ALBERT fragt ...

Was offenbaren DNA-Daten über Berlins Bevölkerung im Mittelalter?

Antwort von Jörg Feuchter

 

Wir untersuchen DNA aus Skelettfunden von 120 Menschen, die im Hochmittelalter in der Region Berlin-Brandenburg gelebt haben. Dadurch erhoffen wir uns Erkenntnisse über den Kulturwandel der Region, die sich in kurzer Zeit von einem Gebiet mit elbslawischer Kultur und nichtchristlicher Religion hin zur überwiegend deutschsprachigen und christlichen Mark Brandenburg entwickelte. Wir fragen also: Was verändert sich in ausgewählten Städten? Was entsteht neu?

Wir sequenzieren und digitalisieren die DNA und werten sie dann statistisch aus. Das eröffnet uns einen Einblick in biologische Verwandtschaftsverhältnisse und das biologische Geschlecht. Wir können auch herausfinden, ob die Personen oder ihre Vorfahren aus weit entlegenen Regionen zugewandert sind; Aussagen über soziale Konstrukte wie Ethnizität, soziales Geschlecht und soziale Verwandtschaft können wir jedoch nicht treffen.

Zudem betrachten wir die DNA-Daten kombiniert mit anderen archäologischen oder naturwissenschaftlichen Methoden, Quellen und Verfahren. So wissen wir durch Radiokarbondiatierungen von Knochen, dass Berlin und seine Nachbarstadt Cölln bereits Mitte des 12. Jahrhunderts bestanden und nicht erst Anfang des 13. Jahrhunderts gegründet wurden. 

Ein wichtiger Teil unseres Projekts ist auch die Methoden- und Konzeptreflexion: Wir erhalten über DNA-Daten einen ganz neuen Zugang, die Methoden verbessern sich zudem fortlaufend und ermöglichen immer mehr und präzisere Erkenntnisse. Ich sehe daher die interdisziplinäre Arbeit mit DNA-Daten als große Chance für die Geschichtswissenschaften, die es dringend auszubauen gilt.

Experte

Jörg Feuchter ist Historiker und Leiter der Arbeitsstelle „Regesta Imperii – Regesten Kaiser Friedrichs III.“ in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Im Projekt „Migration und städtische Demographie im hochmittelalterlichen BerlinBrandenburg“ arbeitet er mit einer Archäologin und Genetiker:innen zusammen.

März 2025