ALBERT fragt ...

Ein Beitrag aus ALBERT Nr. 10 "Sozialdemografie"

Wie lässt sich Erben gerechter regeln?

Antwort von Stefan Gosepath

 

Erben, zumindest von materiellem Vermögen und finanziellem Kapital, verstößt gegen fünf zentrale Gerechtigkeitsprinzipien: die Chancengleichheit, das Verdienstprinzip, die demokratische Gleichheit – denn mit Vermögen kommt auch Einfluss –, die soziale Gleichheit – denn es eröffnet auch Zugänge und Lebensräume – sowie die Verteilungsgerechtigkeit

Prinzipiell ist also nicht das Erbe ungerecht, sondern die Ungleichheit, die sich daraus ergibt und die birgt Gefahren für Gesellschaft und Demokratie.

Die Lösung wäre, Erbschaften gleicher zu verteilen. Das ginge zum Beispiel durch hohe Steuern. Die nächste Frage wäre dann: Was macht man mit dem Geld und wie verteilt man es gerecht? Für mich ist die Chancenungleichheit das Kernproblem und die setzt früh ein. Ich finde, man sollte die zusätzlichen Steuereinnahmen in Institutionen anlegen, die Chancengleichheit von Geburt an fördern.

Bei aller politischen Umstrittenheit ist die Debatte um gerechteres Erben wichtig und aktuell. Denn in Deutschland sehen wir derzeit zwei Entwicklungen: zum einen eine Erbschaftswelle der Wirtschaftswundergeneration an ihre Nachfahren, die die Schere zwischen Arm und Reich wachsen lässt; denn wer einmal Geld hat, kann viel leichter mehr davon verdienen. Zum anderen sind die Menschen in Ostdeutschland hiervon ausgeschlossen – eine schreiende Ungerechtigkeit. Wir müssen also jetzt die Erbschaftswelle bremsen, damit Erben überschaubar und seine gesellschaftlichen Auswirkungen gerecht bleiben.

Experte

Stefan Gosepath ist Professor für Praktische Philosophie an der Freien Universität Berlin. In seiner Forschung befasst er sich mit Gerechtigkeit in der Praxis, Globaler Gerechtigkeit, Menschenrechten und Verantwortung sowie dem Erben und Vererben, unter anderem im interdisziplinären EinsteinZirkel „Liminality and Transfer“.

März 2025