Grüner Wasserstoff wird bisher vor allem aus aufbereitetem Reinstwasser durch Elektrolyse gewonnen. Ein Team um den Chemiker Peter Strasser von der Technischen Universität Berlin hat einen Elektrolyseur entwickelt, der Salzwasser effektiv spalten kann. Damit wird es einfacher, das grüne Gas auf hoher See zu produzieren – mit Strom aus Offshore-Windparks
Text: Ralph Diermann
Die Energiewende braucht Wasser, viel Wasser – unter anderem als Ausgangsprodukt für die Erzeugung von Wasserstoff. Wenn es nach Peter Strasser von der Technischen Universität (TU) Berlin geht, kommt dieses Wasser in Zukunft vor allem aus dem Meer. Er hat eine Technologie entwickelt, die es möglich machen soll, Wasserstoff aus verschmutztem und salzhaltigem Wasser zu gewinnen, das dafür nur wenig gereinigt werden muss. Das könnte der Energiewende in Deutschland wie auch weltweit ein zusätzliches Werkzeug an die Hand geben, um Wasserstoff einfacher als bisher zu produzieren.
Auch wenn Wasserstoff (H²) das leichteste Element des Universums ist – für den Klimaschutz hat er ein enormes Gewicht: Wasserstoff und seine Folgeprodukte wie E-Fuels sollen künftig fossiles Öl, Gas und Kohle ersetzen, wo eine Elektrifizierung von Anlagen, Maschinen und Motoren nicht möglich ist. Erzeugt mit Wind- und Solarstrom, dient der grüne Wasserstoff zugleich als Speicher für erneuerbare Energien.
Auf der Erde liegt Wasserstoff allerdings so gut wie nirgends in elementarer Form vor, sondern vor allem als Verbindung mit Sauerstoff – als Wasser. Daraus lässt sich der begehrte Stoff mit Elektrolyse lösen: Wasser wird unter Strom gesetzt, sodass es sich vom Sauerstoff trennt.
Die heute verfügbaren technischen Anlagen zur Wasserstoffgewinnung, Elektrolyseure genannt, benötigen dafür aufbereitetes Wasser, vor allem weil das im Salzwasser enthaltene Natriumchlorid ihre Komponenten beschädigen würde. Wo kein Wasser in ausreichender Reinheit zur Verfügung steht, müssen die Betreiber deshalb zusätzlich zum Elektrolyseur Entsalzungsanlagen mit mehreren Entsalzungsschritten installieren, um Meerwasser nutzen zu können. Die benötigen jedoch Platz und eine aufwendige Wartung. „Die Wasserstofferzeugung wird komplexer, wenn der Elektrolyse noch mehrere Prozesse vorgeschaltet werden müssen“, erklärt Strasser, der das Fachgebiet Technische Chemie und Elektrokatalyse an der TU Berlin leitet. Das ist vor allem mit Blick auf die Produktion von Wasserstoff in Offshore-Windparks eine Herausforderung, da der Bau und Betrieb von Entsalzungsanlagen auf hoher See weit aufwendiger sind als an Land.
Doch es könnte auch ohne diese mehrstufige Entsalzung gehen, ist Strasser überzeugt: Zusammen mit seinem Forscherteam hat der Chemiker einen Elektrolyseur entwickelt, der mit Meerwasser zurechtkommt – und ohne zusätzliche Entsalzungsanlage mit Windstrom Wasserstoff erzeugen soll. „Wir wollen mit unserer Arbeit dazu beitragen, das große Potenzial zu erschließen, das in der Offshore-Elektrolyse liegt“, sagt Strasser. „Dafür erforschen wir unter anderem, wo die benötigten Reinheitsgrenzen des Wassers liegen.
