemklassen, wo Quantenrechner was können, was klassische Rechner nicht so gut können. Und das ist eine Arbeit, oder eine Frage, die sehr stark bearbeitet wird in der Welt und auch von uns. Das ist eine Kernfrage unserer Forschung, die wir betreiben. Und ich kann mal so ein paar Beispiele nennen. Also eine Anwendung, die sehr plausibel scheint, ist die in der Simulation von quantenchemischen Systemen oder von Festkörpern. Also was für Eigenschaften die haben, Systeme, die noch nicht synthetisiert sind, die man also noch nicht realisiert hat, nachzustellen und gewissermaßen vorherzusagen, was dann rauskommt, wenn wir sie dann hätten. Ja, genauso wie Airbus Flugsimulatoren hat, weil sie eben nicht die neuen A380 auf die neuen Bewerberinnen und Bewerber loslassen will und dann alle jede Woche zwei von den Dingern geschrottet werden, haben sie ihre Flugsimulatoren, dann das Fliegen nachzustellen. So kann man sich vorstellen, dass man auch chemische Systeme oder Festkörpersysteme nachstellen will. Wenn es nach einer exotischen Anwendung klingt: ist es überhaupt nicht. Man muss sich klarmachen, dass etwa ein Drittel aller Rechenleistung der modernen Superrechner, die in der Welt jetzt laufen, auf solche Materialanwendungen, quantenchemische Anwendungen zugeschnitten sind und die Großrechner der Welt darauf laufen. Das ist also ein gigantisches Problem in der Materialforschung, in der chemischen Industrie und so weiter. Und da gibt es einige Evidenz, dass Quantenrechner diese Probleme viel besser lösen können. Das ist eine Anwendung, die extrem viel praktische Relevanz hat, weil es einfach Forschung an Chemie, an Materialien ganz anders machen wird und auf den Kopf stellen wird. 

Dann gibt es Anwendungen im Maschinenlernen. Also Maschinenlernen verändert die Welt, Chat GPT ist überall und wir sehen, wie die Welt sich unter unseren Fingern gewissermaßen verändert. Jetzt gibt es einige Evidenz, dass Quantenrechner Maschinenlernprobleme besser bearbeiten können. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, weil Maschinenlernprobleme sind sehr unstrukturiert. Quantenfilter können ganz bestimmte Probleme lösen. Es gibt zwar Aussagen, dass es besser geht, aber man wird sehen, wie praktisch das ist.

Wir arbeiten mit der Deutschen Bahn zusammen zum Beispiel und die haben ja auch bekanntermaßen Optimierungsfragen auf dem Tisch, wo man eben gucken muss, wie man Züge umherschiebt. Oder die Industrie braucht Lösungen, wie sie ihre Fertigung besser gestalten. Und auch da, das ist auch eines unserer Ergebnisse, gibt es Hinweise oder sogar Beweise, dass in einem bestimmten Sinne Quantencomputer solche Optimierungsprobleme besser lösen können. Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, aber das sind schon sehr spannende Anwendungen, die nach vorne gerichtet sind, würde ich mal sagen.

 Jetzt kam das Wort Klima auf. Das ist lustig, weil wir tatsächlich an einem Artikel zum Thema arbeiten, weil es wirklich sehr wenig dazu gibt an seriösen Arbeiten. Und jetzt ist es ja schon häufig so, dass ich Vorträge zum Thema gebe und eigentlich kommt immer die Frage, na ja, super, mit den ganzen industriell anwendbaren Problemen und Optimieren und Maschinenlernen und so und Simulation, ist ja alles ganz toll, aber die große Herausforderung ist doch die Klimaherausforderung, was sagt denn der Quantenrechner zu Klimamodellen, Navier-Stokes-Simulationen und Fragen über Modellierung unseres Weltklimas? Da muss ich eigentlich immer sagen, na ja gut, ich weiß zwar, welche Algorithmen anwendbar sind, um Differentialgleichung zu lösen, aber was das jetzt wirklich für eine Implikation hat, weiß ich nicht.

Als ich im ersten Semester studiert habe, ich hatte grotesk schlechte Kurse damals, war ganz schlimm, aber ich hatte mich angefreundet mit fünf anderen Leuten. Wir haben uns gewissermaßen gegenseitig die Sachen beigebracht. Wir sind immer noch eng befreundet und sind auch alle sechs jetzt Professoren geworden, ist auch lustig als Beobachtung. Und einer von denen ist jetzt am CALTECH Professor für Klimamodellierung, einer der sichtbaren Forscher im Feld. Und er hat auch gejammert, dass er immer gefragt wird, wenn er Vorträge gibt, ja, das ist ja super mit deiner Klimamodellierung, aber mal ehrlich, was sagen denn Quantencomputer dazu? Und jetzt haben wir uns zusammengetan und uns immer überlegt, was wirklich am Ende des Tages dazu zu sagen ist. Bisher habe ich noch ganz wenig zu sagen, aber na ja, vielleicht in paar Wochen kann ich ein bisschen mehr dazu sagen.

