Die Lungenkrankheit Mukoviszidose bedeutete lange Zeit einen frühen Tod. Marcus Mall ist es gelungen, eine Therapie aus drei winzigen Molekülen mitzuentwickeln, die fehlgefaltete Proteine reparieren und Betroffenen so eine normale Lebenserwartung verschaffen können. Um auch Patient:innen mit fortgeschrittener Erkrankung besser helfen zu können, will er nun auch das Lungen-Mikrobiom besser verstehen.
Mukoviszidose ist eine schwere chronische Erbkrankheit, die vor allem die Lunge betrifft und bei der Schleim eine zentrale Rolle spielt. Wir atmen jeden Tag Millionen von Bakterien, Allergenen und Viren ein. In einer normal funktionierenden Lunge werden diese an Schleim gebunden und abtransportiert. Bei Mukoviszidose ist dieser Schleim zu trocken, zäh und klebrig – der Abtransport funktioniert nicht. Dann bilden sich Schleimpfropfen, die die Atemwege verstopfen und einen idealen Nährboden für inhalierte Bakterien bilden. Auf die Dauer kommt es zu einer chronischen Infektion und starken Entzündungsreaktion, was über die Jahre die Lunge zerstört. Atemprobleme zeigen sich bei den meisten Betroffenen schon in den ersten Lebensmonaten; letztlich sterben sie an Lungenversagen.
Die Ursache ist eine Fehlfunktion von Chloridkanälen, die auf Schleimhautoberflächen eine wichtige Rolle beim Salz- und Wassertransport spielen. Bevor sie in die Zellmembranen eingebaut werden, müssen sie auf eine bestimmte Art gefaltet werden. Eine Genmutation verhindert diesen Schritt – dann landen die Kanäle gar nicht in der Zellmembran und können ihre Funktion nicht ausführen.
Als ich im Frühjahr 1990 anfing, Medizin zu studieren, war wenige Monate zuvor die genetische Ursache der Mukoviszidose entdeckt worden. Damals dachte man: Wenn man den Gendefekt kennt, kann man einfach die korrigierte Gensequenz in den Körper einschleusen, das „kaputte“ Gen reparieren und die Krankheit heilen. Auch ich war begeistert von dieser Vorstellung. Doch in der Praxis klappt das bis heute nicht. Im Labor lassen sich veränderte Gene in Zellen ersetzen, doch es bleibt ein Riesenproblem, sie in die betroffenen Körperzellen zu bringen.
So kehrte nach der ersten Euphorie schnell Ernüchterung ein – auch weil wir bald lernten, dass es über 2000 verschiedene Mutationen in dem Mukoviszidose-Gen gibt, die die Erkrankung verursachen können. Die Forschung hat sich zunächst auf die zugrunde liegenden Mechanismen konzentriert, die die Funktion der Chloridkanäle stören, und dann Hunderttausende Substanzen darauf getestet, ob sie die Funktion der Chloridkanäle bei Betroffenen verbessern.
Vor einigen Jahren ist ein Durchbruch gelungen, an dem wir hier in Berlin maßgeblich beteiligt waren: Mit einer Kombinationstherapie aus drei kleinen Molekülen – sogenannten small molecules, die viel kleiner sind als Eiweißmoleküle – kann man jetzt die Fehlfaltung der Kanäle ziemlich gut reparieren. Die drei kleinen Moleküle bekämpfen Mukoviszidose direkt an ihrem Ausgangspunkt in der Zelle: Zwei von ihnen, die „Korrektoren“, docken an das fehlgefaltete Protein an – ein bisschen wie ein Pflaster. Dadurch kann es sich wieder normal falten und in die Zellmembran eingebaut werden. Dort hilft das dritte Molekül des Reparaturteams, der „Potenziator“, die Funktion des Chloridkanals zu verbessern.
Bisherige Therapien wie schleimlösende Inhalationen oder Antibiotika konnten die Lebenserwartung der Betroffenen auf ungefähr 40 Jahre erhöhen. Mit der neuen kausalen Therapie, die in Tablettenform verabreicht wird, können wir bei Erwachsenen mit bestehender Lungenerkrankung die Lebensqualität und Lebenserwartung wahrscheinlich noch einmal deutlich erhöhen.
Wenn es uns in Zukunft gelingt, diese Therapie schon im Säuglings- oder sogar im Neugeborenenalter anzufangen, hätten die Patient:innen eine echte Chance auf eine fast normale Lebenserwartung. Damit könnten wir für 90 Prozent aller Betroffenen mit einer bestimmten Mutation aus einer bisher tödlich verlaufenden Krankheit eine gut behandelbare chronische Erkrankung machen.
Insbesondere bei Betroffenen mit fortgeschrittener Mukoviszidose wird die Aktivierung der Chloridkanäle durch die drei kleinen Moleküle jedoch nicht ausreichen, um die chronische Infektion mit Problemkeimen wie Pseudomonas aeruginora und die daraus resultierende chronische Entzündungsreaktion vollständig in den Griff zu bekommen. Für eine weitere Verbesserung der Therapie dieser Patientengruppe wollen wir das Mikrobiom der vorgeschädigten Atemwege und die zugrundeliegenden Mechanismen der chronischen Inflammation besser verstehen und Angriffspunkte finden, diese gezielt zu unterbrechen.
Schon jetzt hat die Therapie Modellcharakter für die Behandlung anderer seltener chronischer Lungenerkrankungen. Denn sie zeigt, dass man mit der Kenntnis des Gendefekts und der Krankheitsmechanismen gezielte Therapien entwickeln kann.
Aufgezeichnet von Mirco Lomoth