Eine Lösung auch für trockene Regionen
Das Konzept der Offshore-Elektrolyse hat vor allem deshalb viel Charme, weil der aufwendige, kostspielige Anschluss der Windräder an das landseitige Stromnetz entfällt, wenn die Windenergie gleich vor Ort genutzt wird. Der Wasserstoff kann dann vergleichsweise einfach und günstig per Pipeline zum Festland befördert werden. Kein Wunder also, dass die Bundesregierung der Elektrolyse auf hoher See große Bedeutung beimisst. So sieht die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) vor, hier bis 2030 eine Erzeugungskapazität von mindestens einem Gigawatt zu installieren. Damit lässt sich der Strom von rund 110 mit voller Leistung laufenden Offshore-Windrädern der heutigen Generation verwerten. Damit das Ausbauziel erreicht wird, hat der Bund mit dem Programm H2Mare ein Wasserstoff-Leitprojekt aufgesetzt, das die Forschung zur Offshore-Elektrolyse voranbringen soll. Die TU Berlin erhält für die Entwicklungsarbeit von Strasser und seinem Team Mittel aus diesem Programm.
Doch auch für die Produktion von Wasserstoff in Regionen mit wenig Niederschlag, etwa im Norden Chiles oder in Australien, hat die Arbeit der Berliner Forscher:innen große Bedeutung – dort müssen die Betreiber ebenso auf Meerwasser oder minderwertiges Wasser zurückgreifen. Neben den Wind- werden hier Solarparks die nötige Energie liefern. Deutschland ist trotz des vorgesehenen Ausbaus der Offshore-Windenergie samt Elektrolyseuren auf See auf Importe aus solchen Regionen angewiesen, da die Nachfrage nach Wasserstoff weit größer sein wird als die Mengen, die hierzulande erzeugt werden können. Das liegt daran, dass es selbst auf See nicht genügend Flächen gibt, um so viel Strom zu erzeugen, wie für eine vollständige Selbstversorgung mit Wasserstoff nötig wäre.
Neue Materialien schützen Elektrode
Die Berliner Wissenschaftler:innen konzentrieren sich in ihrer Arbeit auf die sogenannte Alkalische Austauschmembran-Elektrolyse. Wie alle Elektrolyseure enthalten die Anlagen eine Kathode und eine Anode, deren Oberflächen mit Katalysatoren ausgerüstet sind. Wenn nun zwischen Kathode und Anode eine elektrische Spannung aufgebaut wird, spalten die Katalysatoren das Salzwasser. An der Anode bildet sich Sauerstoff, an der Kathode Wasserstoff.
Das Problem dabei: Im Salzwasser gelöstes Natriumchlorid reagiert mit Molekülen des die Anode und die Kathode umspülenden, elektrisch leitfähigen Elektrolyten zu Hypochlorit – eine aggressive, oft zur Desinfektion eingesetzte Chemikalie, die die Komponenten der Anlage angreift. „Das verhindern wir, indem wir für die Katalysatoren der Anode nicht wie üblich Materialien auf Basis von Platinum oder Iridium, sondern von Nickel verwenden“, erläutert Strasser.
Damit allein ist es aber nicht getan. Denn auch die Kathode leidet: Ionen der im Salzwasser enthaltenen Erdalkali-Metalle wie Kalzium oder Magnesium bilden auf dem Katalysator einen Belag, der ihn deaktiviert. Das Forscherteam der TU Berlin hat ihren Elektrolyseur deshalb so konstruiert, dass das Salzwasser nur der Anode zugeleitet wird. Eine ionenselektive, aber wasserdurchlässige Membran zwischen Kathode und Anode verhindert, dass die Erdalkali-Ionen zur Kathode gelangen. „Wir bringen hier chemische Kreativität mit ingenieurwissenschaftlicher Innovation zusammen“, sagt Strasser. Ob sich das bislang nur im Labor erprobte Anlagendesign auch in der Praxis bewährt, will Strassers Team nun zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) im Hafenbecken von Bremerhaven prüfen. Dort werden die Forscher:innen auch untersuchen, wie sich verhindern lässt, dass sich Organismen aus dem Meerwasser in den Elektrolyseuren ablagern. Ist der Pilotversuch erfolgreich, wäre das ein großer Schritt für die Offshore-Elektrolyse – und damit für die gesamte Energiewende.
Stand: März 2024