Der Einstein-Zirkel mit dem Titel „Globalgeschichte“ hatte zum Ziel, die Möglichkeiten dieses noch relativ jungen wissenschaftlichen Ansatzes auszuloten und zu diesem Zweck Wissenschaftlerinnen aus unterschiedlichen Feldern und Disziplinen zusammenzubringen. Drei konkrete Fragen standen dabei im Vordergrund: Erstens die drängende Frage nach den Gründen für das Erstarken von Abgrenzungstendenzen und populistischen Strömungen, die sich gegen die Versprechen der Globalisierung richteten. Zweitens die Frage, wie sich die Hierarchien der Wissensproduktion modifizieren und überwinden lassen. Immer noch ist Wissen nicht für alle gleichermaßen zugänglich, und große Unterschiede bezüglich des Möglichkeit der Wissensproduktion bestehen fort. Darüber hinaus bleiben eurozentrische Annahmen – ein Vermächtnis der langen Phase der westlichen Hegemonie in der Weltgeschichte – in vielen Bereichen prägend. Die Werkzeuge, mit denen wir die Welt verstehen, sowohl im öffentlichen Bereich als auch in den Sozial- und Geisteswissenschaften, haben eurozentrische Annahmen in ihre Konzepte und Methoden eingebaut. Besonders haben wir uns dafür interessiert, wie diese vorherrschenden Wissensformen immer wieder durch alternative (außereuropäische) Wissensordnungen in Frage gestellt wurden, die – zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Teilen der Welt – die Welt ganz anders beschrieben und konzeptualisiert haben.
Der dritte Schwerpunkt bezog sich auf das große Thema der globalen Ungleichheit. Dieses Thema war es auch, dem wir im Verlauf des Projekts immer größere Aufmerksamkeit widmeten. Damit knüpften wir an eine lebendige internationale Debatte an, die es zu historisieren, geografisch auszuweiten und durch ein umfassenderes Verständnis von Ungleichheit erweitern gilt. Seit Thomas Pikettys bahnbrechendem Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" ist die sozioökonomische Ungleichheit zu einem heiß diskutierten Thema in den Sozialwissenschaften und in der Öffentlichkeit geworden. Dabei wird auch angenommen, dass Ungleichheit die politische Polarisierung und den Aufstieg des Rechtspopulismus in den westlichen Ländern und darüber hinaus vorantreibt. Die Diskussion hat infolgedessen ein wachsendes Interesse bei Sozial- und Politikwissenschaftlern hervorgerufen. Sowohl die historische als auch die globale Dimension bleiben jedoch in unserer Einschätzung nach wie vor unterbelichtet. Hier haben wir versucht, einen neuen Beitrag zu leisten. Auf der einen Seite zielten unsere Debatten darauf, die Debatte selbst zu historisieren. Was jeweils als ungleich angesehen wurde, ist im Wesentlichen historisch bedingt - und es war von Ort zu Ort unterschiedlich. Dies wird allzu oft durch einen von der Gegenwart und der nordatlantischen Erfahrung abgeleiteten Rahmen überdeckt. Nur eine historische Perspektive hilft uns zu verstehen, wann und warum der Gini-Koeffizient das Maß der Wahl wurde und andere Dimensionen der Ungleichheit in den Hintergrund traten. Von der konfuzianischen Betonung einer gerechten Regierung bis zum Bruttonationalglück, das heute in Bhutan berechnet wird, sind die Vorstellungen von Ungleichheit zeit- und ortsspezifisch. Die Frage nach der historischen Formbarkeit von "Ungleichheit" und danach, wann Ungleichheit als ungerecht angesehen wurde, muss ein zentrales Thema globalhistorisch orientierter Ungleichheitsforschung sein.
Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass die Globalgeschichte mit ihrer Verankerung in den Area Studies und ihren vielfältigen Methoden ideal geeignet ist, die sozialwissenschaftlichen Debatten zu historisieren, zu entprovinzialisieren und thematisch zu erweitern. Insbesondere lassen sich auf diese Weise die Zusammenhänge zwischen innergesellschaftlichen Ungleichheiten einerseits und historisch bedingten Prozessen globaler Verflechtung und (Des-)Integration andererseits aufzeigen. Diese Verschränkung wird in der gegenwärtigen Diskussion noch viel zu wenig berücksichtigt. Und schließlich sind Globalhistoriker:innen auf die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Faktoren eingestellt, die Vorurteile und Hierarchien hervorbringen, von der Geopolitik bis hin zu Klasse, Geschlecht und Rasse. All diese Aspekte sind Teil eines Forschungsprogramms, das hoffentlich in den nächsten Jahren Früchte tragen wird.