Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass die Agrarlandschaften den klimatischen Veränderungen standhalten, gerade in Ostdeutschland. Es braucht dringend neue Konzepte, um Landdegradierung zu verhindern.
Ein Plädoyer von Eva Paton
Wenn Land aufgrund natürlicher oder anthropogener Einflüsse degradiert, ist es langfristig nicht mehr in der Lage, seine bisherigen ökonomischen oder ökologischen Funktionen zu erfüllen. Wasserstress spielt dabei eine zentrale Rolle. Wenn durch untypische Dürrephasen die Bodenfeuchte wiederholt nicht mehr ausreicht, um Vegetation mit Wasser zu versorgen, verwelken die Pflanzen, der Boden erodiert und die Landbewirtschaftung versagt. Das kann zu erheblichen Verlusten von Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und Ernteerträgen führen.
Steigende Temperaturen verstärken den Wasserstress durch erhöhte Verdunstung: Es geht noch mehr wertvolle Bodenfeuchte für die Vegetation verloren. Habitate, die an die Hitze nicht angepasst sind, werden bleibend geschädigt. Gleichzeitig lassen sich durchaus positive Effekte zunehmender Wärme erkennen, wie die Verlängerung von Anbauperioden oder die Ansiedlung neuer, gewünschter (im Gegensatz zu invasiven) Pflanzenarten, die besser an höhere Temperaturen angepasst sind.
Es ist klar, dass die Temperaturen steigen – der Aufwärtstrend gilt als sicher. Wie sich allerdings der Niederschlag in den nächsten Jahrzehnten, speziell im jetzt schon von Trockenheit besonders geplagten Osten Deutschlands, entwickeln wird, ist noch nicht klar. Häufigere, längere oder stärkere Dürren aufgrund stabiler Großwetterlagen sind genauso möglich wie vermehrte und extremere Starkregen wegen erhöhter Energie im System – oder auch keines von beidem.
Schaut man die möglichen Verschiebungen im Temperatur- und Niederschlagsregime und die sich daraus ergebende Wasserverfügbarkeit näher an, sind drei Szenarien für Deutschlands Osten denkbar: Bei vermehrter Trockenheit in Kombination mit Starkregen könnte sich die Landschaft zu einer stark degradierten Steppe entwickeln, mit spärlicher Vegetationsbedeckung und wenig Wäldern; die Ernten wären unsicher, Feuchtgebiete wie der Spreewald mehr oder weniger vollständig ausgetrocknet. Im zweiten Szenario schaffen wir die Landwende als transformativen Wandel. Durch dezentrale Bewässerung mit zurückgehaltenem Regenwasser entsteht eine einträgliche Landschaft mit diversifizierter Landwirtschaft und neuartigen, klimaangepassten Ackerfrüchten einschließlich heute noch ungewöhnlicher, fast exotisch anmutender Arten wie Artischocken. Im dritten Szenario bleibt alles beim Status quo, weil die hydroklimatischen Veränderungen insgesamt doch nicht groß genug sind, um die ostdeutschen Agrarlandschaften zu destabilisieren.
Hydrolog:innen sind weder Unken noch Prophet:innen, aber es wäre un-verantwortlich, sich darauf zu verlassen, dass alles beim Alten bleiben wird. Derzeitige Anstrengungen zielen darauf ab, das erstgenannte Szenario zu verhindern oder in seiner Extremität abzupuffern. Wir müssen aber auch dringend an der Landwende arbeiten, um uns an die bevorstehenden Bedingungen anzupassen, da der Wasserstress allein aufgrund der steigenden Temperaturen zunehmen wird. An niedrigere Erntemengen wird man sich also gewöhnen müssen, dafür könnte die Ernte vielfältiger werden. Neben den großen Aufgaben der Sortenanpassung, der Bewältigung von neuartigen Schaderregern und der Veränderung des Konsumentenverhaltens müssen – aus hydrologischer Sicht – dringend Konzepte für dezentralen Wasserrückhalt in der Landschaft, ressourcenschonendes Bewässerungsmanagement und die Etablierung erosionsmindernder Landschaftsstrukturen her. Ist das Land erstmal degradiert, ist es aufgrund einer Reihe ökohydrologischer Rückkopplungsdynamiken schwierig oder unmöglich, den Ausgangszustand wiederherzustellen. Daher muss jetzt mehr getan werden. Forschung quer durch die Umwelt- und Agrarwissenschaften – und gemeinsam mit der Gesellschaft – ist dabei essenziell, um eine sinnvolle Landwende auf den Weg zu bringen.
Expert:in
Eva Paton ist Leiterin des Fachgebiets Ökohydrologie am Institut für Ökologie an der Technischen Universität Berlin. Sie erforscht mit Pedro Alencar im CliWaC-Projekt die Dynamiken und Auswirkungen von Blitzdürren und rapiden Austrocknungsprozessen sowie Möglichkeiten dezentraler Wasserversorgung unter Extrembedingungen.
März 2024