Enzyme treiben Reaktionen an, die das Leben erst ermöglichen. Einstein Visiting Fellow Wonwoo Nam erforscht, wie Metalloenzyme die Produktion von Sauerstoff durch Photosynthese vollbringen und ihn im Körper an diversen lebenswichtigen Reaktionen beteiligen. Dieses Grundlagenwissen wird dringend für eine Grüne Chemie gebraucht.
Der Sauerstoff, den wir einatmen, wird durch ein Eisenion an den aktiven Kern des Hämoglobins in unseren roten Blutkörperchen gebunden. Die Hämoglobinproteine transportieren ihn zu den Zellen unseres Körpers, wo er durch spezifische Metalloenzyme aktiviert wird.
Ich versuche zu verstehen, wie solche Metalloenzyme, die Metalle wie Eisen, Kupfer oder Mangan in ihren aktiven Kernen enthalten, Sauerstoff katalysieren und chemische Moleküle in unserem Körper herstellen, die wir für verschiedene Stoffwechselvorgänge benötigen. Ich untersuche auch, wie Metalloenzyme während der Photosynthese aus Wasser molekularen Sauerstoff (O2) produzieren. Beide Prozesse, die Aktivierung von Sauerstoff und seine Bildung, sind grundlegende chemische Reaktionen. Diese Chemie im Herzen des Lebens zu verstehen, ist das Ziel der bioanorganischen Forschung.
Wir betreiben Grundlagenforschung, um künstliche Metalloenzyme zu entwickeln, die als effiziente Katalysatoren für die Synthese bestimmter Chemikalien für die Industrie dienen können. Wenn die Menschen zum Beispiel zum Mond oder Mars reisen wollen, brauchen sie Sauerstoff. Wenn Wasser verfügbar ist, könnten künstliche Enzyme helfen, aus Wasser Sauerstoffzu gewinnen, den der Mensch atmen kann. Wie in biologischen Prozessen könnten diese künstlichen Enzyme als Helfer des Lebens dienen.
Die Erforschung der Aktivierung und Bildung von Sauerstoff hat eine sehr lange Geschichte. Seit langem ist bekannt, dass Enzyme den Sauerstoff in den Zellen aktivieren. Aber es werden immer wieder neue Enzyme entdeckt, die an dieser Reaktion beteiligt sind. Dasselbe gilt für die Bildung von Sauerstoff. Die chemische Reaktion, bei der aus Wasser Sauerstoff entsteht, ist seit etwa 100 Jahren bekannt, aber wir wissen immer noch nicht genau, wie die Bindung zweier einzelner Sauerstoffatome im molekularen Sauerstoff zustande kommt.
Für mich heißt das: Sehen ist Glauben. Früher konnte man die reaktiven Zwischenprodukte der Sauerstoffaktivierung und -bildung nicht sehen und nahm einfach an, dass sie da sind. Meine Expertise besteht darin, sie sichtbar zu machen und zu isolieren, um ihre Aktivität besser zu verstehen. In den letzten zwei Jahrzehnten habe ich einige wichtige Zwischenprodukte entdeckt, die an den Reaktionen zur Aktivierung und Bildung von Sauerstoff beteiligt sind. Ein Höhepunkt war ein 2003 zusammen mit Professor Lawrence Que Jr. von der University of Minnesota veröffentlichter Artikel in Science, in dem wir zeigten, dass ein Nicht-Häm-Enzym bei der Aktivierung von Sauerstoff ein Eisen-Sauerstoff-Zwischenprodukt bildet. Ich glaube, dass diese Entdeckung ein neues Feld in der bioanorganischen Chemie eröffnet hat.
In meinen Augen sind Enzyme klüger als der Mensch, denn sie haben sich über Jahrmilliarden entwickelt und wissen, wie man alle chemischen Reaktionen beherrscht. Das ist erstaunlich. Werden wir Menschen in der Lage sein, all ihre Reaktionen nachzubilden? Wir hoffen es, aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Wahrscheinlich werden wir noch die nächsten 30 bis 50 Jahre an der Sauerstoffchemie arbeiten. Es könnte sogar eine unendliche Geschichte werden.
Wenn die künstliche Photosynthese eines Tages funktioniert, wird sie alles verändern. Im Grunde wird sie alle unsere Energieprobleme lösen. Wir brauchen dann keine fossilen Brennstoffe mehr zu verwenden. Wir könnten stattdessen Wasser verwenden und so die Luftverschmutzung und die CO2-Produktion vermeiden. Autos werden bereits mit Wasserstoff betrieben, und wir sind in der Lage, Wasser mit Hilfe künstlicher Katalysatoren in Sauerstoff und Wasserstoff zu spalten. Die Produktionskosten sind jedoch noch zu hoch. Die Möglichkeit, kostenlose Sonnenenergie durch künstliche Photosynthese zu nutzen, könnte diesen Prozess erheblich billiger und kommerziell rentabel machen.
Mein Kooperationspartner in Berlin, Professor Kallol Ray, ist ein Experte auf dem Gebiet der Spektroskopie. Er verfügt über das spezifische Know-how, um Zwischenprodukte bioanorganischer Reaktionen zu charakterisieren und künstliche Katalysatoren zu entwickeln. In Kombination mit meiner Expertise in der Synthese von Zwischenprodukten und der Untersuchung ihrer Kinetik und Reaktivität werden wir in der Lage sein, das Wissen über die Aktivierung und Bildung von Sauerstoff erheblich zu erweitern. Gemeinsam werden wir künstliche Enzyme synthetisieren und ihre Reaktionen mit Hilfe von Spektroskopie und künstlicher Intelligenz beobachten, um unsere Beobachtungen zu verstehen.
Die bioanorganische Chemie ist der Schlüssel zum Verständnis der Chemie in unserem Körper. Wenn wir uns bei der Entwicklung der Grünen Chemie von der Natur inspirieren lassen, kann das Leben besser werden – im Innern und in der Umwelt.
Aufgezeichnet von Mirco Lomoth