Homo sapiens ist nicht unbedingt ein rationales Wesen. Die Psychologin Elke Weber widmet sich der Frage, wie menschliche Entscheidungen durch Kalkül, Emotionen und soziale Umstände geprägt werden. Ihre Forschungsergebnisse nutzt sie, um Entscheidungsarchitekturen zu entwerfen, die uns bei der Bewältigung drängender Herausforderungen wie dem Klimawandel unterstützen.
Warum ist es so schwierig, angesichts des Klimawandels vom Denken ins Handeln zu kommen? Stellen Sie sich einen Hummer in einem Kochtopf vor, in dem sich das Wasser langsam erhitzt. Bis vor kurzem war der Klimawandel für die westlichen Gesellschaften auf der nördlichen Hemisphäre ein eher schleichendes und überwiegend mittels Statistiken diskutiertes Phänomen. Wir haben ihn kaum zur Kenntnis genommen. Und ehe wir uns versehen, sitzen wir im siedenden Wasser, ohne auch nur im Ansatz begriffen zu haben, dass wir uns in akuter Gefahr befinden. Genau wie der Hummer im Kochtopf. An welchem Punkt also fällen wir die Entscheidung, aus dem Kochtopf zu springen und aktiv zu werden?
Mich fasziniert es, wie Menschen auf Veränderungen in ihrem Umfeld reagieren. Wie sie sich an diese Veränderungen anpassen oder daran scheitern, insbesondere dann, wenn es sich um langfristige Phänomene handelt, die außerhalb unseres evolutionären Erfahrungshorizonts liegen, wie der Klimawandel.
Historisch betrachtet scheinen wir eine erstaunlich erfolgreiche Spezies zu sein. Unserem Erfolg sind allerdings Grenzen gesetzt. Vielleicht stoßen wir schon bald an das Limit des Machbaren. Ich möchte Menschen dabei helfen, die Schwierigkeiten zu überwinden, die sie im Zuge von Anpassungsprozessen erleben. Meines Erachtens hat Wissenschaft den Zweck, das Dasein für uns Menschen und für andere Arten positiver zu gestalten.
Menschliche Entscheidungsprozesse werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Wir unterscheiden in der Regel drei Kategorien: Kalkülbasierte Entscheidungen, die rationaler Natur sind; emotionale Entscheidungen, bei denen wir zum Beispiel aus Angst, Schuldgefühl oder Hoffnung handeln; und schließlich regel- oder rollenbasierte Entscheidungen, die mit unserer sozialen Rolle und der Tatsache verknüpft sind, dass wir soziale Tiere sind.
In meinem Labor versuchen wir das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Entscheidungsprozesse nachzuvollziehen. Wir wollen wissen, wie wir sie nutzen können, um bessere Entscheidungen zu treffen – besser in dem Sinn, dass wir sie langfristig nicht bereuen.
Nehmen wir zum Beispiel die persönlichen Entscheidungen, die wir treffen, um unseren CO2-Fußabdruck zu verringern. Hier würde ein kalkülbasierter Entscheidungsprozess wahrscheinlich keine grundlegenden Veränderungen nach sich ziehen. Wenn ich zum Beispiel abwäge, ob ich meine fleischlastige Ernährung aufgeben und mich ausschließlich vegan ernähren sollte, komme ich zu dem Schluss, dass die Umstellung mit hohen Kosten verbunden ist und möglicherweise nicht ins Gewicht fällt, wenn alle anderen weiterhin Fleisch essen. Zum Glück agiert Homo sapiens aber auch als soziales Tier. Wir sorgen uns um andere Menschen, um unsere Kinder, Enkelkinder und um künftige Generationen.
Wenn ich beobachte, dass andere Menschen ihr Verhalten ändern, kann das eine Dynamik anstoßen, die bestehende Normen verschiebt. Fleisch zu essen wird dann vielleicht nicht mehr als etwas Cooles und Selbstverständliches angesehen, sondern als etwas, das unseren Planeten zerstört. Dafür müssen gar nicht alle auf einmal umschwenken. Der Kipppunkt liegt in der Regel bei etwa 35 Prozent. Für politische Entscheidungsträger:innen könnte es also eine gute Idee sein, eine signifikante Minderheit mittels Subventionen dabei zu unterstützen, das Richtige zu tun, um die Gesellschaft insgesamt näher Richtung Kipppunkt zu rücken.
In meinem Einstein-Projekt vergleiche ich das urbane Umfeld in Berlin mit dem ländlichen Umfeld in Brandenburg. Wir wollen von kommunalen Entscheidungsträger:innen wissen, woran Interventionen scheitern, die sowohl ihren Bürger:innen hier und heute als auch zukünftig Menschen an anderen Orten zugutekommen. Wir wollen ihnen helfen, die Hürden auszuräumen, die einer langfristigen Klimapolitik im Weg stehen.
Wir werden solche auf den Klimawandel bezogenen Entscheidungsprozesse auch in einem länderübergreifenden Projekt untersuchen, indem wir normenbasierte Interventionen in Berlin, in New Jersey in den USA und in Neu-Delhi in Indien analysieren. In allen drei Städten sind Normen und öffentliches Bewusstsein sehr unterschiedlich ausgeprägt. Daraus können wir dann ableiten, wie Entscheidungsprozesse in Bezug auf klimarelevante Interventionen von wirtschaftlichen und sozialen Faktoren abhängen und wie wir das Entscheidungsumfeld auf kommunaler und städtischer Ebene so nachjustieren können, dass wir alle zur Erreichung globaler Klimaziele beitragen. Meine Hoffnung ist, dass unsere Forschung hilft, diese Klimaziele realistischer zu formulieren, angefangen auf kommunaler Ebene, und schließlich den Hummer dazu motiviert, zum Sprung aus dem Topf anzusetzen.
Aufgezeichnet von Mirco Lomoth