Röder: Und wir bleiben gespannt. Sie haben ja jetzt grad schon ein bisschen von Ihrer Studienzeit erzählt und ich würde Sie auch gerne noch mal ein bisschen persönlicher fragen. Wie sind Sie denn überhaupt zu diesem Feld gekommen? Woher kommt Ihre Leidenschaft für Quantenphysik? 

Eisert: Ich hatte als Kind breite Interessen, also sehr breit gestreut. Also Physik war nicht gesetzt, aber mich hat Physik oder hat auch Mathematik schon sehr früh angesprochen. Ich fand es sehr spannend. Was mich da so fasziniert hat war, wie konsenslastig diese Aussagen sind. Also wie wahr die Aussagen sind, dass man wenige Naturgesetze findet, das sind eine Handvoll, und die sind so mächtig, dass sie irrsinnig starke Vorhersagen über die Natur machen können. Und das ist auch nicht so eine Geschmacksfrage, was da jetzt rauskommt, sondern das sind irgendwie sehr tiefe und wenig zweifelhafte Wahrheiten, die man gewissermaßen ableiten kann oder zumindest im Rahmen eines Satzes von Annahmen. Das hat mich grundsätzlich fasziniert. 

Zur Quantencomputerei kam ich tatsächlich recht spät im Studium. Ich war schon fast fertig, hatte einen Master gemacht in den USA und dann noch ein deutsches Diplom, was eigentlich biografisch total unsinnig war. Ich kam mir vor, als sei ich etwas spät dran, weil ich eben zwei Abschlüsse gemacht hatte in Mathe, also mathematischer Physik, und Physik, und wollte dann unbedingt loslegen mit meiner Promotion und bin dann auf das Feld gestoßen. Und das war dann wirklich rauschhaft, als ich gemerkt habe, dass man so was Fundamentales, was eigentlich diskutiert wird darüber, wie die Natur im Innersten zusammengehalten wird und diesen ganzen grundlegenden Fragen, wie man davon ausgehen kann und Dinge schaffen kann, die technologische Implikationen haben. Das fand ich gigantisch spannend. Ich habe mich eingeschlossen für vier Wochen, hab alle Artikel gelesen, die mir damals unter die Finger kamen und hab dann auch angefangen zu promovieren. Ich habe dann auch sehr schnell promoviert, weil ich dann so vorbereitet war und auch so motiviert war, dass ich das dann ziemlich schnell fertiggemacht habe. 

Und die Motivation kommt eigentlich daher, dass man so an ganz tiefen Fragen dran ist über das Wesen der Natur, also richtig ontologischen Fragen einerseits, aber andererseits auch wirklich dahin gehen kann, wo man Fragen stellen kann über die Technologie der Zukunft, also Rechner, Kommunikationsmedien der Zukunft, wo man doch einen Einfluss haben kann, wie die Zukunft technologisch aussehen wird, und man sich auch nicht wirklich entscheiden muss, weil man tatsächlich an einem Tag an sehr praktischen Fragen arbeiten kann über Quantenrechner und deren Anwendungsmöglichkeiten und dann wieder eine Arbeit schreibt über Temperatur in der Natur oder so oder Dinge, die jetzt nicht besonders praktisch sind, aber doch irgendwie tiefe Aussagen über das Wesen der Natur liefern. Das finde ich eigentlich total faszinierend, auch bis heute. Also ich bin immer noch sehr motiviert am Thema und das lässt auch irgendwie nicht nach über die Jahre. 

Röder: Vielen Dank, dass Sie Ihr Wissen geteilt haben, Ihre Leidenschaft und uns diese Welt, die ja wirklich manchmal sehr schwer vorstellbar ist, heute etwas nähergebracht haben. Vielen Dank, Professor Eisert.

Eisert: Ja, gerne. 

Röder: Wenn Ihnen dieser Podcast gefällt, bewerten und teilen Sie ihn gerne. Mein Name ist Marie Röder und ich freue mich auf das nächste Mal bei #AskDifferent, der Podcast der Einstein Stiftung. Warum Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anders fragen.