Projektziele: Das unmittelbare Anliegen des Projektes ist die Erarbeitung einer mehrsprachigen kritischen und kommentierten Edition der Aristotelischen Poetik und ihrer Kommentare. Das griechische Original der Poetik wurde zwischen Spätantike und Renaissance in zahlreiche Sprachen übersetzt und kommentiert. Und auch wenn die unterschiedlichen Fassungen für Syrisch-Aramäisch, Arabisch, Latein und Hebräisch auf sowohl historischer wie textlicher Ebene eng verbunden sind, so ist doch jeder Sprachversion ein besonderer Werdegang, eine andersartige kulturell prägende Wirkung und eine individuelle Rezeptionsgeschichte eigen. In ihrer Dynamik macht die Überlieferungsgeschichte der Poetik die Eigenheiten der jeweiligen sprachlichen Kontexte klar sichtbar; zugleich wird deutlich, wie sich über gemeinsame Wertvorstellungen, Interrelationen und erkenntnistheoretische Anliegen eine historische Klammer für diese Gesellschaften ausbildet.
Prospektivisch soll das Editionsprojekt ein Modell für die historische Forschung zur Entwicklungs- und Wissensgeschichte im Westen (sprich: westlich von Indien) bieten. Für ein stimmiges Gesamtbild muss der Bogen einer solchen Überlieferungsgeschichte zwischen Antike und Renaissance aus unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachtet und die Expertise von Wissenschaftlern/innen aus allen Fachrichtungen der Kulturphilologien einbezogen werden: Unmöglich lässt sich die interkulturelle Spannweite eines Werks wie der Poetik in ihrer Gesamtheit allein über monothematische, einzelsprachlich oder kulturell-religiös basierte Forschung erfassen. Das Modell einer sprachen- und fächerübergreifenden Forschung, wie für die Poetik des Aristoteles erarbeitet, zielt eben nicht nur auf eine gründlichere kritische Textedition ab, sondern entwickelt eine holistische Chronik ihrer kulturellen Horizonte.
Mit dem Fortbestand der Poetics-Forschergruppe ist ein erster Schritt bereits eingelöst, Graeco-Arabische Forschung in der breit gefächerten Ausrichtung des Projektes — also im Sinne eines weit gefassten westlichen (nämlich als "westlich von Indien" definierten) philosophischen und wissensgeschichtlichen Erbes — als unabhängige philologische Forschungsrichtung zu implementieren.
Das Ziel, ein entsprechendes Curriculum an den Hochschulen einzuführen und Berlin als Standort für dauerhafte Graeco-Arabische Forschung zu etablieren, welcher künftige Gemeinschaftsvorhaben und die Forschung der Berliner Akteure aus den jeweiligen Fachrichtungen mit weltweiten Vorhaben vernetzt, bleibt bislang Vision, auch wenn der Zeitpunkt günstig scheint, da gerade in der jüngsten Vergangenheit die Arabistik deutlich an Einfluss und Sichtbarkeit im Rahmen der Geisteswissenschaften hinzugewonnen hat. Wir sind überzeugt davon, dass ein interaktiver Ansatz im Verbund mit den Klassischen Philologien und der Philosophie in die richtige Richtung weist. Bereits im Oktober 2023 nimmt ein weiteres ERC-Forschungsvorhaben zu "Polymaths in the Islamic Middle Period" an der Freien Universität Berlin die Arbeit auf und wird dieses akademische Konzept weiter vertiefen. Das Event, mit dem die gedruckte mehrsprachige Edition der Poetik der Öffentlichkeit vorgestellt werden wird, soll zugleich eine Einladung an die beteiligten Forscherinnen und Forscher sein, diese Vision weiter zu entwickeln.