Die zweite Hälfte der Arbeit

Um dem demografischen Wandel zu begegnen, müssten Frauen mehr Stunden arbeiten. Doch das geht nur, wenn sie bei der Sorgearbeit entlastet werden. Die Ökonomin Katharina Wrohlich über Wege in eine gerechtere Aufteilung der Sorge- und Erwerbsarbeit 

In den letzten 20 Jahren ist vor allem in Westdeutschland die Erwerbsbeteiligung von Frauen stark gestiegen. Der Kita-Ausbau hat dazu geführt, dass viele Mütter mit jungen Kindern in Westdeutschland ihre Erwerbsbeteiligung erhöht haben. In Ostdeutschland war diese schon auf deutlich höherem Niveau. Die Erwerbsquote von Frauen in Deutschland zählt inzwischen zu den höchsten in Europa. Wir sehen aber auch, dass die Hälfte der beschäftigten Frauen in Teilzeit arbeitet – bei Männern sind es nur zwölf Prozent. Die Vollzeitquote von Frauen ist nicht gestiegen, bei Müttern sogar leicht gesunken. 

Wenn man Erwerbs- und Sorgearbeit (beispielsweise Kinderbetreuung, Einkaufen, Kochen, Saubermachen) zusammenzählt, arbeiten Frauen und Männer heute in etwa gleich viel. Wenn sich die Sorgearbeit nicht anders verteilt und nur die Erwerbsarbeit der Frauen ausdehnt, würden diese insgesamt deutlich mehr arbeiten als Männer – und hätten entsprechend weniger Freizeit. Von Frauen zu verlangen, ihre Erwerbsarbeitszeit auszudehnen, setzt voraus, dass die Sorgearbeit gleichmäßiger aufgeteilt wird.

Junge Familien wünschen sich zunehmend eine egalitärere Aufteilung, etwa nach dem Modell: Beide arbeiten „kleine Vollzeit“ oder „große Teilzeit“ – also mehr als 20, aber unter 40 Stunden – und teilen sich die Sorgearbeit gleichmäßig auf. Doch die Daten zeigen, dass weniger Familien nach diesem Modell leben, als sie es sich wünschen. Die für die Zukunft relevante Frage lautet: Warum sehen wir das gewünschte Modell nicht viel häufiger? Das Elterngeld hat dazu geführt, dass deutlich mehr Väter Elternzeit nehmen. Vor seiner Einführung taten dies nicht einmal drei Prozent, jetzt sind es mehr als 40 Prozent. Das ist schon ein bedeutender Anstieg. Aber: Die meisten Väter nehmen nur zwei Monate. Ich denke, dass die Politik hier weitere Reformen anstrengen sollte, um Anreize zu setzen.

Eine weitere Möglichkeit, zu einer gleichmäßigeren Aufteilung zu kommen, wäre es, die Subventionierung der Minijobs abzuschaffen. Insbesondere für verheiratete Frauen, deren Partner ein höheres Einkommen hat, ist der Schritt aus dem Minijob heraus sehr unattraktiv. In vielen Konstellationen verliert eine Familie Nettoeinkommen, wenn die Mutter ein paar Stunden über die Minijobgrenze hinaus arbeitet. Auch eine Reform des Ehegattensplittings wäre sinnvoll. Darüber diskutieren wir schon seit Jahrzehnten. 

Und die Lage ist noch komplexer: Diejenigen, die in Rente gehen, fehlen ja nicht nur dem Arbeitsmarkt. Irgendwann sind sie zu einem gewissen Anteil pflegebedürftig, und das bindet wieder Arbeitskräfte in ihrer Erwerbsphase. Heute ist es so, dass Frauen auch diese Sorgearbeit oft unbezahlt übernehmen. Gleichzeitig wollen wir die Erwerbsbeteiligung von Frauen ausgerechnet in der Altersgruppe erhöhen, die häufig die Pflege übernimmt. Da gibt es einen Zielkonflikt. 

Als einzige gute Antwort darauf sehe ich, dass sich die unbezahlte Sorgearbeit auf mehr Schultern verteilen muss. Wenn wir wollen, dass Frauen vermehrt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, müssen wir dafür sorgen, dass Sorgearbeit gleichmäßiger verteilt wird.


Autorin

Katharina Wrohlich ist Professorin für Öffentliche Finanzen, Gender- und Familienökonomie an der Universität Potsdam und Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin.

März 2025

Mehr zum Thema 3/4

Technologie ist kein Allheilmittel für demografischen Probleme. Sie muss richtig eingesetzt werden, um Risse in der Arbeitswelt nicht noch zu verstärken. Der Soziologe Philipp Staab zu den Grundlagen einer zukunftsfähigen Digitalisierung der Arbeitswelt

Kollege Roboter